Endlich 18! Talent Fiete Arp darf ab sofort Entschuldigungen schreiben, einen Kredit beantragen – und soll nebenbei den HSV retten.
Jerez de la Frontera. So eine Volljährigkeit bringt ja durchaus Vorteile mit sich: man darf hochprozentigen Alkohol kaufen (und öffentlich trinken), mehr als 40 Stunden in der Woche arbeiten, und das auch nach 22 Uhr, und einen Dispokredit bei einer Bank oder Sparkasse beantragen.
Hamburgs Toptalent Fiete Arp, der an diesem Sonnabend im HSV-Trainingslager von Jerez de la Frontera seinen 18. Geburtstag feiert, hat allerdings ganz andere Dinge im Sinn: Der Stürmer darf nun endlich allein Auto fahren, – sofern er seine Führerscheinprüfung besteht – seine Entschuldigungen in der Schule selber schreiben, – wenn er mal wieder auf dem Trainingsplatz steht –, und bei Abendspielen des HSV ohne behördliche Genehmigung Fußball spielen – sofern Trainer Markus Gisdol ihn denn auch aufstellt.
Die Liste der jüngsten Bundesliga-Torschützen
„Aber eigentlich bin ich wunschlos glücklich“, sagt Arp, als er am Vortag nach seinen Geburtstagswünschen gefragt wird. Der zu diesem Zeitpunkt Noch-17-Jährige steht auf der Hotelterrasse des Barcelo Montecastillo und macht das, was er nach Toreschießen mittlerweile am zweitbesten kann: Interviews geben.
„Das gehört ja nun mal dazu, aber ich bin schon ganz froh, dass das öffentliche Interesse in den vergangenen Wochen ein wenig nachgelassen hat“, sagt Arp, der an diesem Vormittag dann doch noch mal ausführlich zum baldigen Rückrundenstart („Es ist utopisch, dass ich den HSV alleine rette“), seinen bevorstehenden Abiturprüfungen („Es ist wohl klar, dass es unter den gegebenen Umständen kein 1,0-Abitur wird“) und seinen baldigen Abschied aus dem HSV-Internat („Im Sommer möchte ich in meine erste eigene Wohnung ziehen“) befragt wird.
Gisdol lobt: „Fiete hat keine Angst“
Exakt 100 Tage ist es nun schon her, dass Fiete Arp im Nordderby gegen Werder Bremen (0:0) erstmals bei einem Profispiel des HSV eingewechselt wurde. „Schon nach den wenigen Minuten gegen Bremen hatte ich bei Fiete ein richtig gutes Gefühl“, sagt Trainer Gisdol im Abendblatt-Gespräch. „Der Junge hat keine Angst.“
Es brauchte nur noch eine weitere Einwechslung und ein erstes Tor beim 1:2 gegen Hertha BSC, ehe aus diesem Jungen, der keine Angst hat, ein vollwertiger Stammstürmer in der Bundesliga wurde. „Ich möchte einfach, dass wir nach 34 Spielen in der Bundesliga bleiben. Dazu möchte ich den größtmöglichen Beitrag leisten“, sagt Arp, der längst vom Sturmtalent zum bescheidenen Medienprofi mutierte. „Mir ist ganz egal, ob das in Form von Toren, Vorlagen oder bloßem Einsatz ist.“
Sein Einsatz hat sich natürlich längst herumgesprochen. So vergeht kaum ein Tag, an dem der jüngste HSV-Bundesligatorschütze aller Zeiten nicht mit Vereinen wie dem FC Chelsea, Real Madrid oder Bayern München in Verbindung gebracht wird. Dabei hat sich Arp längst für den englischen Premier-League-Club Tottenham Hotspur entschieden – zumindest auf der Playstation.
Arp eifert Kane nach
Bei Tottenham spielt Arps großes Vorbild Harry Kane, der gerade erst mit 37 Treffern im Jahr 2017 den Premier-League-Rekord für Tore in einem Kalenderjahr gebrochen hat. Das Besondere, das Arp am englischen Nationalspieler fasziniert, ist aber etwas ganz anderes: „Kane hat alle Jugendteams in seinem Club durchlaufen, ist in seinem Verein Profi und sogar Torschützenkönig geworden, zweimal. Und jetzt ist er Nationalspieler.“
Es ist eine beeindruckende Vita, die viele auch Arp zutrauen. „Innerhalb von drei Jahren hat Kane jeden Schritt gemacht, von dem man als junger Spieler träumt“, sagt Noch-Talent Arp.
Bilder aus dem HSV-Trainingslager:
HSV im Trainingslager – die besten Bilder
Das aus HSV-Sicht Entscheidende: Kane hat jeden dieser Schritte bei seinem Heimatclub gemacht. „Ich denke, dass auch wir der perfekte Verein für Fietes Entwicklung sind“, sagt Clubchef Heribert Bruchhagen, dem nicht entgangen ist, dass sogar Nationalmannschafts-Chefscout Urs Siegenthaler das HSV-Nesthäkchen unter besonderer Beobachtung hat.
Arp muss in Spanien die Schulbücher pauken
Im Abendblatt-Interview, das in dieser Woche erschien, sprach Siegenthaler Arp von sich aus an. „Das Entscheidende ist doch, dass man mit so einem Talent täglich richtig arbeitet“, sagte der Schweizer. „Dann kann das Talent ein großer Spieler werden.“
Ein teurer Spieler ist Arp längst geworden. So hat das Online-Portal „transfermarkt.de“ den Marktwert des Youngsters gerade von 500.000 Euro auf 7,5 Millionen Euro korrigiert. Eine Wert-steigerung um 1400 Prozent!
Und Arp? Der nutzte den freien Nachmittag am Freitag, um Gedichte zu lesen. Am 17. Januar muss der Nachwuchsstürmer statt auf dem Fußballplatz im Klassenraum brillieren – Abiprüfung, die erste. „Es geht um die Interpretation von Gedichten“, sagt Arp, dem die schriftlichen Abiturprüfungen aber genau so wenig Angst einjagen wie die gegnerischen Abwehrhaudegen. „Das bekomme ich schon hin. Ich bin ganz gut vorbereitet.“
Arp feiert Geburtstag mit HSV-Profis
Genau das ist auch das Ziel des HSV im Trainingslager. „An einigen Schrauben müssen wir noch drehen. Aber wir können viel Positives aus dem Test gegen Malaga ziehen“, sagt Arp, der am Donnerstag beim 2:1-Sieg an der Grenze zu Gibraltar in der zweiten Halbzeit erst ein- und dann wieder ausgewechselt wurde. „Das war abgesprochen“, beschwichtigte Trainer Gisdol, der beim zweiten Test im Estadio Municipal de La Línea de la Concepción an diesem Sonntag (17 Uhr) auf seinen Stammstürmer von Anfang an setzen dürfte. Gegner beim letzten Härtetest vor dem Rückrundenstart gegen den FC Augsburg ist dann der SC Freiburg.
17 Wortspiele mit HSV-Juwel Fiete Arp
Bevor aber Freiburg oder Augsburg auf dem Programm stehen, war am Freitagabend erst einmal reinfeiern angesagt. „Natürlich freut man sich, wenn man mit der Familie feiern kann. Das kann man aber alles nachholen. Ich finde aber, dass es nichts Geileres gibt, als mit der Mannschaft den 18. zu verbringen“, sagt Arp, der aber umgehend den Schalter vom Fast-Achtzehnjährigen zum Profi umlegte: „Wir sind ja nicht hier, um Party zu machen. Da ist es ganz egal, wer Geburtstag hat oder ob das der 18. ist. Wir sind hier, um zu trainieren und uns optimal auf Augsburg und die Rückrunde vorzubereiten.“
Redet ein Achtzehnjähriger normalerweise so? Eher nicht. Aber die viel wichtigere Frage ist doch: Spielt ein nun endlich Achtzehnjähriger normalerweise so Fußball? Mit Sicherheit nicht.