Hamburg. Vor dem Auftakt gegen Augsburg buhlt der HSV um einen Spieler der Bayern. Nicht zum ersten Mal. Die Geschichte einer Fehlerkette.

Er galt als Versprechen in eine bessere Zukunft. Jung, ehrgeizig, aufstrebend. Matthias Ostrzolek träumte sogar von der deutschen Nationalelf, als er vor drei Jahren nach Hamburg kam. Nach einer wochenlangen Hängepartie hatten sich der neue HSV-Clubchef Dietmar Beiersdorfer und Augsburgs Manager Stefan Reuter auf einen Transfer und eine Ablösesumme von 2,4 Millionen Euro geeinigt. Der HSV spielte zuvor die schlechteste Saison der Bundesligageschichte und überlebte die Relegation in Fürth nur taumelnd. Nach der Ausgliederung sollten es Spieler wie Ostrzolek sein, die den HSV auf einen neuen, erfolgreicheren Weg führen.

Fast auf den Tag genau drei Jahre ist dieser Transfer nun her. Dass beim HSV vor dem Auftakt in die 55. Bundesligaspielzeit am Sonnabend (15.30 Uhr) gegen den FC Augsburg in diesen drei Jahren sehr viel schief gelaufen ist und beim Gegner aus Bayern sehr viel richtig, lässt sich beispielhaft erzählen an dem Ostrzolek-Deal, seinen Folgen und den Fehleinschätzungen des HSV.

Heute, im August 2017, wollen die Hamburger erneut einen Linksverteidiger aus Augsburg verpflichten. Konstantinos Stafylidis heißt die Wunschlösung von Sportchef Jens Todt für die noch offene Planstelle links hinten. Es ist eine teure Wunschlösung. Augsburg ist zwar bereit, den griechischen Nationalspieler abzugeben, erhofft sich allerdings eine zweistellige Millionensumme als Ablöse. Ein Preis, den sich der HSV nicht leisten kann. Eigentlich. Denn es gibt da ja noch Investor Klaus-Michael Kühne, der den Hamburgern ein erneutes Darlehen geben könnte. Augsburg weiß das. Und wird allein deswegen schon auf der Ablösesumme beharren.

20 Millionen Verlust durch Rochade?

„Wenn es die Gelegenheit der wirtschaftlichen Machbarkeit gibt, dann werden wir es versuchen. Aber wir müssen es nicht tun“, sagt Sportchef Jens Todt. Sollte der Transfer zustande kommen und der HSV mit Kühnes Hilfe zehn Millionen Euro für Stafylidis bezahlen, hätten die Hamburger mit ihrer Linksverteidigerrochade innerhalb von drei Jahren rund 20 Millionen Euro Verlust gemacht. Augsburg kommt in diesem Zeitraum auf die selbe Summe – allerdings hätte der FC rund 20 Millionen Euro Gewinn gemacht.

HSV-Sportchef Todt am Tag nach der Pokal-Blamage

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    Rückblick. Als der HSV im Mai 2014 in Fürth um ein Haar in die Zweite Liga abgestiegen wäre, spielte bei den Franken ein gewisser Abdul Rahman Baba als Linksverteidiger. Dem HSV fiel der Ghanaer offenbar nicht auf. Stattdessen kauften die Hamburger Ostrzolek aus Augsburg. Die Bayern wiederum investierten das Geld in den Fürther Baba. Das Ergebnis: Augsburg wurde mit Baba sensationell Fünfter und zog in die Europa League ein, der HSV musste mit Ostrzolek erneut in die Relegation.

    Das Spielchen setzte sich fort. Augsburg verkaufte Baba nach nur einer Saison für die Rekordsumme von 20 Millionen Euro an den FC Chelsea. Als Ersatz holte Augsburg den Karlsruher Philipp Max. Der damalige KSC-Sportchef Jens Todt musste den Linksverteidiger für 3,8 Millionen Euro ziehen lassen, nachdem Max in der Relegation gegen den HSV überzeugt hatte.

    Das Problem zwischen Santos und Gisdol

    Die Hamburger dagegen verzichteten trotz des Karriereendes von Marcell Jansen auf den Kauf eines weiteren Linksverteidigers. Erst ein Jahr später besserte Beiersdorfer nach und holte als Konkurrenz für Ostrzolek den Brasilianer Douglas Santos – für 7,5 Millionen Euro. Auch Augsburg sicherte sich als Alternative für Max einen weiteren Linksverteidiger. Stafylidis kam aus Leverkusen – für 2,5 Millionen Euro.

    Seinen Marktwert hat der Grieche in eineinhalb Jahren verdoppelt. Die Ablöse könnte sich dagegen vervierfachen, wenn der HSV jetzt zuschlägt. Und das, obwohl der 23-Jährige in Augsburg nur noch zweite Wahl ist. Trainer Manuel Baum setzt vor dem Spiel beim HSV auf Philipp Max. Der ebenfalls 23-Jährige spielte im vergangenen Sommer in der deutschen Olympia-Auswahl. Im Finale von Rio begegnete er dem ebenfalls 23-jährigen Douglas Santos, der für Brasilien hinten links verteidigte und nach dem Olympiasieg zum HSV ging.

    Douglas Santos im Olympia-Finale im Duell mit Deutschlands Julian Brandt
    Douglas Santos im Olympia-Finale im Duell mit Deutschlands Julian Brandt © Imago/GEPA Pictures

    An dieser Stelle sollte die Geschichte um die Hamburger Linksverteidiger endlich in die richtige Richtung laufen. Ostrzolek ist nach seinem Vertragsende nach Hannover gewechselt und der HSV könnte mit Santos in die Zukunft gehen. Doch selbst ein brasilianischer Olympiasieger hat es in Hamburg schwer. Das Vertrauen von HSV-Trainer Markus Gisdol in Santos ist gering, das Vertrauen von Santos in Gisdol allerdings auch.

    Am Sonnabend wird Gisdol aber kaum an Santos vorbei kommen, während Stafylidis noch bei Gegner Augsburg unter Vertrag steht. HSV-Chef Heribert Bruchhagen ist sich in jedem Fall sicher, dass seinem Club ein schweres Spiel und eine schwere Saison bevorsteht. „Wir sind im TV-Ranking 16. Das ist desaströs. Der FC Augsburg etwa bekommt zehn Millionen Euro mehr an TV-Geld als wir“, sagt Bruchhagen. Eine Situation, die nicht nur, aber viel damit zu tun hat, dass der HSV bei der Auswahl seiner Linksverteidiger zu selten richtig lag. Und Augsburg ziemlich oft.

    HSV-Trainer Markus Gisdol nach dem Pokal-Aus in Osnabruck

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