Hamburg. Während der Länderspielpause waren Kühne, Meier und all die Streitigkeiten im Fokus. HSV will Scheinwerfer nun auf Schalke richten.

Früher war ja bekanntermaßen alles besser. Und Heribert Bruchhagen ist in Sachen „früher“ ein echter Experte. Sage und schreibe 18 Mitarbeiter habe beispielsweise HSV-Gegner FC Schalke 04 (Sonntag, 15.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) vor knapp 30 Jahren gehabt, als der heutige HSV-Vorstandschef dort noch als Manager arbeitete. „Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen“, sagt der 69-Jährige, als er über die guten, alten Zeiten sinniert.

Das, wofür der HSV mittlerweile eine ganze Armada von Mitarbeitern hat, habe seinerzeit Charly Neumann, ein etwas fülliger Gastronom aus Gelsenkirchen, ganz allein erledigt. Vor jedem Heimspiel, erinnert sich Bruchhagen mit leuchtenden Augen, sei eine große Kiste aus Waldfischbach mit 72.000 frisch gedruckten Karten gekommen. Und dann gab es noch diese Pressekonferenzen im sogenannten Führerbunker. „Da kamen dann drei Journalisten“, sagt Bruchhagen und guckt in die zahlreichen Kameras, die im Halbkreis um ihn herum aufgebaut sind. „Manchmal kamen auch vier.“

Peters relativiert Krach im Aufsichtsrat

Nun ja. Gestern ist gestern, heute ist heute, und morgen ist morgen. Und morgen, am Sonntag, spielt der HSV nun mal gegen Schalke 04. Es geht um Fußball und Punkte und nicht mehr um Streitereien und Politik. Das ganze Tamtam um die Besetzung des kommenden HSV-Aufsichtsrats (siehe Text rechts), das hat es laut Bruchhagen doch früher alles schon so gegeben. „Auf Schalke und in Frankfurt habe ich Ähnliches erlebt“, sagt er. „Dabei nehme ich überhaupt keine Unruhe wahr.“ Also alles halb so schlimm, alles in Butter. „Der HSV ist uneingeschränkt handlungsfähig“, beschwichtigt Bruchhagen, als er den Bogen von gestern über heute zu morgen schlägt. Theater? „Wichtig ist auf dem grünen Rasen“, sagt er. Ende der Durchsage.

Es dauert nur ein paar Minuten, ehe Bruchhagens Relativierungen zum offen ausgetragenen Streit im Aufsichtsrat auch von höchster Stelle aus dem Kon­trollgremium bestätigt werden. „Es ist bekannt, dass Vereinspräsidium und Herr Kühne nach zwischenzeitlichen Differenzen gute Gespräche aufgenommen haben. Vor diesem Hintergrund hat sich der Vorstand dafür ausgesprochen, die Hauptversammlung unmittelbar nach Finalisierung dieser noch andauernden Gespräche einzuberufen und im ersten Quartal 2018 abzuhalten. Dem hat sich der Aufsichtsrat angeschlossen“, lässt Aufsichtsratschef Andreas Peters mitteilen und bietet darüber hinaus noch eine persönliche Bewertung des Ganzen: Der Vorgang sei „eine vernünftige und von Konsens getragene Entscheidung. Darin mehr hineininterpretieren zu wollen erscheint mir alles andere als sachgerecht.“ Ende der Durchsage, Teil zwei.

Auch Meier meldete sich zu Wort

Und bevor man dann tatsächlich zum Fußball kommen kann, meldet sich auch noch der in den vergangenen Tagen viel kritisierte HSV-Präsident Jens Meier zu Wort. „Die Berichterstattung macht den Eindruck, dass ich mich den ganzen Tag nur mit dem HSV beschäftige“, sagt er im Hafen-Klub bei der Pressekonferenz zur Traumschiffjahresbilanz 2017. „Ich habe mich in den letzten Tagen aber sehr wenig mit dem HSV beschäftigt, weil ich in Sachen Hafen unterwegs war, und das wird auch weiterhin so bleiben.“ Ende der Durchsage, Teil drei.

Sehr viel mehr mit dem HSV beschäftigt hat sich schon von Berufs wegen Markus Gisdol. Der Coach durfte sich über eine ungewöhnliche Länderspielpause freuen. Denn während rund um den HSV beinahe täglich ein neues Fass aufgemacht wurde, konnten sich Gisdol und seine Mannschaft nahezu ungestört auf das Spiel am Sonntag auf Schalke vorbereiten. „Ich habe die ganzen Geschehnisse nur vom Rand aus verfolgt“, sagt Gisdol am Freitag. „Es hat mich nicht bewegt – auch wenn man als Trainer natürlich wissen will, was im Verein so los ist. Aber am wichtigsten ist, dass wir in Ruhe trainieren können. Und das konnten wir.“ Am Donnerstag und am Freitag konnten Gisdol und seine Mannschaft sogar ganz in Ruhe trainieren. Im Stadion. Geheim. Ganz ohne Zuschauer.

Jetzt geht es vor allem um Punkte

Ähnliche Bedingungen hätte sich möglicherweise auch der Aufsichtsrat gewünscht, dessen interner Zwist nur kurze Zeit später die Runde machte. Doch im Gegensatz zur Sitzung der Kontrolleure blieb das Geheimtraining der Mannschaft, nun ja, geheim. Somit dürfen sich Fans bis zum Spiel am Sonntag durchaus noch ein wenig die Köpfe heißreden. Fiete Arp oder Bobby Wood? Darf Tatsuya Ito wieder von Beginn an ran? Und was wird eigentlich aus Edeljoker Lewis Holtby?

Gisdol gefällt es am Freitag sichtlich, zu allem und jedem etwas zu sagen, ohne dabei wirklich etwas zu sagen. Der Fiete mache das schon gut, solle sich aber nicht belabern lassen, sagt Gisdol. Und auch dessen Konkurrent Wood komme so langsam wieder in Form: „Bobby hat in dieser Woche gut trainiert. Er ist wieder dran.“ Und Ito? „Kann die Mannschaft mit seiner jugendlichen Leichtigkeit beleben.“ Fehlt nur Neu-Schnurrbartträger Holtby: „Lewis verhält sich tadellos.“ Er sei ein guter Bursche, der schon bald wieder im Kader stehen könne. Oder auch nicht.

Vier Wochen sind es nur noch bis zur Winterpause. Und in diesen vier Wochen gehe es vor allem darum, zu punkten. Denn in der Zukunft solle doch alles besser werden, hofft Gisdol. Ende der Durchsage.