Hamburg. Bruchhagen übernimmt Verhandlungen bei Papadopoulos, Todt frohlockt bei Pollersbeck. Trainingsauftakt ohne Innenverteidiger?
Um 20.45 Uhr darf Julian Pollersbeck wieder fliegen. Der deutsche U-21-Nationaltorhüter steht im EM-Spiel in Krakau gegen Dänemark erneut im Tor der DFB-Auswahl. Doch bereits vor dem Anpfiff ist der Fokus auf den Keeper des 1. FC Kaiserslautern gerichtet. Pollersbeck soll künftig für den HSV fliegen – die beiden Clubs haben sich nach wochenlangem Poker auf einen Wechsel verständigt. „Wir sind in den Verhandlungen sehr weit“, sagte HSV-Sportchef Jens Todt am Dienstag dem Abendblatt. 3,5 Millionen Euro soll der HSV für den 22-Jährigen bezahlen – plus spätere Bonuszahlungen. Pollersbeck wäre damit Neuzugang Nummer eins der Hamburger.
Neuzugang Nummer zwei könnte ein alter Bekannter sein. Denn auch in den Poker um Kyriakos Papadopoulos ist Bewegung gekommen. Der HSV und Bayer Leverkusen haben sich in den Ablösevorstellungen angenähert. „Wir sind auf einem guten Weg“, sagte Todt. Bislang hatte Bayer zehn Millionen Euro für den bis 2020 an Bayer gebundenen Griechen verlangt. Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler hat nun signalisiert, die Summe zu senken. Das Geld würde Investor Klaus-Michael Kühne dem HSV zur Verfügung stellen. „Er ist einer der markanten Spieler, die ich mir wünsche“, hatte Kühne kürzlich gesagt.
Papadopoulos ist verletzungsanfällig
Für den HSV ist die bevorstehende Verpflichtung von Papadopoulos mit einem hohen Risiko verbunden. Die Hamburger wissen um die Verletzungsanfälligkeit des 25-Jährigen, die Ablöse soll deshalb laut „Bild“ gestaffelt und an Einsätze geknüpft werden. Trainer Markus Gisdol will das Risiko aber unbedingt eingehen.
Sein Credo: Ein Papadopoulos, der möglicherweise nur auf 20 Einsätze pro Saison kommt, ist besser als gar kein Papadopoulos. Gisdol will mehr Führungsstärke und Siegermentalität in seinem Team. Beide Eigenschaften bringt Papadopoulos mit. Der Innenverteidiger hatte sich selbst für einen Wechsel zum HSV ausgesprochen. „Ich habe einen guten Kontakt zum Trainer, und ich will mit dem HSV etwas erreichen“, sagte er.
Der Sommerfahrplan des HSV
Für Vorstandschef Heribert Bruchhagen, der die Verhandlungen mit Völler führt, bedeutet ein Transfer von Papadopoulos aber auch ein finanzielles Risiko. Der Clubchef strebt nach wie vor ein gesundes Einnahmen-Ausgaben-Verhältnis an. An seinem Sparkurs will er festhalten. „Die Zielvereinbarung, den Lizenzspieleretat zurückzufahren, besteht weiterhin. Dazu gibt es keine Alternative“, sagte der 68-Jährige der „Sport Bild“. „Sollte sich die Einnahmesituation ändern, passen wir auch den Etat an.“ Weil der HSV seine teuren Spieler bislang aber nicht verkauft bekommt, ist er zunächst gezwungen, ungesunde Ausgaben zu tätigen – mit dem Risiko, dass in diesem Sommer keine Einnahmen mehr dazukommen.
Jahresfehlbetrag in Millionenhöhe
Es ist eine verfahrene Situation, in die sich der Club hineinmanövriert hat. Im laufenden Geschäftsjahr droht der HSV Fußball AG ein neuer Jahresfehlbetrag in Millionenhöhe. Im Winter kalkulierte Finanzvorstand Frank Wettstein im internen Lagebericht bereits mit einem Jahresfehlbetrag von elf Millionen Euro. Der planmäßige Verlauf sah allerdings am Ende der Saison Platz zehn vor. Zudem war der 9,2-Millionen-Transfer des Brasilianers Walace zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgesehen.
Der verpassten Verbesserung in der TV-Geld-Tabelle stehen die nicht kalkulierten Einnahmen durch das Erreichen des DFB-Pokalviertelfinales gegenüber. Doch was fehlt, sind die Einnahmen durch Transfererlöse. Nur RB Leipzig nahm im vergangenen Jahr weniger Geld ein als der HSV, der für die Verkäufe von Kerem Demirbay, Cléber und Zoltan Stieber rund fünf Millionen Euro auf der Habenseite bilanzieren konnte.
Pollersbeck zum Start nicht dabei
Zehn Tage bleiben dem HSV noch Zeit, um die Bilanz zu verbessern. Am 30. Juni schließt das Geschäftsjahr 2016/17. Der 1. FC Köln hat Interesse, den Abgang seines Torjägers Anthony Modeste nach China mit Hamburgs US-Nationalstürmer Bobby Wood zu kompensieren. Dieser hat eine Ausstiegsklausel, sollte ein Interessent zwölf Millionen Euro bieten. Allerdings will der HSV nicht Wood abgeben, sondern andere teure Spieler wie Pierre-Michel Lasogga oder Aaron Hunt. Damit Trainer Gisdol zum Start der Saisonvorbereitung in zwei Wochen mit den ersten Verstärkungen arbeiten kann, muss der Club aber jetzt handeln.
Julian Pollersbeck wird zum Trainingsauftakt allerdings noch nicht in Hamburg sein – auch wenn der Transfer in Kürze vollzogen wird. Die U-21-EM könnte bei einem Finaleinzug der Deutschen noch bis zum 30. Juni dauern. Pollersbeck hätte nach dem Turnier drei Wochen Urlaub – genau wie Gideon Jung, der ebenfalls in Polen dabei ist. Beide Spieler wären erst zum Start des Trainingslagers im österreichischen Bad Leogang am 22. Juli bei der Mannschaft.
Auch die Nationalspieler des HSV werden nicht rechtzeitig zum Trainingsauftakt erscheinen. Wood, Albin Ekdal, Gotoku Sakai, Michael Gregoritsch, Filip Kostic und Mergim Mavraj stoßen erst einige Tage später dazu. Stand jetzt stünde der HSV zum ersten Trainingstag ohne Innenverteidiger da. Auch deshalb nimmt der Poker um Papadopoulos jetzt schnellere Fahrt auf.