Hamburg. Werder Bremens Hoffnung ruht auf zwei Hamburgern. Beim 106. Nordderby treffen sich am Ostersonntag zwei der besten Teams 2017.

Es soll um Fußball gehen. Und zwar nur um Fußball. Im 106. Nordderby in der Bundesligageschichte zwischen Werder Bremen und dem HSV am Ostersonntag (15.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de). Am ersten Spieltag nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund. Natürlich wurde HSV-Trainer Markus Gisdol vor dem Spiel befragt zu den Ereignissen und den Folgen. „Wir sind alle betroffen und schockiert von den Vorfällen in Dortmund“, sagte Gisdol am Freitag, zwei Tage vor dem traditionell aufgeladenen Derby zwischen Werder und dem HSV, das am Sonntag auch im Zeichen der Sicherheit steht. 750 Polizisten werden beim Risikospiel im Weserstadion im Einsatz sein.

„Es soll ein Fest des Sports werden“

Es ist eine besondere Situation vor einem besonderen Spiel. An einem Wochenende, an dem es vor allem wieder um eines gehen soll: den Sport. „Ich wünsche mir ein Fußballfest mit zwei tollen Clubs, die eine fantastische Rückrunde spielen“, sagte Gisdol am Freitag. „Es soll ein Fest des Sports werden.“ Bei den Protagonisten des Derbys war die Vorfreude bereits unter der Woche in allen Ausführungen zu entnehmen. Vom „Spiel der Saison“ sprach Bremens Zlatko Junuzovic. „Das größte Spiel des Jahres“ sei es für HSV-Stürmer Bobby Wood. Und Dennis Diekmeier freut sich einfach nur auf ein „richtig geiles Spiel“.

Ein Spiel, das sich im Jahr 2017 zu einem echten Topspiel gemausert hat. Zumindest bezogen auf die Punkteausbeute. 20 Zähler holten die Krisenclubs der Hinrunde seit der Winterpause. Nur der FC Bayern München (26) und Borussia Mönchengladbach (22) waren in diesem Zeitraum erfolgreicher. Bremen ist sogar seit acht Spielen ungeschlagen. So eine Serie gab es zuletzt in der Hinrunde der Saison 2009/10 unter Trainer Thomas Schaaf.

Nordderby statt Not-Derby

Es war eine Zeit, in der das Nordderby auch in der richtigen Tabelle noch ein Topspiel war und beide Clubs um die Champions-League-Plätze spielten. Doch seitdem ging es für beide Vereine fast ausschließlich gegen den Abstieg. Insbesondere vor dem Hinspiel im November waren der HSV und Bremen in Not. Gisdol und Werder-Coach Alexander Nouri waren beide erst ein paar Wochen im Amt, über beide wurde trotzdem bereits öffentlich diskutiert. Vier Punkte (Hamburg) sowie acht (Bremen) nach dem 2:2 im Hinspiel sind normalerweise die Zwischenbilanz von Absteigern. Doch die Zeit des Not-Derbys ist vorbei. Am Sonntag treffen sich zwei der formstärksten Teams.

Bobby Wood droht am Sonntag auszufallen

Die Vorfreude auf das Nordderby ist bei beiden Clubs so groß wie lange nicht. Ein Spiel, um das sich viele kleine Geschichten ranken. „Wenn ich an das Spiel denke, bekomme ich jetzt schon eine Gänsehaut“, sagt etwa HSV-Stürmer Michael Gregoritsch, der im Hinspiel noch doppelt traf und auch am Sonntag wieder wichtig werden könnte, sollte Bobby Wood wegen seiner Knieprellung ausfallen.

Der US-Amerikaner konnte auch am Freitag noch nicht mit der Mannschaft trainieren. „Wenn es nicht reicht, haben wir immer noch Leute, die auch gegen Bremen schon mal Tore gemacht haben“, sagte Gisdol. Nicht nur Gregoritsch war gemeint. Auch Pierre-Michel Lasogga durfte sich angesprochen fühlen. Der Stürmer hatte vor rund einem Jahr das Derby in Hamburg mit einem Doppelpack entschieden. Es waren bis heute seine letzten beiden Bundesligatore für den HSV.

Bremens Hoffnung ruht auf zwei Hamburgern

Fin Bartels (30) spielte von 2010 bis 2014 beim FC St. Pauli
Fin Bartels (30) spielte von 2010 bis 2014 beim FC St. Pauli © WITTERS | ValeriaWitters

Auf Seiten der Bremer ruhen die Hoffnungen auf den beiden früheren Hamburgern Max Kruse und Fin Bartels, die zwischen 2010 und 2012 zwei Jahre gemeinsam für den FC St. Pauli spielten. Vor allem der in Reinbek geborene Kruse, als Kind ein HSV-Fan, hat mit seinen Toren in den vergangenen Wochen maßgeblich zum Bremer Aufschwung beigetragen. „Ich habe zwar meinen Ursprung in Hamburg, für das Spiel brauche ich aber keine zusätzliche Motivation“, sagte Kruse.

Doch damit nicht genug der Derby-Geschichten. Auch für Jens Todt ist das Spiel eine Reise in die Vergangenheit. Von 1996 bis 1999 stand der 47-Jährige als Spieler beim SV Werder unter Vertrag. Am Sonntag ist der heutige Sportchef genau 100 Tage beim HSV im Amt. Sein persönliches Spiel des Jahres? „Das Spiel des Jahres ist das Spiel, an dem wir den Klassenerhalt sicher machen“, sagt Todt und warnt vor der Schnelllebigkeit im Fußball. „Ich erinnere nur daran, wie die Stimmung vor einem halben Jahr war“, sagt Todt.

Hamburg setzt auf Talent aus Bremen

Diese Schnelllebigkeit hat auch Aaron Hunt erfahren. Vor einem halben Jahr, beim Hinspiel-Derby in Hamburg, saß der 30-Jährige noch gefrustet auf der Bank. Nun kehrt Hunt erstmals seit seinem Abgang aus Bremen 2014 an die Weser zurück. Hunt, der bei Werder ausgebildet und zehn Jahre bei den Profis spielte, ist in Hamburg plötzlich Leistungs- und Hoffnungsträger. Vor einer Woche gelang ihm gegen Hoffenheim sein erster Doppelpack für den HSV. „Aaron hat einen guten Lauf, aber ich bin guten Mutes, dass er sich an seine Bremer Wurzeln erinnert und es am Sonntag etwas ruhiger angehen lässt“, sagte Werders Sportchef Frank Baumann augenzwinkernd.

Viele Geschichten rund um ein Spiel. Ein „interessantes Spiel, das große Spannung verspricht“, wie HSV-Coach Markus Gisdol am Freitag sagte. Ein Spiel, das trotz aller Rivalität aber eben nur ein Fußballspiel sei. Insbesondere nach so einer ereignisreichen Woche.

Oder wie es Gisdol formulierte: „Fußball ist nach wie vor die schönste Nebensache der Welt.“