Längenfeld. HSV-Trainer Gisdol setzt auf Teamgeist. Der Abbruch des Pokers mit Topscorer Müller sorgt für Unmut – nicht die einzige Spaßbremse.

Die reißende Strömung der Ötztaler Ache flößte Markus Gisdol gehörig Respekt ein. „Der Guide sagt, das ist ein idealer Wasserstand. Ich weiß ja nicht, ob der so ideal ist“, sagte der HSV-Trainer am Sonntagnachmittag halb im Spaß, halb im Ernst. Wenige Minuten später sollte Gisdol gemeinsam mit seinem Trainerteam in einem Schlauchboot durch den Wildwasserfluss fahren. Vor ihm waren bereits seine Spieler in vier Gruppen in die Boote gestiegen und auf die rund 90-minütige Tour gestartet.

HSV beim Rafting: Die Stimmung fährt mit

Rafting nennt sich das Vergnügen. Fußballmannschaften kennen das gut. Immer wieder setzen Trainer in der Saisonvorbereitung auf Aktionen dieser Art. Sie sollen das Gemeinschaftsgefühl im Team stärken. Der HSV nutzte das sonnige Wetter am Sonntag für den Ausflug, ehe heute am vorletzten Tag des Trainingslagers in Österreich noch das Testspiel gegen den türkischen Erstligisten Antalyaspor ansteht (18 Uhr in Schwaz, live auf tv.hsv.de).

Trainer Gisdol über das Trainingslager

HSV: Markus Gisdol zum Trainingslager

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    Gisdol ist eigentlich kein Fan von teambildenden Maßnahmen, die einer Mannschaft aufgezwungen werden. Doch der Trainer wollte etwas tun, um einem möglichen Stimmungsabfall im Team entgegenzusteuern. Schließlich hatte es am Wochenende atmosphärische Störungen gegeben, die sich auch auf das Innenleben der Mannschaft auswirken könnten. Die abgebrochenen Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung von Nicolai Müller machten in Längenfeld die Runde. „Nicolai hat uns mitgeteilt, dass er das Angebot einer vorzeitigen Vertragsverlängerung ablehnt“, sagte Sportchef Jens Todt am Sonnabend. „Wir bedauern das sehr.“

    Einen Tag zuvor hatte Todt sich noch optimistisch geäußert, nachdem er am Donnerstag im HSV-Quartier Aqua Dome mit Müllers Berater Björn Bezemer über eine vorzeitige Verlängerung des 2018 auslaufenden Vertrags verhandelt hatte. „Beide Seiten wünschen sich eine Klärung bis zum Saisonstart“, sagte Todt. Zu diesem Zeitpunkt war noch mit einer Einigung zu rechnen. Der HSV hatte schon zum Start der Vorbereitung vor drei Wochen eine Offerte des VfL Wolfsburg abgelehnt und einen Wechsel des Offensivspielers in diesem Sommer ausgeschlossen.

    Gehaltssprung von zwei auf drei Millionen?

    Stattdessen will der HSV den Kontrakt mit dem Topscorer der vergangenen beiden Jahre zu verbesserten Konditionen verlängern. Bislang soll der 29-Jährige in Hamburg etwas mehr als zwei Millionen Euro brutto pro Jahr verdient haben. Künftig könnten es etwas weniger als drei Millionen Euro sein. Doch die Müller-Partei lehnte jetzt ab. „Wir sind mit dem Angebot auch nach einigen Gesprächen nicht zufrieden. Offenbar liegen wir in Sachen Wertschätzung und Wichtigkeit für den HSV so weit auseinander, dass ich im Moment keine Basis für eine Einigung sehe“, sagte Müllers Berater Björn Bezemer der „Bild“-Zeitung.

    HSV-Trainingslager: Zwischenbilanz

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    Der Agent setzt den HSV damit unter Druck. Müller würde auch bei einer Gehaltserhöhung nicht zur Gruppe der Topverdiener um Lewis Holtby und Pierre-Michel Lasogga gehören, die beide rund 3,5 Millionen Euro pro Jahr kassieren. „Nicolai hat mehrere Angebote. Die zeigen, dass wir mit unserer Einschätzung nicht falsch liegen“, sagt Berater Bezemer. HSV-Manager Todt sieht das anders. „Wir haben ihm aus unserer Sicht ein sehr gutes Angebot gemacht. Die Gespräche sind für uns damit auch vorläufig beendet“, sagte Todt. Der Zusatz „vorläufig“ zeigt allerdings, dass der Poker noch nicht abgeschlossen ist.

    HSV verweigert Müller Transfer

    Der HSV will sich nicht erpressen lassen und versucht, eine klare Position einzunehmen. „Es wird in diesem Sommer keinen Wechsel geben“, sagte Todt und riskiert damit, dass der Frust bei Müller wächst. Dass der Spieler Ärger machen könnte, glaubt Todt nicht. „Natürlich ist er auch enttäuscht, dass es nicht geklappt hat. Aber er ist Profi genug und ein guter Typ. Die Grundstimmung in der Mannschaft ist ja wahnsinnig positiv, von daher glaube ich nicht, dass er in ein Loch fallen wird.“

    Von einer positiven Grundstimmung ist in Längenfeld aber nur in Teilen etwas zu spüren. Insbesondere in der Gruppe um Müllers Kumpel Holtby, Lasogga und Aaron Hunt, die beim Rafting am Sonntag gemeinsam in einem Schlauchboot saßen, gibt es Spannungen angesichts der ungewissen sportlichen Zukunft. Immer wieder wurden die drei Topverdiener im Zusammenhang möglicher Abgänge genannt, sollte es Angebote für sie geben. Im Training ist von Frust oder schlechter Laune bei den Spielern zwar nichts zu sehen – im Gegenteil. Doch sowohl Müller als auch Lasogga, Hunt und Holtby verweigern derzeit jegliche Interviewanfragen.

    Weil auch Trainer Gisdol angesichts der noch immer fehlenden zwei Verteidiger weiterhin nicht gänzlich zufrieden ist mit der Situation im Kader, muss der HSV aufpassen, dass die Stimmung im Team nicht kippt. Laut "Hamburger Morgenpost" denkt nun auch Linksverteidiger Douglas Santos über einen Wechsel nach. Sein Berater will das Gespräch mit Todt suchen. Ruhe bringt das alles nicht.

    HSV: Jahrelang überzogene Gehälter gezahlt

    Die sportliche Wertschätzung für Müller ist in Hamburg unverändert groß. „Die Tür steht für Nicolai weiterhin offen“, sagte Todt. Der Sportchef muss allerdings die Sparvorgaben des Aufsichtsrats und des Vorstands berücksichtigen. Müllers Berater stößt offenbar auf, dass der Club dabei nach unterschiedlichen Maßstäben handelt. Während Bobby Wood und Kyriakos Pa-padopoulos durch ihre neuen Verträge jeweils rund drei Millionen Euro pro Jahr verdienen sollen, läge Müller auch bei einem neuen Vertrag unter dieser Marke. Den HSV holt jetzt ein, dass er in den vergangenen Jahren völlig überzogene Gehälter gezahlt hat. Das zeigt sich auch daran, dass jetzt ist kein Verein bereit ist, für Spieler wie Lasogga oder Holtby ein ähnliche hohes Gehalt zu zahlen, wie der HSV.

    Müller dagegen könnte bei einem Wechsel nach Wolfsburg mehr Geld verdienen als in Hamburg. Nach Abendblatt-Informationen hat Olaf Rebbe, Sportdirektor der Niedersachsen, sein Ziel noch nicht aufgegeben, Müller zum VfL zu locken. Wolfsburg soll bereit sein, eine Ablösesumme von rund sechs Millionen Euro zu zahlen. Die Aussage von Jens Todt („Ein Wechsel ist ausgeschlossen“) ist unmissverständlich, am Ende wird die Entscheidung aber vor allem eines: eine Frage der Stimmung.