Hamburg. Supporters Club ruft zur Unterstützung auf – und erntet Protest. Für viele Anhänger hat der Abstieg offenbar seinen Schrecken verloren.
Unter allen Fanorganisationen der Bundesligavereine ist der HSV Supporters Club selbst schon eine Art Dino. 1993 wurde die Abteilung von damals 36 Mitgliedern des Hamburger Sport-Vereins gegründet. Inzwischen zählt sie mehr als 58.000 Mitglieder und ist damit die mit Abstand stärkste Kraft im HSV.
Am eigentlichen Daseinszweck aber hat sich im vergangenen Vierteljahrhundert nichts geändert: Es geht um die Unterstützung des Bundesligateams. Die aber ließ zuletzt zu wünschen übrig. Gegen Hannover 96 am vergangenen Sonntag kamen deutlich weniger Zuschauer, als die Supporters Mitglieder zählen: 46.000. Zu einem Derby, in dem es um den Klassenerhalt geht. Und als es am Ende wieder einmal nichts zu feiern gab, da wollten die meisten Fans nur noch eins: schnell nach Hause. Keine Aufmunterung, aber auch kein Protest, nur stille Enttäuschung.
Hat der ständige Abstiegskampf, das Geschacher um die Macht im Club, haben die vielen Wechsel an der Spitze, die Häme, die verfehlte Personalpolitik, die Pleiten, das Pech, die Pannen – hat all das die treue HSV-Gemeinde mürbe gemacht? Gar vom Glauben abfallen lassen?
Appell an die Fans
Genau das befürchtet der Supporters Club und hat sich deshalb am Mittwochvormittag via Facebook an die Anhängerschaft gewandt: „Aktuell ist der HSV wieder in einem Sturm, wenn nicht sogar in einem Orkan. Unser HSV. Den wir alle lieben und dem wir alle treu ergeben sind. Und dann wollen wir es uns einfach und bequem machen und aufgeben? Ist das die Hamburger Art, damit umzugehen? Wir glauben nicht“, heißt es da.
Es folgt ein eindringlicher Appell: „Stemmt euch mit aller Macht und Kraft dem Sturm entgegen. Mit allem, was ihr habt. Denn das ist genau das, was uns in den letzten Jahren ausgemacht hat. Wenn es stürmisch für den HSV wird, ... dann stehen wir alle nicht nur eng zusammen, sondern geschlossen hinter unserem HSV.“ Denn eigentlich sei es doch „euch und uns ja nun wirklich nicht egal, ob der HSV absteigt“.
Wirklich nicht? Bis zum Nachmittag wurde der Beitrag 400-mal kommentiert – allerdings meist ganz anders, als es sich der Supporters Club ausgemalt hatte. „Lieber in der Zweiten Liga mal ein paar Siege und eine anständige Saison bejubeln, als jahrelang 34 Spieltage lang ärgern, nur um zu sagen: Hey wir sind, warum auch immer, mal wieder nicht abgestiegen“, heißt es in einem Beitrag.
Auch einem anderen Fan ist es „mittlerweile lieber, dass der HSV ein bis zwei gute Jahre in der Zweiten Liga spielt, als mir noch eine weitere schlechte Saison in der Bundesliga anzutun. Ich bin jetzt über 20 Jahre HSV-Fan, aber irgendwann hat man es einfach satt, sich diese Rumpeltruppe anzuschauen.“ Wieder ein anderer empfiehlt: „Fragt doch mal lieber, ob den Spielern egal ist, was mit dem HSV passiert. Bis auf wenige Ausnahmen wirkt das nämlich sehr stark, als wäre das so.“
Fans wehren sich
Viele Fans wehren sich gegen den Eindruck, sich apathisch dem Schicksal zu fügen. Eine Anhängerin schreibt: „Tut mir einen Gefallen, bitte. Versucht nun nicht, die Schuld bei uns zu suchen. Nur weil wir mal anders reagiert hatten. Die Schuldigen sind auf dem Platz. Und mal ehrlich: Ihr meckert doch auch mal über den HSV oder seid sprachlos. Dieses Recht haben wir auch.“
Ein anderer gibt zu bedenken: „Wir, die Fans, sind das Einzige, was diesen Verein noch am Leben hält. ... Wir laufen das Volksparkstadion ein trotz jahrelanger schlechter Leistungen und zeigen Hingabe und Liebe. Wir geben Hunderte von Euros aus und zeigen Liebe und Leidenschaft über Jahre hinweg, und es kommt einfach nichts zurück.“ Ein Fan spielt den Ball an die Supporters zurück: „Ihr als Abteilung des Vereins solltet mit dem wichtigsten, was der Verein hat – den Fans –, sorgsamer umgehen und viel mehr wertschätzen, dass der HSV die geilsten und treusten Fans der Welt hat.“ Und so weiter.
Vorbild St. Pauli?
Man könnte daraus schließen, dass die HSV-Anhänger auch die Durchhalteparolen leid sind. Tatsächlich finden sich Appelle wie der aktuelle mit ähnlichem Wortlaut auch in den Vorjahren.
Aber so ablehnend wie diesmal fiel die Resonanz selten aus. „Die Fans wieder und wieder in die Pflicht zu nehmen ist billig! Wir sind immer da“, heißt es in einem Kommentar. Ein anderer empfiehlt sogar, sich den Lokalrivalen zum Vorbild zu nehmen: „St. Pauli spielt seit Jahren unterklassig, und die Fans haben trotzdem Spaß und feiern genug. Das können wir auch.“ Die Angst vor dem ersten Abstieg scheint im Club selbst inzwischen stärker ausgeprägt zu sein als unter dessen Anhängern. Oder, wie ein Anhänger schreibt: „Die Fans steigen nicht ab, die sind immer erstklassig.“