Hamburg. Der HSV hat recht, sagt ein Experte. Warum die Kickers ihre Forderung erhöht haben und was Kühne damit zu tun hat.
Bei der ersten von zwei Trainingseinheiten ging Bernd Hollerbach mit seinen Spielern für 70 Minuten in den Volkspark laufen. „Dienstags wird gearbeitet“, sagte der HSV-Coach bereits vergangene Woche bei seiner Vorstellung über das für die Profis neue Trainingspensum. Dass Hollerbach überhaupt beim HSV arbeiten darf trotz eines bis 2019 gültigen Vertrags bei Ex-Club Würzburger Kickers, sorgt derzeit für Diskussionen.
Der Drittligist widersprach am Montagabend in einer Pressemitteilung der Darstellung von HSV-Boss Heribert Bruchhagen, wonach sich die Hamburger mit Würzburg über eine Entschädigung für die Verpflichtung von Hollerbach geeinigt hätten, und setzte gleichzeitig eine Frist bis Mittwoch, 12 Uhr, für eine Ablösezahlung, die nach Abendblatt-Informationen im niedrigen sechsstelligen Bereich liegt.
Der HSV hat Würzburg wiederum für die kommenden beiden Jahre jeweils ein Ablösespiel im Falle des Klassenerhalts angeboten. Sollte es nicht zur Austragung der Testspiele kommen, verpflichten sich die Hamburger zu einer Ablösezahlung von 100.000 Euro. Darauf hat sich Bruchhagen mit Würzburgs Aufsichtsratschef Thorsten Fischer telefonisch geeinigt.
HSV lässt Kickers-Frist verstreichen
Nach Abendblatt-Informationen wird der HSV das Ultimatum der Kickers verstreichen lassen. Denn auch wenn Vorstandschef Daniel Sauer und nicht Fischer zeichnungsberechtigt ist, wähnt sich der HSV juristisch auf der sicheren Seite, weil Hollerbach seit seinem Rücktritt im Mai 2017 von Würzburg freigestellt ist und dadurch zwei Arbeitsverträge besitzen darf.
„Der HSV hat ein sehr vernünftiges Angebot gemacht. Ich sehe keine Grundlage für eine Schadenersatzforderung“, sagt Rechtsanwalt Horst Kletke, Experte für Fußball-Arbeitsrecht, dem Abendblatt. „Die Kickers können froh sein, dass ihre Gehaltszahlungen an Hollerbach geendet haben.“ Denn der Franke hat im Dezember letztmals ein Honorar von seinem Ex-Club erhalten.
DFL macht HSV keinen Ärger
Auch seitens der Deutschen Fußball-Liga (DFL) droht dem HSV kein Ärger, da Trainer im Gegensatz zu Spielern nicht für einen bestimmten Verein gemeldet werden. „Trainerverträge werden nicht bei der DFL eingereicht oder auf ihre Rechtmäßigkeit geprüft. Wichtig ist lediglich, dass der Trainer in Besitz einer Fußballlehrer-Lizenz ist“, sagte ein DFl-Sprecher auf Anfrage.
Würzburg könnte es auf ein Schlichtungsverfahren beim DFB ankommen lassen oder den Ex-Trainer beim Arbeitsgericht auf Erbringung der Arbeitsleistung verklagen, die Erfolgsaussichten schätzt Kletke aber sehr gering ein. „Hollerbachs Stelle ist längst neu vergeben. Würzburg hat keine vertraglichen Ansprüche an den HSV.“
Warum die Kickers ihre Ablöse-Forderung erhöht haben
Doch warum weichen die Versionen beider Vereine im Streit um die Ablöseverhandlungen bezüglich der Verpflichtung von Hollerbach überhaupt derart voneinander ab? Nach Abendblatt-Informationen hat Kickers-Chef Sauer erst Tage nach dem Gespräch zwischen Bruchhagen und Fischer von der mündlichen Einigung beider Club-Vertreter erfahren.
Seinen Unmut, sowohl über die Entschädigungs-Vereinbarung als auch den Zustand, als Zeichnungsberechtigter nicht kontaktiert worden zu sein, teilte Sauer am Donnerstag seinem Amtskollegen Bruchhagen mit, der daraufhin überrascht reagierte. Denn Fischer verpasste es während des Telefonats mit Bruchhagen zu erwähnen, gar nicht der richtige Ansprechpartner zu sein.
Wegen Kühne: Hollerbach hat Fischer verärgert
Fischer wiederum soll über die Aussage Hollerbachs („Ich hätte mir in Würzburg einen Gönner wie Herrn Kühne gewünscht“) verärgert gewesen sein. Wohl auch deshalb wollen die Kickers jetzt nichts mehr von einer bereits mündlich getroffenen Einigung mit dem HSV wissen.
Fischer, der Lenker und Denker des Vereins, fungiert in Würzburg als eine Art Lightversion von Kühne. Durch den Ausgleich von Fehlbeträgen steckt der Gründer und Geschäftsführer der Online-Druckerei Flyeralarm jährlich eine sechsstellige Summe aus eigener Tasche in den Verein.
Im Ablösestreit mit dem HSV wittert der Drittligist, der mit einem Etat von knapp vier Millionen Euro in die Saison ging, nun das große Geld. Doch am Ende werden sich die Kickers wohl auf das Angebot des HSV einlassen.