Hamburg. Während der TSG-Coach seine Spieler nicht zu erreichen schien, ging Gisdols Plan voll auf. Mavraj macht einen Spruch über Wagner.

Man muss schon ein gehöriges Maß an Kreativität mitbringen, um in drei Sätzen dreimal das Gleiche zu sagen. Manager Jens Todt, der einst Germanistik und Philosophie studierte, gelang das Kunststück am Sonntagabend im Bauch des Volksparkstadions ganz vorzüglich. So habe er „eine überragende Leistung“ gesehen, sagte der Sportchef des HSV kurz nach dem verdienten 3:0 der Hamburger gegen Hoffenheim und kurz vor seiner verdienten Sieger-Zigarette. „Eine Top-Leistung“, konkretisierte Todt. Und dann auch noch das: „Eine wirklich herausragende Leistung.“ Ausrufezeichen, Ausrufezeichen und noch ein Ausrufezeichen.

Nun denn. Tatsächlich war es an diesem Sonntag keineswegs übertrieben von einer „überragend-herausragenden Top-Leistung“ zu sprechen. Der HSV, dem vor diesem Spieltag ein erstmaliges Abrutschen in dieser Saison auf einen Abstiegsrang gedroht hatte, überlief den Champions-League-Qualifikanten aus Sinsheim förmlich. „Uns ist es gelungen, dem Gegner keine Luft zum Atmen zu lassen“, eigenlobte sich Trainer Markus Gisdol, dessen Plan aber auch von Anfang bis zum Ende aufgegangen war.

Die Statistik

HSV

Mathenia - Diekmeier,  Papadopoulos,  Mavraj, Santos - Gideon Jung,  Sakai - Wood (82. Schipplock),  Hunt (75. van Drongelen),  Kostic -  Arp (90. Waldschmidt). - Trainer: Gisdol

Hoffenheim

Baumann -  Posch,  Vogt, Akpoguma,  Schulz - Grillitsch -  Demirbay (64. Szalai), Zuber (64. Kramaric)-  Uth,  Wagner, Gnabry (57. Amiri). - Trainer: Nagelsmann

Schiedsrichter

Bastian Dankert (Rostock)

Zuschauer

46.470

Tore

1:0  Akpoguma (Eigentor/6.), 2:0 Kostic (76.), 3:0 Jung (88.)

Gelbe Karten

  – Vogt (5./gesperrt), Uth, Grillitsch

1/6

Gisdols Plan mit Wood und Arp ging auf

So hatte sich der frühere Hoffenheimcoach entschieden, erstmals in dieser Saison nicht auf Bobby Wood oder Fiete Arp im Angriff zu setzten – sondern auf Wood und Arp. Ziel dieser Doppelspitze war es vor allem, die noch am Donnerstag in der Europa League in Braga aktiven Hoffenheimer früh zu attackieren, bedingungslos zu pressen und 1899 gar nicht erst ins Spiel kommen zu lassen.

Die HSV-Spieler in der Einzelkritik

Und der HSV brauchte nur sechs Minuten, um den gisdolschen Plan erstmals so richtig in die Tat umzusetzen – und ein erstes Ausrufezeichen zu setzen: Gerade hatte Fiete Arp seine erste Großchance ausgelassen. Doch statt sich darüber zu ärgern, erkämpften sich die Hamburger den Ball am gegnerischen Strafraum umgehend zurück. Über Aaron Hunt, Filip Kostic und Douglas Santos ging es dann im ICE-Tempo zurück in die Spitze, wo erneut Arp lauerte. Doch bevor der 17 Jahre alte Youngster zur frühen Führung vollstrecken konnte, erledigte Hoffenheims Akpoguma den Job lieber selbst. 1:0 nach 300 Sekunden – der HSV-Traumstart war perfekt.

„Das frühe 1:0 hat natürlich enorm geholfen“, sagte Mergim Mavraj. „So haben wir schon sehr früh gesehen, dass das funktioniert, was der Trainer uns mit auf dem Weg gegeben hatte.“

Die Liste der Meilenstein-Eigentore

1. Eigentor

Willi Schulz (Schalke 04) am 31. August 1963, Saison 1963/64 in Kaiserslautern (Endstand 2:3)

100. Eigentor

Dieter Feller (VfB Stuttgart) am 6. Dezember 1969, Saison 1969/70 in Kaiserslautern (Endstand 3:2)

200. Eigentor

Per Röntved (Werder Bremen) am 28. August 1976, Saison 1976/77 in Saarbrücken (zweites Eigentor in diesem Spiel von Röntved, Endstand 2:0)

300. Eigentor

Rudi Bommer (Fortuna Düsseldorf) am 29. Mai 1982, Saison 1982/82 in Duisburg (Endstand 2:1)

400. Eigentor

Oliver Reck (Werder Bremen) am 29. Oktober 1988, Saison 1988/89 in Bremen (Endstand 3:1)

500. Eigentor

Uwe Wolf (1. FC Nürnberg) am 12. Februar 1994, Saison 1993/94 in Frankfurt (Endstand 1:1)

600. Eigentor

Jörg Butt (Hamburger SV) am 13. März 1999, Saison 1998/99 in Hamburg (Endstand 0:2)

700. Eigentor

Mathias Hain (Arminia Bielefeld) am 5. April 2003, Saison 2002/03 in Hamburg (Endstand 1:0)

800. Eigentor

Tim Sebastian (Karlsruher SC) am 23. August 2008, Saison 2008/09 in Hamburg (Endstand 2:1)

900. Eigentor

Alvaro Dominguez (Borussia Mönchengladbach) am 14. April 2013, Saison 2012/13 in Stuttgart (Endstand 2:0)

1000. Eigentor

Kevin Akpoguma (1899 Hoffenheim) am 26. November 2017, Saison 2017/18 in Hamburg

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Nagelsmann verlegt Freistoßpunkt nach hinten

Wirkte irgendwie unzufrieden: Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann in Hamburg
Wirkte irgendwie unzufrieden: Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann in Hamburg © Imago/MIS

Und wie. Während sich Hoffenheim nach dem frühen Rückstand bis zum Ende des Spiels nur noch zwei Torchancen (Wagner/38., Schulz/71.) herausspielen konnte, erkämpften sich die wie verwandelt auftretenden Hamburger ein halbes Dutzend an Möglichkeiten. Doch weil auch beste Torchancen nicht genutzt wurden, musste eine Viertelstunde vor dem Abpfiff eine Nicht-Chance für das 2:0 herhalten: So hatte Filip Kostic einen Freistoß aus rund 35 Metern – laut dem genervten Hoffenheim-Trainer Julian Nagelsmann sogar aus 42 Metern – einfach mal aufs (und zur Überraschung aller dann sogar ins) Tor geschossen. Das zweite Ausrufezeichen des Spiels – und damit auch die endgültige Entscheidung.

Bekanntlich sind ja aber aller guten Dinge drei. Und so ließen es sich Vor­lagengeber Dennis Diekmeier und Vollstrecker Gideon Jung nicht nehmen, kurz vor dem Schlusspfiff noch ein drittes Ausrufezeichen zu setzen. „Das war ein Sieg des Willens“, sagte Kyriakos Papadopoulos, der Spiritus Rector der Hamburger Mentalitätsspieler.

Die Höhepunkte

2. Minute

Der erste Hochkaräter für Hoffenheim – und beinahe hätte Gnabry zugeschlagen. Der ehemalige Bremer setzt die Direktabnahme nach Vorlage von Zuber aber haarscharf links am Hamburger Kasten vorbei. Initiiert wurde der Angriff vom Ex-HSVer Demirbay.

6. Minute

TOOOOOOOOOOOOOR für den HSV – 1:0! Der erste Angriff bringt die Führung. Zuerst schlägt Arp nach Pass von Douglas Santos im Strafraum ein Luftloch, doch der Brasilianer erhält erneut die Möglichkeit zur Flanke. Und diese lenkt Hoffenheims Akpoguma, bedrängt von Arp, ins eigene Tor.

30. Minute

Papadopoulos in ungewohnter Rolle: Hunt überlässt dem Griechen einen Freistoß, den der Innenverteidiger mit einem Spannstoß aus gut 25 Metern aber rechts am Hoffenheim-Tor vorbeischießt.

38. Minute

Nach viel Leerlauf darf sich Mathenia mal beweisen, indem er eine Flanke vor Hoffenheims Nationalstürmer Wagner sicher abfängt.

39. Minute

Ungleich gefährlicher wird es im Gegenzug, bei dem Kostic TSG-Keeper Baumann mit einem strammen Distanzsschuss zu einer Parade zwingt.

42. Minute

Demirbay tritt einen Freistoß zentral an der Strafraumgrenze, der Ball fliegt jedoch abgefälscht übers Tor.

49. Minute

Wood eröffnet den zweiten Durchgang – und wie: Der US-Stürmer pflückt den Ball runter, dreht sich um Grillitsch und feuert volley aus 20 Metern. Der Schuss prallt allerdings nur gegen den linken Hoffenheimer Pfosten.

53. Minute

Auch Arp lässt sich nicht bitten und prüft Baumann mit einem satten Schuss, der allerdings zu zentral gerät.

61. Minute

Arp steckt klasse durch zu Kostic, der auf links durchbricht und abzieht. Der Ball streicht leicht abgefälscht am Tor vorbei. Der Eckball-Pfiff von Schiedsrichter Dankert bleibt allerdings aus.

63. Minute

Riesenchance für Wood zum 2:0! Kostic legt gang fein zurück auf Wood, doch der US-Stürmer streichelt den Ball aus elf Metern völlig unbedrängt Baumann in die Arme.

67. Minute

Immer wieder über links: Diesmal flankt Kostic, doch Arp kann den Ball nicht mehr aufs Tor bringen. War aber auch schwierig zu nehmen.

69. Minute

Was hat der Junge für einen Bumms! Arp zieht bei einem Konter einfach mal ab – Baumann kann den satten Schuss per Flugeinlage gerade noch zur Ecke lenken.

71. Minute

Mathenia sichert die Führung: Der HSV-Keeper lenkt einen abgefälschten Schulz-Schuss zur Ecke.

76. Minute

TOOOOOOOOOOOOOOR für den HSV – 2:0! Kostic packt den Freistoß-Hammer aus und überwindet Baumann aus mehr als 30 Metern. Hoffenheims Torhüter sieht dabei aber auch nicht gut aus, da er den Ball unter den Händen durchflutschen lässt.

88. Minute

TOOOOOOOOOOOOOOOR für den HSV – 3:0! Das erste Bundesligator für Jung! Zunächst scheitert Schipplock per Kopf an der Latte. Im Folgeangriff flankt Kostic auf Diekmeier, der am langen rechten Pfosten per Kopf auf Jung ablegt, der die Kugel direkt nimmt und per Aufsetzer in die Maschen drischt.

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Mavraj und Mathenia mahnen

Doch weil Fußball nun mal ein kurzweiliges Vergnügen ist, nahm der professionelle Spielverderber Christian Ma­thenia seine Rolle auch nach allen Paraden und dem Abpfiff ernst und erinnerte daran, dass auf den HSV und den drei Ausrufezeichen bereits am kommenden Freitag ein neuer Fall warte: „Es bringt uns jetzt nichts, uns eine Woche feiern zu lassen“, mahnte der Torhüter gewissenhaft. „Wir müssen nächsten Freitag da weitermachen, wo wir heute aufgehört haben – und wir müssen uns die nächsten drei Punkte holen.“

Von so viel Vernunft ließ sich auch Mavraj anstecken. Der Innenverteidiger schien das Duell mit Gegenspieler Sandro Wagner („Man kennt ihn ja: Er hat ein unglaubliches Selbstbewusstsein. Aber er redet zu viel: mit dem Schiedsrichter, den Gegenspielern, den Mitspielern und sogar den Maulwürfen“) so richtig genossen zu haben. Doch nach dem Spiel ist bekanntlich vor dem Spiel: „Wir werden am Freitag sehen, was dieser Sieg wirklich wert ist. Freitag gegen Freiburg ist ein wichtiger Fingerzeig!“

Ausrufezeichen – und Ende.