Hamburg. HSV-Torhüter Christian Mathenia erklärt, wie er sich aus seinem Leistungstief befreit hat – und wie er über seinen Konkurrenten denkt.
Christian Mathenia scheint derzeit unüberwindbar. Gegen Hoffenheim (3:0) und in Freiburg (0:0) ließ der HSV-Torhüter erstmals seit seinem Wechsel im Sommer 2016 zum HSV in zwei aufeinanderfolgenden Spielen keinen Gegentreffer zu. Auch im Trainingsspiel am Dienstagvormittag hielt Mathenia seinen Kasten sauber und bestätigte seine aktuelle Form. Im Anschluss traf er sich zum Gespräch mit dem Abendblatt.
Herr Mathenia, wissen Sie noch, wann Sie zuletzt dreimal in Folge zu null gespielt haben?
Christian Mathenia: Dreimal? Zweimal, oder?
Am Sonnabend gegen Wolfsburg folgt doch das dritte Mal, oder nicht?
(lacht) Eine schöne Fangfrage. In Darmstadt ist mir mal so eine Serie gelungen. In meiner Zeit beim HSV habe ich nun erstmals zweimal am Stück zu null gespielt. Das ist natürlich eine schöne Randnotiz, mehr aber auch nicht.
Es war Ende November/Anfang Dezember 2014, als Sie mit Darmstadt in der Zweiten Liga nicht nur drei, sondern gleich fünf Spiele in Folge zu null gespielt haben. Können Sie den HSV-Fans jetzt eine ähnliche Serie versprechen?
Es wäre schön, wenn ich bis zur Winterpause kein Gegentor mehr kassiere. Wir wollen auch im kommenden Heimspiel gegen Wolfsburg die Null halten. Weiter denke ich erst mal noch nicht.
Anfang der Saison war an eine solche Serie nicht zu denken, als Ihre Fehler in den Spielen in Hannover (0:2) und Mainz (2:3) den HSV Punkte gekostet haben. Wie haben Sie die Kritik in dieser Phase verarbeitet?
Ich habe jede Woche Bundesligaspiele geschaut und dabei auch Patzer von anderen Torhütern gesehen. Es ist unmöglich, in der Ersten Liga fehlerfrei zu bleiben. In Hamburg ist das Medienecho größer als in anderen Städten. Das war mir aber auch vor meinem Wechsel zum HSV bewusst. Natürlich war die Zeit nach den angesprochenen Fehlern keine schöne. Aber ich wusste auch, was ich kann und was ich für den HSV schon geleistet habe. Ich wollte meine Fehlgriffe direkt am nächsten Spieltag wieder vergessen machen.
Haben Sie etwas in der täglichen Arbeit umgestellt, um sich aus diesem Leistungstief zu befreien?
Aufgrund meiner Mentalität zeige ich immer mehr Einsatz als gefordert. In dieser Phase habe ich noch einen Tick mehr Gas gegeben, um mir das Glück wieder zu erarbeiten. Aber auch meine Familie und Freunde, die immer zu mir gestanden haben, waren in dieser Zeit sehr wichtig für mich. Sie haben mir mit ihrer Unterstützung geholfen, aus diesem kleinen Tief herauszukommen.
Zuletzt waren Sie wieder ein sicherer Rückhalt. Nach dem jüngsten Heimsieg gegen Hoffenheim (3:0) haben Sie sogar ein Sonderlob von Trainer Markus Gisdol, der es normalerweise vermeidet, einzelne Spieler hervorzuheben, erhalten. Haben Ihnen seine Worte einen besonderen Schub gegeben?
Natürlich ist es eine schöne Sache, wenn der Trainer mich explizit nennt und meine ruhige Ausstrahlung lobt. Das gibt einem auch einen zusätzlichen Kick.
Obwohl Sie der Stammtorwart sind, erweckte Ihr Konkurrent im Tor, Julian Pollersbeck, in den zurückliegenden Wochen große mediale Aufmerksamkeit wegen seiner vermeintlich laschen Trainingseinstellung. Wünschen Sie sich manchmal, mit Ihrer Leistung mehr im Rampenlicht zu stehen als Pollersbeck?
Mir ist bewusst, dass ich mir ein Standing, wie es beispielsweise René Adler (von 2012 bis 2017 beim HSV; Anm. d. Red.) hier hatte, erst mal durch konstante Leistungen erarbeiten muss. Dass „Polle“ in den vergangenen Wochen ein großes Thema in den Medien war, hat mich gar nicht beeinflusst. Er hat die Berichterstattung selber auch als Ansporn genommen.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Pollersbeck?
Wir haben ein sehr gutes, kollegiales Verhältnis, so wie ich es auch zu René Adler und all meinen bisherigen Konkurrenten gepflegt habe. Wir pushen uns in jedem Training, er übt auch Druck auf mich aus.
Mediale Aufmerksamkeit erregte in den vergangenen Tagen auch die Kritik von Matthias Sammer an der Spielweise des HSV in Freiburg. Wie nehmen Sie die Offensivaktionen Ihrer Mitspieler wahr?
Als Torwart ist man ehrlich gesagt manchmal ein kleiner Klugscheißer und fragt sich, warum der Kollege den Ball nicht beispielsweise in die lange Ecke geschossen hat. Man lebt das Spiel von hinten komplett mit, als würde man selber den Ball ins Tor schießen.
Die Kritik von Sammer schloss auch Ihre Pässe mit ein. Tatsächlich landeten nur zwei Ihrer 13 langen Bälle sowie vier Ihrer zwölf Abstöße beim Mitspieler.
Wir haben einen bestimmten Matchplan, an den sich alle halten müssen. Wir wollten Freiburg nicht in die Karten spielen und haben deshalb auf kurze Pässe in der Defensive verzichtet. Hinten kurz herauszuspielen wäre nicht gewinnbringend gewesen. Dann wäre die Gefahr eines Ballverlustes in unmittelbarer Tornähe viel zu groß. Eine solche Taktik ist aber immer abhängig vom Gegner.
Welche Vorteile haben lange Bälle?
Die Idee ist, dort, wo der Ball herunterkommt, schnell zuzupacken und mit wenigen Ballkontakten zum Tor zu kommen. Es ist natürlich ein Vorteil, wenn du durch einen weiten Abstoß schon 40 Meter vor dem gegnerischen Tor bist und nach dem Ballgewinn in Kürze in eine Abschlusssituation kommen kannst. Gegen Hoffenheim hat das perfekt funktioniert.
Heißt das, dass Ballverluste einkalkuliert sind?
Wir sind eine extreme Pressingmannschaft. Wenn wir uns gut positionieren, können wir dem gegnerischen Abwehrspieler den Ball auch nach einem Fehlpass schnell wieder abnehmen und haben dann einen kurzen Weg zum Tor.
Bis zur Winterpause sind es noch drei Spiele. Wie oft spielen Sie in den verbleibenden Partien zu null?
(lacht) Ich hoffe, am Sonnabend. Das ist erst mal das, was zählt.