Hamburg. Bakery Jatta spricht über seine ersten zwölf Monate als HSV-Profi. Der Club plant seine Zukunft mit ihm.

In dieser Woche geht es für Bakery Jatta in den Urlaub. Mit ein paar Freunden fliegt der 19-Jährige in die Türkei. Einfach mal abschalten. Es ist das erste Mal seit einem Jahr, dass der HSV-Profi ein wenig Ruhe findet. Hinter Jatta liegen ereignisreiche Monate. Sein Leben hat sich so stark verändert, dass er noch gar keine Zeit gefunden hat, die Geschehnisse zu verarbeiten.

Vor genau einem Jahr unterschrieb Jatta im Büro des damaligen Vorstandsvorsitzenden Dietmar Beiersdorfer seinen ersten Profivertrag. Im Januar 2016 hatte er Trainer Bruno Labbadia bei einem Probetraining überzeugt. Erst wenige Monate zuvor war er alleine aus dem westafrikanischen Gambia nach Europa geflüchtet. Und plötzlich war er HSV-Profi.

„Für mich ist ein großer Traum in Erfüllung gegangen. Es war ein unglaublich schönes und spannendes Jahr für mich“, sagt Jatta zwölf Monate später zum Abendblatt. In der Biografie des jungen Mannes, der vor seiner Flucht nach Deutschland nie zuvor in einem Fußballclub gespielt hat, stehen heute sechs Bundesligaeinsätze. Jatta stand auf dem Platz, als der HSV am letzten Spieltag durch den 2:1-Sieg gegen den VfL Wolfsburg den Klassenerhalt sicherte.

„Ich bin Dietmar Beiersdorfer und Bruno Labbadia sehr dankbar, dass sie mir die Chance beim HSV gegeben haben. Markus Gisdol bin ich dankbar, dass er mich zum Bundesligaspieler gemacht hat“, sagt Jatta.

Wie der HSV mit Jatta plant

Mitten im Abstiegskampf hatte Labbadia-Nachfolger Gisdol den Gambier das erste Mal eingesetzt. Ausgerechnet im Nordderby in Bremen. In der Stadt, in der Jatta zunächst lebte, nachdem ihn die Akademie Lothar Kannenberg in Bothel entdeckt und gefördert hatte. Der HSV verlor das Derby zwar mit 1:2, doch Jatta überzeugte bei seinem Kurzeinsatz mit einem couragierten Auftritt. Der Lohn: Gisdol setzte im Saisonendspurt immer wieder auf den Flügelstürmer. Jatta enttäuschte nie. „Baka hat eindrucksvoll bewiesen, dass seine Verpflichtung keine PR-Maßnahme war“, sagt sein Berater Efe-Firat Aktas. Der Spieleragent aus Bremen hatte den Kontakt zum HSV hergestellt.

Als Jatta am 13. Juni 2016 beim HSV unterschrieb, gab es Zweifel, ob ein Junge ohne fußballerische Ausbildung auf Anhieb Profi werden kann. Am 3. Juli hatte ihn Labbadia im Testspiel gegen den Schweizer Sechstligisten US Schluein erstmals eingesetzt. Jatta wirkte noch etwas hilflos im taktischen Verhalten, doch wenn er Tempo aufnahm, raunten die 1096 Zuschauer in Graubünden. Ähnlich wie es die 62.271 Zuschauer in der Veltins-Arena von Gelsenkirchen zehn Monate später taten. Am 33. Spieltag ließ Gisdol Jatta im Spiel auf Schalke überraschend erstmals von Beginn an ran. Und sein Schützling übertraf alle Erwartungen.

Der Sommerfahrplan des HSV

6. Juli: Trainingsauftakt

Trainingsauftakt und Beginn der Vorbereitung auf die Bundesligasaison am Volkspark.

9. bis 13. Juli: Trainingslager I

Der Grundstein für die kommende Saison soll in Rotenburg (Wümme) gelegt werden, wo die Mannschaft in der vergangenen Saison schon zweimal ihre Kräfte bündeln konnte. Vom 9. bis zum 13. Juli zog sie ins bewährte „Hotel Landhaus Wachtelhof“. Auf dem Programm stand vor allem Lauf- und Konditionstraining.

12. Juli: Testspiel

Im Stadion In der Ahe siegte der HSV gegen den örtlichen Landesligisten Rotenburger SV mit 8:0.

15. Juli: Testspiel "Gemeinsam für Timo"

In Buchholz (Otto-Koch-Kampfbahn) trat der HSV zu einem Benefizspiel für die Hinterbliebenen des verstorbenen Merchandisingleiters Timo Kraus an. 60 Minuten spielte das Team gegen Oberliga-Vizemeister Buchholz 08 (4:0), weitere 60 Minuten gegen Kreisligist Buchholzer FC (8:1).

18. Juli: Media Day

An diesem Tag stellte sich der Kader und der Betreuerstab für die offiziellen Porträts der neuen Saison auf.

19. Juli: Testspiel

Gegen Zweitliga-Aufsteiger Holstein Kiel setzte es vor 6000 Zuschauern in Neumünster (ausverkauft) eine 3:5 (2:1)-Niederlage. Das Spiel hatte ursprünglich im Städtischen Stadion Nobiskrug Rendsburg stattfinden sollen, wurde aus Sicherheitsgründen aber in die Grümmi-Arena des VfR Neumünster verlegt.

22. Juli bis 1. August: Trainingslager II

Nach einer weiteren Trainingswoche am Volksparkstadion reisen die Rothosen dann ins zweite Trainingslager, das in Längenfeld in Tirol stattfinden wird. Hier will sich der HSV den spielerischen und taktischen Feinschliff holen. Ursprünglich sollte das Trainingslager in Leogang im Salzburger Land stattfinden, es wurde jedoch wegen des schlechten Zustands des Rasens kurzfristig verlegt.

25. Juli: Testspiel

In Imst spielte der HSV 1:1 (0:1) gegen den niederländischen Erstligisten Sparta Rotterdam. Torschütze: Bakery Jatta.

31. Juli: Testspiel

In Leogang heißt der Gegner Antalyaspor aus der türkischen Süperlig. Anstoß ist um 18 Uhr.

6. August: Volksparkfest

Bei der Generalprobe empfängt der HSV zur offiziellen Saisoneröffnung um 15 Uhr im Volksparkstadion den spanischen Erstligisten Espanyol Barcelona.

13. August: DFB-Pokal, 1. Runde

Der HSV muss zum Drittligisten VfL Osnabrück an die Bremer Brücke reisen. Anstoß ist um 15.30 Uhr.

18. bis 20. August: Bundesliga-Auftakt

Die 55. Spielzeit mit dem HSV als dem einzigem noch nie abgestiegenem Gründungsmitglied beginnt. Erster Gegner ist im heimischen Volkspark der FC Augsburg.

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In 72 Minuten zog Jatta 43 Sprints an. Er stellte Sead Kolasinac, der gerade zum englischen Topclub FC Arsenal gewechselt ist, vor große Probleme. Mit 34,1 km/h schaffte Jatta die höchste Geschwindigkeit aller Spieler auf dem Platz. Trainer Gisdol sprach hinterher von einem „bemerkenswerten Auftritt“ und lobte Jattas „Furchtlosigkeit“.

Der schnelle Angreifer hat seine Chance genutzt. Weitere Chancen sollen folgen. Entgegen der ursprünglichen Planung will der HSV das Talent in Hamburg weiterentwickeln und nicht an einen Zweitligisten verleihen. Und Jatta will das auch. „Die Einsätze in der Bundesliga waren eine große Motivation für mich. Ich hoffe, dass noch viele weitere dazukommen“, sagt Jatta. Ihm ist gleichwohl bewusst, dass es in diesem Tempo nicht immer so weitergehen wird. „Ich kann noch viel lernen und werde einfach weiter hart an mir arbeiten. Ich will den nächsten Schritt in meiner Entwicklung gehen. “

Nationalmannschaft Gambias ist kein Thema

Schon jetzt hat sich Jatta einen Status als festen Bestandteil der Profimannschaft erarbeitet. Er spricht schon sehr gut Deutsch. Seine Mitspieler schätzen seine positive Art. Die HSV-Verantwortlichen loben die mentale Stärke des Spielers. „Wenn er sich so weiterentwickelt, wird der HSV noch viel Freude an ihm haben“, sagt sein Berater Aktas. „Baka soll hier in aller Ruhe reifen. Gemeinsam mit dem HSV wollen wir ihm ein Umfeld bieten, in dem wir ihm die Entwicklung erleichtern“, sagt Aktas. „Wir sind uns alle bewusst, dass er noch einen weiten Weg vor sich hat.“

Ein Weg, bei dem Rückschläge eingeplant sind. Jatta will deswegen auch künftig Spielpraxis in der Regionalligamannschaft des HSV sammeln. Für die U21 der Hamburger traf er in der vergangenen Saison in 16 Spielen elfmal. Für Jatta sind diese Einsätze Gold wert. Hier kann er nachholen, was er in Gambia über Jahre versäumt hat.

Seine besondere Geschichte ist in seiner Heimat, die er 2015 verlassen hatte, lange angekommen. Es soll bereits erste Versuche der Kontaktaufnahmen aus Gambia gegeben haben, um Jatta perspektivisch für die Nationalmannschaft zu gewinnen. Doch in Jattas Umfeld wird dieses Thema abgeblockt. „Das wäre jetzt nicht der richtige Zeitpunkt“, sagt Berater Aktas.

In Gambia wuchs Jatta ohne Eltern auf. Aufgrund der politischen Unruhen und der Perspektivlosigkeit hatte er den Weg nach Deutschland gewagt. Seine Flucht über die Sahara und das Mittelmeer beschrieb er kürzlich in der „Bild“ als „größten Albtraum seines Lebens“. In Hamburg lebt Jatta jetzt seinen Traum. Sein erstes Jahr als Profi soll erst der Anfang seiner ganz besonderen Geschichte sein.