Markus Gisdol spricht im Abendblatt über die Rückrunde, das Jahr 2018, Streikprofi Walace und eine einsame Silvesternacht.

Auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen zeigt sich Markus Gisdol pragmatisch. Weil der Barmann im Mannschafts­hotel Barceló Montecastillo im südspanischen Jerez de la Frontera den Fernseher nicht leise stellen will, deutet der HSV-Trainer auf eine Sitzecke im Durchgang hin. „Dann gehen wir doch dahin“, sagt Gisdol, der zum Gespräch lediglich ein stilles Wasser bestellt. Aber Vorsicht: Stille Wasser sind tief.

Hamburger Abendblatt: Herr Gisdol, viele Menschen überlegen sich zum Jahreswechsel einen Vorsatz für das kommende Jahr. Haben Sie ein besonderes Ziel für 2018?

Markus Gisdol: Nein, das mache ich eigentlich nie. Und hätte ich ein besonderes Ziel ausgesprochen, hätte es auch keiner gehört.

Warum das? Wie und wo haben Sie denn Silvester gefeiert?

Gisdol: Alleine. Auf der Autobahn.

Im Ernst?

Gisdol: Ganz im Ernst. Aber das hatte eher praktische Gründe. Wir hatten die Wahl der Qual: entweder einen Tag länger mit der ganzen Familie in Süddeutschland verbringen oder gemeinsam früher aus dem Urlaub abreisen und ein halbes Silvester zusammen in Hamburg feiern. Wir haben uns für den zusätzlichen Urlaubstag in Süddeutschland entschieden. Und die Familie ist auch noch ein wenig länger geblieben, weil die erste Januarwoche ja noch Schulferien sind.

Und wie war es um Mitternacht auf der Autobahn?

Gisdol: Ziemlich leer. (lacht) Ich bin wahrscheinlich noch nie so gut durchgekommen wie am Silvesterabend. Um Mitternacht war ich eine halbe Stunde vor Hamburg. Irgendwie war es ein komisches Gefühl, aber um Punkt zwölf Uhr habe ich dann natürlich mit meiner Familie telefoniert.

Unabhängig von Silvestervorsätzen würden wir gerne ganz grundsätzlich mit Ihnen über Ziele sprechen. Ihr Ziel mit dem HSV in der Rückrunde …

Gisdol: … ist natürlich der Klassenerhalt. Dieses Ziel steht über allem. Unser kurzfristiges Ziel ist, dass wir deutlich effektiver als in der Vorrunde werden. Unser mittelfristiges Ziel ist, dass wir eine Mannschaft beisammenhaben, die stabil ist und Schritt für Schritt nach oben klettern kann.

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    Dieses mittelfristige Ziel hatte manch einer schon im vergangenen Sommer ausgerufen. Da hieß es, dass man in diesem Jahr „eine ruhige Saison“ spielen wolle. Ohne Dauerabstiegskampf. Können Sie sich damit arrangieren, dass man die Zielsetzung nun korrigieren muss?

    Gisdol: Intern war uns immer klar, dass es nicht leicht werden würde. Selbstverständlich hätten wir uns in der Hinrunde trotzdem ein paar Punkte mehr gewünscht. Und diese Punkte hätten wir holen können. Haben wir aber nicht. Und deswegen sind wir nun leider wieder in dieser schwierigen und auch sehr gefährlichen Situation, wo es erst mal nur um das Ziel Klassenerhalt gehen kann.

    Haben Sie ein gutes Gefühl, dass Sie hier im Trainingslager diesem übergeordneten Ziel näher kommen?

    Gisdol: Für ein Trainingslagerfazit ist es noch zu früh. Aber klar ist, dass auch in der Rückrunde unser Ziel sein muss, fitter als die anderen Mannschaften zu sein. Nur so können wir unsere fußballerischen Defizite kompensieren, die wir haben. Zudem müssen wir unser Umschaltspiel verbessern. Wir haben uns im Vergleich zum Vorjahr in der Abwehr stabilisiert, dafür aber vorne Tore liegen gelassen. Diese Tore hätten wir unbedingt gebraucht. Und daran arbeiten wir nun verstärkt.

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      Um fußballerische Defizite auszugleichen, haben Sie im vergangenen Jahr neben der Fitness auch große Stücke auf die mannschaftliche Geschlossenheit gehalten. Wie gehen Sie nun damit um, wenn mit Walace ein Einzelner persönliche Ziele vor denen des Teams stellt?

      Gisdol: Das Fehlverhalten von einem Spieler bringt glücklicherweise noch nicht die ganze Mannschaft aus dem Tritt. Aber Sie haben schon recht: Die Mannschaft steht immer über allem. Das muss jeder kapieren. Auch Walace.

      Und wenn er es nicht kapiert?

      Gisdol: Ich habe den Vorfall in der Kabine noch nicht großartig thematisiert. Denn so eine wichtige Rolle spielt ein Einzelner eben nicht. Man sollte das Fehlverhalten nicht überhöhen. Damit macht man es wichtiger, als es für die Gruppe insgesamt ist.

      Beim HSV kennt man seit sechs Jahren nichts anderes als die Zielsetzung Klassenerhalt. Wie lange kann sich ein Club wie der HSV dieses Ziel leisten?

      Gisdol: Wegen der Vergangenheit träumt man in Hamburg immer von anderen Zielen. Aber die aktuellen Gegebenheiten und Umstände muss man realistisch sehen und akzeptieren, dass man momentan zum unteren Drittel der Liga gehört. Das Ziel muss sein, möglichst gut in diesem unteren Drittel der Liga abzuschneiden. Diese Situation muss man annehmen. Wenn man die Situation nicht annimmt, dann steigt man schneller ab, als man denkt.

      Noch mal nachgehakt: Wie lange kann sich ein Club wie der HSV dieses Ziel leisten?

      Gisdol: Viele andere Clubs würden sich wünschen, immer die Liga zu halten. Viele schaffen es nicht. Diese Leistung, es immer zu schaffen, sollte man auch nicht kleinreden. Und trotzdem haben Sie natürlich recht: Irgendwann müssen wir uns aus diesem Dauer-Existenzkampf befreien. Das ist aber ein ganz harter Weg. Und nur vom Träumen wird man diesen Weg nicht erfolgreich gehen können. Ich glaube übrigens, unabhängig vom aktuellen Tabellenstand, dass wir ein paar Weichen für die Zukunft gestellt haben.

      Welche Weichen?

      Gisdol: Zum Beispiel das Heranführen von jungen Spielern an den Profikader. Das sollte immer ein großes Ziel für einen Proficlub sein. Und da sind wir mit unseren jungen Spielern Gideon Jung, Fiete Arp, Tatsuya Ito, Vasilije Janjicic und Patric Pfeiffer in dieser Saison einen großen Schritt nach vorne gegangen. Schon zu meiner Zeit in Hoffenheim sind wir diesen Weg mit Talenten wie Niklas Süle, Jeremy Toljan und Nadiem Amiri gegangen. Es war ein steiniger Weg, der sich aber doppelt und dreifach gelohnt hat und den wir auch in Hamburg gehen wollen. Damit die Ziele erreicht werden, müssen wir vor allem diese Talente weiter fördern und halten.

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      Ganz schön viel Aufmerksamkeit für einen Jungspund: Einen Tag vor seinem 18. Geburtstag stellte sich Fiete Arp in Jerez den Fragen der Medienvertreter © Witters
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      Strecken für den Klassenerhalt: Die Angreifer Bobby Wood und Bakery Jatta in Jerez de la Frontera © WITTERS | TimGroothuis
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      In Südspanien will Trainer Markus Gisdol die HSV-Profis acht Tage lang auf die Rückrunde einschwören © WITTERS | TimGroothuis
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      Dabei steht der Chefcoach auch in ständigem Austausch mit Sportdirektor Jens Todt © WITTERS | TimGroothuis
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      Mit dabei ist auch Toptalent Fiete Arp © WITTERS | TimGroothuis
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      Ernst wird es dagegen für Christian Mathenia (l.) und Julian Pollersbeck – zwischen den Torhütern wurde der Kampf um die Nummer eins neu ausgerufen © WITTERS | TimGroothuis
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      Einen Platz im Kader erkämpfen will sich auch Jungprofi Patric Pfeiffer © WITTERS | TimGroothuis
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      Für Dennis Diekmeier (r.) ist es dagegen längst nicht das erste Trainingslager mit dem HSV © WITTERS | TimGroothuis
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      Was auch den Jungen wie Rick van Drongelen (l.) und Vasilije Janjicic gefällt © WITTERS | TimGroothuis
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      Auch HSV-Boss Heribert Bruchhagen macht sich vor Ort ein Bild von der Mannschaft © WITTERS | TimGroothuis
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      Auch mit Jens Todt erörtert Bruchhagen die Lage © WITTERS | TimGroothuis
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      Der Sportchef muss indes unter anderem im Fall des abwanderungswilligen Walace vermitteln © WITTERS | TimGroothuis
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      Das Trainerteam in Jerez (v.l.): Torwarttrainer Stefan Wächter, Co-Trainer Frank Kaspari, Trainer Markus Gisdol, Co-Trainer Frank Fröhling, Athletiktrainer Daniel Müssig © WITTERS | TimGroothuis
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      Das Trainingslager des HSV in Jerez dauert vom 2. bis 8. Januar © WITTERS | TimGroothuis
      In der Abflughalle in Fuhlsbüttel gewährte Lewis Holtby diesem weiblichen Fan noch ein Selfie
      In der Abflughalle in Fuhlsbüttel gewährte Lewis Holtby diesem weiblichen Fan noch ein Selfie © dpa
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      Das ultimative Trainerziel, aus einem Talent einen gestandenen Profispieler zu formen, ist kaum planbar.

      Gisdol: Das stimmt nur bedingt. Im ersten oder zweiten Training kann man als Trainer natürlich kaum einschätzen, ob ein talentierter Nachwuchsmann tatsächlich mal ein richtig guter Bundesligaspieler werden kann. Aber eine Einschätzung nach dem ersten oder zweiten Spiel unter Wettkampfbedingungen abzugeben, das traue ich mir schon zu.

      Fiete Arp kam ein paar Minuten gegen Bremen zum Einsatz und traf dann in Berlin direkt nach seiner Einwechslung.

      Gisdol: Bei Fiete hatte ich ehrlich gesagt schon nach den wenigen Minuten gegen Bremen ein gutes Gefühl. Der Junge hat keine Angst. Bei Niklas Süle in meiner Hoffenheim-Zeit war das ähnlich. Den habe ich unter der größten Drucksituation im Abstiegskampf reingeschmissen, und der blieb die Ruhe selbst. Wirklich beeindruckend.

      Was haben Sie Süle damals vor seinem ersten Einsatz gesagt?

      Gisdol: Gar nicht viel. Ich habe ihm vor allem Vertrauen geschenkt. Das merken die Jungs. Natürlich braucht man mit Talenten etwas mehr Zeit als mit gestandenen Profis. Aber auch unseren Jungen muss ich nicht mehr die Welt erklären. Sie müssen nur das Gefühl haben, dass man auf sie setzt – und dass sie auch mal einen Fehler machen dürfen. Ganz wichtig ist, dass sie die notwendige Freiheit bekommen, ihren individuellen Weg zu gehen. Man darf die Jungs nicht zu sehr in ein Korsett reinpressen.

      Haben Sie Süle nach seinem ersten Länderspiel eine SMS geschickt?

      Gisdol: SMS sind eigentlich nicht so mein Ding. Mit Niklas habe ich immer noch guten Kontakt. Und natürlich habe ich mich sehr für ihn gefreut, dass er es zu Bayern München und in die Nationalmannschaft geschafft hat. Gerade bei diesem Spieler habe ich das Gefühl, dass auch er unsere gemeinsame Zeit nach wie vor wertschätzt. Nach unserem Spiel gegen die Bayern war er der Erste, der nach dem Abpfiff zu mir in die Trainerkabine kam. Wenn das passiert, dann weißt du als Trainer, dass du ein paar Sachen richtig gemacht hast.

      Haben Sie Zielvereinbarungen in Ihrem Vertrag verankert?

      Gisdol: Nein. Ich brauche keine zusätzliche Motivation.

      Das können wir gar nicht glauben. Nicht mal eine Nichtabstiegsprämie?

      Gisdol: Auch nicht. Als ich vor anderthalb Jahren zum HSV kam und zunächst nur einen Vertrag bis Saisonende hatte, wollte ich auch keine zusätzliche Prämie für den Klassenerhalt.

      Entschuldigen Sie, aber das war nicht besonders clever …

      Gisdol: Warum? Ich muss keine Klauseln im Vertrag haben, um alles zu geben. Ich bekomme auch jetzt keine Prämie für den Klassenerhalt. Auch in Hoffenheim, als ich nur sieben Spieltage für den Klassenerhalt hatte, gab es keine Sonderklausel. Ich brauche das nicht.

      Haben Sie mit Ihrer Mannschaft vor der Saison Zielvereinbarungen festgelegt?

      Gisdol: Wir haben keine konkreten Tabellenplätze als Zielvereinbarung verabschiedet. Aber natürlich haben wir uns vor der Saison zusammengesetzt und ein paar Ziele gemeinsam festgelegt: besseres Umschaltspiel, mehr Torvorbereitungen über außen, weniger Gegentore, unter anderem.

      Gibt es auch individuelle Zielvereinbarungen mit den Spielern?

      Gisdol: Unsere Stürmer haben keinen Vertrag mit mir, wie viele Saisontore sie erzielen wollen. Aber es gibt eine ganze Reihe von Spielern, die mit unserem oder einem eigenen Mentaltrainer zusammenarbeiten und in ihren Sitzungen individuelle Ziele festlegen. Ich kann das nur unterstützen.

      Berichten die Spieler von ihren vereinbarten Zielen?

      Gisdol: Der eine erzählt mir davon, der andere nicht. Das soll auch jeder so handhaben, wie er möchte. Wichtig ist, dass sich die Spieler wohlfühlen damit und dass sie durch ihre individuellen Ziele keinen zusätzlichen Druck spüren.

      Kennen Sie Brian Tracy?

      Gisdol: (überlegt) Müsste ich?

      Der Buchautor gilt als einer der größten „Erfolgslehrer“ der Welt, der rund 70 Bücher über Ziele und Zielsetzungen geschrieben hat. Seine Kernthese ist, dass die meisten Menschen erreichbare Ziele nicht erreichen, weil sie sich aus Angst vor dem Scheitern gar nicht erst Ziele setzen. Hat er recht?

      Gisdol: Jein. Ich bin schon ein Fan davon, dass man sich Ziele setzt. Sie dürfen ambitioniert, sollten aber gleichzeitig realistisch sein. Und dabei gilt es in kurzfristige, mittelfristige und langfristige Ziele zu unterscheiden. In meiner Trainerlaufbahn habe ich mir immer hohe Ziele gesetzt.

      Sie sind in der Kreisliga B als Trainer gestartet. War die Bundesliga damals schon Ihr Ziel?

      Gisdol: Nein. Das wäre zu dem Zeitpunkt kein realistisches Ziel gewesen. Ich wollte immer das Maximale in der jeweiligen Si­tuation rausholen. Egal ob damals bei der TSG Salach oder heute beim HSV. Mein Lebensziel war es nicht, Bundesligatrainer zu werden.

      Haben Sie ein Lebensziel?

      Gisdol: Ja. Das kennt meine Frau. Das kennen meine Kinder. Und sonst keiner.