Hamburg. Die Hintergründe über Djourous Rauswurf beim HSV: Er sorgte für Stress in der Kabine. Es geht ins Trainingslager nach Rotenburg.

Es war eine kühle Atmosphäre am Dienstagnachmittag im Volkspark. Mit ernsten Gesichtern schritten nacheinander die HSV-Profis die Treppe herunter zum Trainingsplatz. Lewis Holtby war der Erste, wenig später folgte Matthias Ostrzolek. Als Letzter erreichte Markus Gisdol den Rasen. Auch der Trainer machte eine dem einsetzenden Nieselregen angepasste Miene. Die angespannte Stimmung hatte allerdings weniger mit dem Hamburger Wetter zu tun als mehr mit der Nachricht, die der Club kurz zuvor auf seiner Homepage mitgeteilt hatte.

„Alle Kräfte bündeln – Trainingsgruppe wird verkleinert“, lautete die Meldung, die einen brisanten Inhalt transportieren sollte. Drei Spieltage vor Saisonende greift Gisdol durch und streicht drei Profis aus seinem Kader. Neben Ex-Kapitän Johan Djourou dürfen auch Ashton Götz und Nabil Bahoui nicht mehr am Training des Bundes­ligisten teilnehmen. „Wir haben noch drei Spiele, in denen wir alles selbst richten können. Wir müssen in dieser entscheidenden Phase alles unserer Mission unterordnen“, erklärte Sportchef Jens Todt in der Mitteilung.

Weitere Maßnahme

Am Abend folgte dann noch die Nachricht einer weiteren Maßnahme. Wie angedacht, bezieht der HSV noch in dieser Woche ein Kurztrainingslager. Von Donnerstag bis Sonnabend zieht sich das Team nach Rotenburg (Wümme) zurück. Wie schon vor zwei Jahren unter Trainer Bruno Labbadia wird der HSV für zwei Nächte im Sportpark an der Ahe wohnen, um sich in der Abgeschiedenheit auf die letzten drei Bundesligaspiele vorzubereiten. „Wir wollen uns alle zusammen auf unser großes Ziel fokussieren“, sagte Todt.

Für den Club sind die Maßnahmen vor dem existenziell wichtigen Heimspiel gegen den FSV Mainz 05 am Sonntag (15.30 Uhr) im Volksparkstadion der letzte Versuch, einen gemeinsamen Geist zu entwickeln und alle möglichen Störfaktoren aus dem Mannschaftskreis zu entfernen. Die Entscheidung, die drei Spieler zu suspendieren, kam allerdings überraschend. Keiner von ihnen hatte in den vergangenen Wochen noch eine sportliche Rolle in der Mannschaft gespielt. Beim 0:4-Debakel in Augsburg am Sonntag waren Djourou, Götz und Bahoui nicht einmal im Kader.

Matz ab nach Debakel gegen Augsburg:

Matz ab nach dem HSV-Debakel gegen Augsburg

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    Die Hintergründe der Entscheidungen, die den Spielern vor dem Training am Dienstag in Einzelgesprächen mitgeteilt wurden, fallen entsprechend unterschiedlich aus. So soll sich die sportliche Führung bei Götz und Bahoui an der abfallenden Spannung gestört haben. Beide sind seit Wochen ohne Perspektive – und treten entsprechend auf. Die Wege von Götz und dem HSV werden sich nach der Saison trennen. Sein Kontrakt läuft ohnehin aus. Bahoui steht dagegen noch bis 2018 unter Vertrag. Doch auch der Schwede, der unter Gisdol noch nicht ein Pflichtspiel bestritten hat, wird sich nach dieser Saison einen neuen Verein suchen. Beiden Spielern wurde angeboten, bis Saisonende bei der zweiten Mannschaft zu trainieren.

    Innenverteidigung bleibt Problem

    Anders sieht der Fall bei Johan Djourou aus. Den ehemaligen Kapitän könnte der HSV im Saisonfinale noch gut gebrauchen, da die Personallage in der Innenverteidigung weiter angespannt ist. Doch das Tischtuch zwischen dem Schweizer Nationalspieler und Trainer Gisdol ist endgültig zerschnitten. Nun hat sich der Coach dazu entschieden, Djourou aus dem Kader zu streichen. Diese Maßnahme hatte er bereits vor Wochen angedacht, als sich der 30-Jährige in einem Interview mit der „Aargauer Zeitung“ kritisch über den Trainer geäußert hatte. Im Sinne der Mannschaft entschied sich der HSV dafür, den Abwehrspieler im Trainings­betrieb zu behalten.

    Djourou soll provoziert haben

    Doch innerhalb der Mannschaft scheint sich die Stimmung gedreht zu haben – gegen Djourou. Nach Abendblatt-Informationen soll sich der im November entmachtete Kapitän in der vergangenen Woche in der Kabine übertrieben gut gelaunt präsentiert haben. So soll er etwa die Musik provokativ laut aufgedreht haben. Seinen Teamkollegen ist das offenbar negativ aufgestoßen. Wie das Abendblatt erfuhr, sollen bei der Entscheidung, Djourou aus dem Kader zu streichen, auch die Führungsspieler des HSV beteiligt gewesen sein.

    Dass Djourou das Angebot annimmt, bis zum Saisonende in der U 21 zu trainieren, gilt als unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist, dass der stolze Schweizer seine Sicht der Dinge zeitnah erklären wird. So wie er es zuletzt machte, als über die Gründe seiner kurzfristigen Absage vor dem Spiel gegen Dortmund öffentlich spekuliert und seine Verletzung infrage gestellt wurde. Djourou wehrte sich: „Ich habe immer alles für den HSV gegeben und mich den schwersten Situationen gestellt. Ich weiß, was der Abstiegskampf mit diesem Verein bedeutet.“

    Mannschaftliche Geschlossenheit

    Doch den Abstiegskampf wird der HSV nun ohne Djourou bestreiten. Gisdol setzt in den kommenden drei Wochen alles auf die mannschaftliche Geschlossenheit. „Wir haben jetzt noch drei Spiele, um noch einmal unsere Köpfe klarzubekommen“, sagte der Trainer. „Wir werden in den letzten 20 Tagen noch einmal alles reinhauen, damit wir am Ende unser großes Ziel Klassenerhalt schaffen können.“

    Mit einem neuen Geist, den die Mannschaft zuletzt verloren hatte. Die Hoffnung ruht auf Rotenburg.