Hamburg. Ganz Hamburg diskutiert über eine Zukunft des HSV mit oder ohne den Geldgeber. Das Abendblatt hat nachgefragt.

Jens Meier ist wieder da. ­Anders als zunächst angenommen kam der HSV-Präsident bereits am frühen Donnerstag von seiner Geschäftsreise aus Los Angeles zurück – und musste schnell feststellen, dass die Großwetterlage in Hamburg eine andere als in Kalifornien ist. So hat der öffentlich ausgetragene Streit zwischen HSV-Investor Klaus-Michael Kühne und Hafenchef Meier über die Besetzung des künftigen HSV-Aufsichtsrats (das Abendblatt berichtete) mittlerweile sogar die Hamburger Wirtschaft und Politik auf den Plan gerufen. „Ich bin mit Jens Meier im Gespräch. Er weiß, dass die Herausforderungen im Hafen seine ganze Konzen­tration und Kraft benötigen“, stellte beispielsweise Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch bei NDR 90,3 unmissverständlich klar. Und weiter: „Diese Aufgaben müssen Priorität vor anderen Aktivitäten haben.“

Der Hintergrund: Weil Kühne auch in vielen anderen Bereichen der Stadt eine wichtige Rolle innehat (Kühne und Nagel, Kühne Logistics University, Hapag-Lloyd, Hotel The Fontenay, Harbour Front Literaturfestival), werden die andauernden HSV-Streitigkeiten nicht nur innerhalb des Clubs mit Sorge verfolgt. Bis zum kommenden Freitag muss Meier seinen Aufsichtsratsvorschlag einreichen, eine Entscheidung soll aber schon Anfang kommender Woche kommuniziert werden.

Vorab stellte das Abendblatt drei entscheidende Fragen an Persönlichkeiten der Stadt und des HSV:

1. Soll der HSV die Zusammenarbeit mit Herrn Kühne trotz dessen Beschwichtigung beenden?

2. Soll ein Investor mitbestimmen können, wie der Aufsichtsrat personell zusammengestellt ist?

3. Gäbe es nur zwei Möglichkeiten, welche würden Sie wählen: ein HSV mit Kühne – und mit allen Nebengeräuschen? Oder ein HSV ohne Kühne – und mit der Gefahr des Abstiegs?

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Michael Stich (49, Wimbledonsieger 1991 und Direktor des Tennisturniers am Rothenbaum, HSV-Mitglied):

1. Der HSV hat Herrn Kühne ins Boot geholt, und es wäre wirtschaftlich und partnerschaftlich falsch, sich nun von ihm zu trennen

2. Selbstverständlich sollte ein Investor einen Vertrauensmann im Aufsichtsrat haben. Den gesamten Rat in seiner Zusammensetzung zu bestimmen ist natürlich nicht sein Recht, aber so habe ich Herrn Kühne auch nicht verstanden. Grundsätzlich sollte man solche Dinge nie als Druckmittel nutzen.

3. Die Gefahr eines Abstiegs, das haben die vergangenen Jahre gelehrt, besteht ja auch, wenn Herr Kühne sich engagiert. Aber mit seinem Investment gibt er dem Verein die Chance, Grund­lagen zu schaffen, um sich besser zu entwickeln. Und da ihm niemand seine Anteile zu dem von ihm bezahlten Preis abkauft, ist die Frage sowieso hypothetisch.

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Tim-Oliver Horn (39, HSV-Supporters-Chef):

1. Unabhängig von Kühne muss der HSV über kurz oder lang unabhängig von Investoren agieren können. Wenn regelmäßig Druck über externe Medien aufgebaut wird, ist das zudem sehr kontraproduktiv und ein Zustand, von dem sich der HSV emanzipieren sollte.

2. Nein, dieses Mitbestimmungsrecht sollte bei den Mitgliedern liegen. Vor drei Jahren haben die Mitglieder beschlossen, dass dieses Vorgehen beim Präsidium und Beirat liegt, das sollte man jetzt respektieren.

3. Ganz klar Nummer zwei, zumal wir auch mit Kühne ständig in Abstiegsgefahr schwebten.

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Oliver Kreuzer (51, KSC-Sportchef, Manager beim HSV von 2013 bis 2014):

1. Definitiv Ja. Ich habe mit dem HSV und 1860 das volle Programm erlebt. Nichts gegen Investoren im Fußball, aber was die Herren in diesen beiden Clubs veranstalten, geht nicht.

2. Dass ein Investor einen Vertrauten im Aufsichtsrat haben möchte, ist verständlich und legitim. Aber auch hier gilt: Eine demokratische Wahl im Sinne des Vereins sollte es sein – und nicht ausschließlich nach dem Gusto des Investors.

3. Ganz klar der Weg ohne Kühne. Der Verein besitzt mit den aktuell operativ handelnden Personen genügend Qualität. Die wissen, was zu tun ist, um den HSV in der Bundesliga zu halten.

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Christian „Büdi“ Blunck (49, Hockey-Olympiasieger von 1992, HSV-Mitglied):

1. Der HSV soll die Beziehung zu Herrn Kühne weiterführen, weil ich überzeugt davon bin, dass er nur Gutes für den Verein möchte.

2. Das ist mir eigentlich ziemlich egal. Nachvollziehbar ist, dass ein Investor Einfluss im Aufsichtsrat wünscht. Ihn komplett zu bestimmen ist aber sicherlich zu viel des Guten.

3. Ich würde grundsätzlich die Option wählen, die den Abstieg verhindert. Dennoch muss es das Ziel sein, dass sich der HSV mittelfristig unabhängig von einzelnen Investoren macht. Aber noch ist Kühnes Hilfe von zu großer Bedeutung.

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Jürgen Hunke (74, ehemaliger HSV-Präsident und HSV-Aufsichtsrat):

1. Nein! Man muss ein hartes und offenes Gespräch mit Herrn Kühne führen, dass er uns von der Rückzahlung der Darlehen und Zuschüsse befreit und uns wieder in eine freie Situation des Handelns zurückführt.

2. Natürlich nicht, sondern so, wie es auch in anderen Unternehmen und Clubs gang und gäbe ist, kann er bei einem entsprechenden prozentualen Anteil einen Ratssitz beanspruchen.

3. Keine von beiden. Sondern ein hartes und offenes Krisengespräch mit der Forderung, dass Herr Kühne auf all seine Forderungen verzichtet.

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Hamed Attarbashi (41, Cheftrainer der Hamburg Towers):

1. Auf keinen Fall. Der HSV braucht Herrn Kühne. Deswegen wäre es für alle Seiten das Beste, wenn man bald wieder auf einen gemeinsamen Nenner kommt.

2. Auch ein Investor muss sich natürlich an die Regeln halten. Und wenn diese schon vor dem Investment bekannten Regeln es nicht hergeben, dass man sich den Aufsichtsrat selbst zusammenstellen kann, dann muss man das auch akzeptieren.

3. Leider gibt es ja auch noch eine dritte Möglichkeit: Kühne bleibt, der HSV steigt aber trotzdem ab. Als HSV-Fan will ich das natürlich nicht hoffen. Ich drücke also fest die Daumen: für eine Lösung mit Herrn Kühne – und für den Klassenerhalt.

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Andreas Dressel (42, SPD-Fraktionschef):

1. Ich würde mir schon wünschen, dass sich die Akteure im Interesse aller HSV-Fans wieder ein Stück zusammenraufen.

2. Dafür gibt es rechtliche Rahmenbedingungen und entsprechende Regelungen in den Satzungen von DFB und DFL.

3. So oder so – eine Bundesliga ohne den HSV möchte ich mir nicht vorstellen.

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Joachim Lux (59, Thalia-Intendant):

1–3: Grundsätzlich ist es – auch jenseits der speziellen Personalie Kühne – verständlich, dass Sponsoren, oder wie in diesem Fall Investoren, sich darum sorgen, ob ihr Geld sinnvoll investiert wird. Das liegt in der Natur der Sache. Das Problem in diesem Fall ist, dass der Konflikt zwischen Investor und Firma nahezu grundsätzlich öffentlich ausgetragen wird. Das ist sehr ungewöhnlich und außerordentlich schädlich für beide Seiten.

Damit sollte endgültig Schluss sein. Konflikte bereinigt man hinter den Kulissen. Der Schritt an die Öffentlichkeit ist nur die Ultima Ratio. Falls man sich aber nicht einigen kann, muss man, wie überall im Leben sonst auch, damit rechnen, dass sich eine der beiden Seiten zurückzieht. Schön wäre eine Einigung zum Wohl des HSV. Und noch besser wäre, wenn sie einfach stattfindet, ohne Begleitmusik.

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Peter F. Raddatz (64, kaufmännischer Direktor des Schauspielhauses):

1. Nein, er müsste ihm nur endlich mal klarmachen, wer Koch und wer Kellner ist!

2. Nein, aber der HSV sollte auf seinen Rat hören und endlich kompetente Aufsichtsräte benennen!

3. Niemals Zweite Liga, niemals, niemals!

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André Trepoll (40, CDU-Bürgerschaftsfraktionschef):

1. Das ist eine Entscheidung, die nur der Verein selbst fällen kann. Letztendlich ist es wie in der Politik auch immer am besten, wenn man miteinander statt übereinander redet und gemeinsam an einer Lösung arbeitet.

2. Es gibt dazu klare Regeln. Diese müssen eingehalten werden. Ins operative Geschäft darf sich ein Aufsichtsratsmitglied nicht einmischen.

3. Hier gibt es kein Entweder-oder, sondern ich erwarte von allen Beteiligten, dass sie für den Verein an einem Strang ziehen. Ein langfristiger, strategischer Partner ist im heutigen Fußballgeschäft unabdingbar, um auch Erfolg zu haben. Ich möchte, dass der HSV zukünftig mal wieder Schlagzeilen macht, weil er um die Deutsche Meisterschaft mitspielt.

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Lars Jessen (48, Regisseur und Bayern-Fan):

1. Das Auftreten von Herrn Kühne ist von so viel erratischem Machtgehabe geprägt, dass der HSV schon aus Selbstrespekt die Zusammenarbeit beenden sollte.

2. Ich hatte Investoren immer als Leute verstanden, die Geld investieren, weil sie an eine Idee glauben, nicht, weil sie eine Idee entwickeln wollen ...

3. Ein Abstieg wäre bitter, aber vielleicht auch mal heilsam. Auf die Gefahr hin, dass das abgedroschen klingt.