Hamburg/Gelsenkirchen. Die Hamburger zeigen eine ansprechende Leistung, lassen aber auch beste Chancen aus. Gisdol degradiert Pollersbeck.

Der HSV ist wieder dort, wo es wehtut: im Abstiegskampf. Zwei Wochen nach dem rauschenden 3:1-Heimsieg gegen den VfB Stuttgart unterlagen die Hamburger am zwölften Bundesligaspieltag beim FC Schalke 04 mit 0:2 (0:1) und verharren mit zehn Punkten auf dem 15. Tabellenplatz unmittelbar vor der Abstiegszone. Die hocheffizienten Schalker dagegen verdrängten durch den siebten Saisonsieg RB Leipzig vom zweiten Tabellenplatz und liegen erstmals nach 911 Tagen wieder vor dem ungeliebten Nachbarn aus Dortmund.

"Es ist ärgerlich, wie wir in Rückstand geraten sind, weil wir hinten kaum etwas zugelassen haben. Und wir hatten die Chance zum Ausgleich", sagte Dennis Diekmeier nach der fünften Auswärtsniederlage nacheinander – bei der sich der HSV-Routinier zu allem Überfluss eine Oberschenkelzerrung zuzog. Sein Abwehrkollege Mergim Mavraj sprach mit einigem Recht von einem "Spiel auf Augenhöhe" und haderte mit dem Ausgang: "Wenn das Glück nicht auf deiner Seite ist, verlierst du so ein Spiel auch – aber nicht unbedingt verdient."

HSV-Trainer Markus Gisdol musste gleich auf zwei Stützen im defensiven Mittelfeld verzichten. Der Schwede Albin Ekdal hatte sich im Play-off-Hinspiel der WM-Qualifikation gegen Italien eine Oberschenkelverletzung zugezogen. Am Sonnabend meldete sich dann auch der Brasilianer Walace aufgrund einer Knieprellung ab. Dafür rutschte Gideon Jung nach seiner Rotsperre wieder in die Startelf.

Pollersbeck nicht im Kader

Julian Pollersbeck, der mit Jung im Sommer U-21-Europameister wurde, schaffte es dagegen nicht einmal mehr in den Kader. Der für 3,5 Millionen Euro von Kaiserslautern verpflichtete Ersatztorwart musste seinen Platz für Tom Mickel räumen. Erwartungsgemäß blieb auch Lewis Holtby wie schon beim Heimsieg gegen Stuttgart unberücksichtigt. Shootingstar Jann-Fiete Arp durfte zum zweiten Mal von Beginn an ran.

Schalke-Trainer Domenico Tedesco musste ohne Leon Goretzka auskommen, der Nationalspieler plagt sich noch mit einer knöchernen Stressreaktion herum. Die Schalker waren zuvor seit fünf Runden ungeschlagen, in denen sie nur zwei Gegentore hinnehmen mussten. Überhaupt hatten sie in dieser Saison erst zehn Treffer kassiert, nur Tabellenführer FC Bayern (acht) verteidigt besser.

Jung ungestüm gegen Konopljanka

Das letzte Gelsenkirchener Gastspiel hatten die Hamburger allerdings in bester Erinnerung: Pierre-Michel Lasogga traf am vorletzten Spieltag in der Nachspielzeit zum 1:1-Ausgleich und wendete damit den möglichen direkten Abstieg, zumindest aber den sicheren Gang in die Relegation ab. „Ein emotionales Erlebnis“, schwärmte Gisdol, erinnerte aber daran, dass seine Mannschaft damals eine andere war. „Vor allem für die jungen Kerle ist es eine tolle Erfahrung, vor dieser Kulisse zu spielen“, sagte der Trainer vor dem Anpfiff am Sky-Mikrofon mit Blick auf die 62.271 Zuschauer in der ausverkauften Veltins-Arena: "Wir wollen uns hier nicht verstecken."

Seine Mannschaft hielt – nach einer Gedenkminute für den verstorbenen Friedel Rausch – Wort. Sie machte geschicktt die Räume eng und ließ die Schalker allenfalls vor deren eigenem Tor kombinieren. Doch die Taktik funktionierte nur eine Viertelstunde. Dann nämlich drang Schalkes Jewgen Konopljanka von links in den Hamburger Strafraum ein und wurde von Jung ungestüm zu Boden gerempelt. Ein klarer Elfmeter – so sah es zunächst aus und so entschied auch Schiedsrichter Robert Hartmann nach kurzer Bedenkzeit.

Sky-Experte Dietmar Hamann äußerte später Zweifel: „Konopljanka stellt den Fuß raus und sucht den Kontakt – für mich kein Strafstoß.“ Videoassistent Wolfgang Stark allerdings schaltete sich nicht ein. Auch Gisdol räumte ein, "dass man den Elfmeter geben kann". Und so konnte sich Franco Di Santo den Ball auf dem Punkt zurechtlegen und HSV-Torwart Christian Mathenia in die falsche Ecke schicken – 1:0, Di Santos erstes Bundesligator seit 20 Monaten.

Ito enttäuscht – zu viel Druck?

Ein Schock? Nein. Arp behauptete sich im Strafraum stark gegen Thilo Kehrer und Bastian Oczipka und zog dann aus der Drehung links vorbei (23.). Sechs Minuten später ließ der 17-Jährige im Laufduell am Schalker Strafraumrand Routinier Naldo (35) alt aussehen und kommt zu Fall, doch Robert Hartmanns Pfeife blieb stumm. In der 34. Minute versuchte es dann HSV-Kapitän Gotoku Sakai per Fernschuss – vergebens.

Aber was war eigentlich mit seinem Landsmann Tatsuya Ito, dem anderen HSV-Youngster? Er fiel auf dem rechten Flügel diesmal nur unangenehm auf, handelte sich früh die Gelbe Karte ein – und musste in der 35. Minute seinen Platz an Luca Waldschmidt abtreten. Hatte sich Ito etwa zu viel Druck gemacht, weil U-20-Nationaltrainer Hajime Moriyasu auf der Tribüne saß?

Diekmeier und Hunt vergeben Großchancen

HSV-Retter Waldschmidt jedenfalls hatte kurz nach seiner Einwechslung nach starkem Zuspiel von Jung die Chance zum Ausgleich, aus allerdings arg spitzem Winkel. So ging der HSV mit einem Rückstand in die Pause – nach der es beinahe historisch geworden wäre: Dennis Diekmeier hatte sein erstes Bundesligator auf dem Fuß, hatte aber bei seinem Schuss so wenig Glück wie in den vorangegangenen 192 Spielen (47.). Zehn Minuten später ließ Arp erneut sein Ausnahmekönnen aufblitzen, als er Hunt im Strafraum großartig freispielte, doch der Routinier traf nur den linken Außenpfosten – sehr zum Ärger von Gisdol: "Solche Chancen musst du dann reinmachen."

Es sollte die größte für den HSV in diesem Spiel bleiben. Der Trainer erhöhte zwar nach 68 Minuten das Risiko und brachte Bobby Wood anstelle von Sakai als zweite Spitze. Doch die entscheidende Szene spielte sich kurz darauf im Hamburger Strafraum ab: Schalkes Daniel Caligiuri setzte sich rechts im Strafraum stark durch und legte zurück auf Konopljanka. Der legte am Fünfmeterraum mit Übersicht quer auf Guido Burgstaller, der auf Höhe des linken Pfostens völlig unbedrängt zum 2:0 einschieben konnte (77.).

Gisdol sieht nur einen Unterschied

Gisdol zeigte sich hinterher "sehr enttäuscht über das Ergebnis. Ich habe zwei Mannschaften gesehen, die ähnlich stark waren, sehr diszipliniert und wenig zugelassen haben – mit dem Unterschied, dass die Schalker die Bälle ins Tor geschossen haben und wir nicht." Gegen sein früheres Team 1899 Hoffenheim muss es seine Mannschaft am kommenden Sonntag (15.30 Uhr, Volksparkstadion/Sky, Liveticker auf Abendblatt.de) besser machen.

Tedesco dagegen bescheinigte seiner Mannschaft, stets das Spiel unter Kontrolle gehabt zu haben. "Wir hatten eine permanente Kompaktheit, die wir nie verloren haben." Schalke kann nun am Sonnabend mit viel Optimismus ins 174. Revierderby beim kriselnden BVB gehen.