Hamburg. Früherer HSV-Coach spricht am Rande eines Auftritts als “Co-Co-Co-Trainer“ über vergangene und kommende Zeiten bei seiner alten Liebe.

Bruno Labbadia beugt sich nach vorne, schiebt die Vorderzähne übereinander, kneift die Augen zusammen. „Zurück“, ruft der 51-Jährige, und etwas lauter: „Hinter den Ball“. Doch die Rufe bleiben ungehört, der Ball landet im Tor. Labbadia greift sich mit der Hand an die Nase und schüttelt den Kopf. 0:3. Es droht eine echte Packung. Allerdings dauert es nicht mal zwei Sekunden, ehe der Fußballlehrer sein Kämpferherz wiederfindet: „Kopf hoch, Männer“, ruft er. „Weiter geht’s.“

Sonntagvormittag, 10.45 Uhr. Die Victoria/Nestwerk Allstars empfangen am Lokstedter Steindamm die siebte Herrenmannschaft des FC St. Pauli. Kreisklasse B, die unterste Liga Hamburgs. Und Labbadia ist ehrenamtlicher Trainer der Allstars (siehe rechts), oder besser: „Ich bin so etwas wie der Co-Co-Co-Trainer“, sagt Labbadia und lacht. „Die Geschichte ist ein tolles Projekt. Die Jungs brauchten nur einen Esel, der sich vor den Karren spannen lässt“, sagt Labbadia. „Und ich bin dieser Esel.“

Am Ende des Vormittags gewinnt St. Pauli 7 5:0, für die zusammengewürfelten Allstars ist es nach fünf Siegen in Folge die erste Niederlage der Saison. „Vielleicht ist das gar nicht schlecht“, sagt Esel Labbadia. „Man muss lernen, mit Niederlagen umzugehen.“

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    Es ist nicht mal ein Jahr her, als Labbadia selbst eine ziemlich krachende Niederlage verkraften musste: seine zweite Entlassung als HSV-Trainer. „Als Trainer muss man irgendwann lernen, die Dinge nicht persönlich zu nehmen“, sagt Labbadia, und wischt sich am Rand des aufgeheizten Kunstrasenplatzes den Schweiß von der Stirn. „Natürlich hat mich das getroffen. Aber ich war über die Entlassung keinesfalls überrascht. Ab der Sommervorbereitung vor einem Jahr war ja klar, was passieren würde ...“

    Mit dem Wissen von gestern kann man die Dinge heute so sehen. Und doch hatten seinerzeit nur wenige geahnt, wie sehr der Vulkan HSV damals zum Saisonstart brodelte – und schließlich ab dem dritten Spieltag ausbrach. Der Gegner damals wie heute: RB Leipzig. „Es ist schon kurios, dass die Leipziger sowohl in dieser Saison als auch in der vergangenen Spielzeit jeweils am dritten Spieltag auf den HSV treffen“, sagt Labbadia, der einräumt: „Die Voraussetzungen damals und heute könnten unterschiedlicher kaum sein.“

    Kritik an Todts Urlaub wird lauter

    Labbadia hat recht und unrecht zugleich: Heute ist der HSV nach zwei Siegen in Folge Tabellendritter und freut sich auf das Topspiel am Freitagabend im Volkspark. Einerseits.

    Andererseits wird nach der enttäuschend verlaufenen Transferperiode die Kritik an Sportchef Jens Todt plötzlich laut. Unlängst musste sich der Manager sogar bei Sky die Frage gefallen lassen, warum er denn mitten in der Transferphase in den Urlaub fahren würde. Hinter vorgehaltener Hand wird getuschelt, dass Todt fast zwei Wochen im August in Südfrankreich war. Und nach Abendblatt-Informationen war der HSV-Sportchef tatsächlich zweimal drei Tage lang in der Transferphase weg, hat vom Familien-Urlaubsdomizil aber gearbeitet und mit Beratern gesprochen.

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      Labbadia kennt das Gerede

      Labbadia kennt das Gerede hinter vorgehaltenen Händen. So war es vor einem Jahr auch bei ihm. Damals hatte der HSV nur einen Punkt auf dem Konto, ehe das 0:4 gegen Leipzig einen echten Tornado in Gang setzte. Nachdem Dietmar Beiersdorfer zunächst jegliche Rückendeckung für seinen angeschlagenen Trainer verweigerte, befeuerte der damalige Clubchef am Tag nach der Pleite sogar die Stimmung.

      „In Freiburg müssen wir über die Grenzen gehen, über die wir bislang nicht gegangen sind“, sagte Beiersdorfer, der von Tag zu Tag deutlicher wurde. „Ich muss ihm nicht jeden Tag Rückendeckung geben. Aber momentan liefern wir nicht“, sagte Beiersdorfer am Mittwoch, nachdem der HSV 0:1 in Freiburg verloren hatte. Vier Tage und ein unglückliches 0:1 gegen Bayern später war Labbadia entlassen.

      „Die Entlassung in Stuttgart hat mich sehr beschäftigt, die Entlassung in Hamburg habe ich kommen gesehen“, sagt Labbadia, der mitten im Gespräch Allstars-Trainer Phil Nabaoui aufmunternd den Kopf tätschelt. „Ich habe es damals relativ schnell geschafft, den Schalter umzulegen“, sagt der gebürtige Hesse, der das vergangene Jahr als Fußball-Bildungsjahr nutzte.

      Labbadia weilte länger in Leipzig

      „Ich war viel unterwegs“, sagt Labbadia, der beispielsweise von einem langen Besuch in Leipzig berichtet. Dort habe er sich das Nachwuchsleistungszentrum in Ruhe anschauen wollen und ausführlich mit Sportdirektor Ralf Rangnick palavert. „Selbstverständlich haben die Leipziger viel Geld zur Verfügung“, sagt Labbadia. „Aber dieses Geld muss man auch erst einmal intelligent einsetzen.“ Und niemand könne das besser als Rangnick und die Leipziger.

      Das erneute Aufeinandertreffen zwischen dem HSV und Leipzig sieht Labbadia dennoch gelassen entgegen. „Nach den zwei Auftaktsiegen können die Hamburger kompakt stehen und RB ein bisschen kommen lassen“, sagt der Trainer, der seit seiner Entlassung aber nie wieder im Volksparkstadion war.

      Der Fußballvormittag im Victoria-Stadion geht dem Ende entgegen. „Hat trotzdem Spaß gemacht“, sagt Labbadia nach dem 0:5. Und eine Trainerdiskussion, da kann sich der Coach sicher sein, ist trotz der Pleite nicht zu erwarten.