Hamburg. Der HSV hat jetzt schon genauso viele Punkte geholt wie in der Hinrunde. Was sind die Gründe für den Aufschwung? Eine Analyse.

In der Winterpause war den Verantwortlichen des HSV klar, dass in der Rückserie deutlich mehr Punkte geholt werden müssen, als die mageren 13 Zähler, die bis dahin auf der Habenseite standen. Dass die Mannschaft in den folgenden sieben Spieltagen schon genauso viele Punkte holen sollte wie in der Hinrunde, hätte zum damaligen Zeitpunkt aber niemand zu prognostizieren gewagt.

Es ist keine vier Monate her, da waren sich alle vermeintlichen Experten einig, dass der HSV als Absteiger Nummer eins feststünde, nachdem die Hanseaten nicht einmal mehr ihr Heimspiel gegen Werder Bremen, einen direkten Konkurrenten um den Klassenerhalt, gewannen. Doch seitdem ist viel passiert und Hamburg hat plötzlich berechtigte Hoffnungen auf ein weiteres Jahr Bundesliga-Fußball. Woran liegt der schon nicht mehr für möglich gehaltene Aufschwung? Das Abendblatt hat sich auf Ursachenforschung begeben.

Rückhalt der Fans

Die HSV-Anhänger stehen geschlossen hinter ihrer Mannschaft – auch wenn es mal nicht so läuft wie bei dem 0:8 in München. Für das darauffolgende Heimspiel schrieben HSV-Fans einen offenen Brief, in dem den Rothosen bedingungslose Unterstützung zugesagt wurde. Das Versprechen wurde gehalten. Sowohl beim Pokal-Aus gegen Gladbach (1:2) als auch vier Tage später gegen Hertha BSC (1:0) präsentierten sich die Anhänger vorbildlich als 12. Mann.

Vorbei sind die Zeiten aus der Hinrunde, als es – natürlich aufgrund der schlechten Leistungen auf dem Rasen – Pfiffe von den Rängen hallte und die Mannschaft sogar von den eigenen Fans verhöhnt wurde.

Inzwischen werden Spieler und Funktionäre nicht müde, die eigenen Anhänger für ihren Rückhalt zu loben. „Wir haben die besten Fans der Welt“, ist ein gern verwendeter Satz dieser Tage. Denn der HSV weiß: Der Klassenerhalt gelingt nur mit der Unterstützung der Fans.

Festung Volksparkstadion

Seit sieben Bundesliga-Spielen ist der HSV im Volksparkstadion ungeschlagen. Eine solche Serie gelang zuletzt vor sieben Jahren, als die Hanseaten sogar acht Spiele zu Hause ohne Niederlage blieben. Der HSV ist endlich wieder eine Heimmacht und kann vor eigenem Publikum auch einen Großen schlagen wie beispielsweise die bis dahin beste Rückrundenmannschaft Borussia Mönchengladbach, Europa-Anwärter Hertha BSC und Champions-League-Achtelfinalist Bayer Leverkusen. „Wir haben einen Schulterschluss mit den Fans. Das ist eine gute Bedingung für unseren Abstiegskampf“, erklärte Sportchef Jens Todt.

Die Hamburger senden durch die neu gewonnene Heimstärke ein wichtiges Signal an die Konkurrenz: Der Volkspark ist wieder eine Festung. „Wir sind eine Heimmacht und können uns damit Respekt verschaffen“, sagte Lewis Holtby.

Sieg! HSV dreht das Spiel gegen Gladbach

Bobby Wood drehte das Spiel für den HSV gegen Gladbach
Bobby Wood drehte das Spiel für den HSV gegen Gladbach © WITTERS | TimGroothuis
Rein das Ding! Wood wuchtet das Spielgerät in die Maschen
Rein das Ding! Wood wuchtet das Spielgerät in die Maschen © MSSP/Michael Schwartz
Filip Kostic überspringt Nico Elvedi und trifft zum Ausgleich für den HSV gegen Gladbach
Filip Kostic überspringt Nico Elvedi und trifft zum Ausgleich für den HSV gegen Gladbach © WITTERS | ValeriaWitters
Der Serbe lässt sich für sein Tor feiern
Der Serbe lässt sich für sein Tor feiern © dpa | Daniel Reinhardt
Papadopoulos nimmt Torschütze Kostic zum Jubeln in den Arm
Papadopoulos nimmt Torschütze Kostic zum Jubeln in den Arm © WITTERS | ValeriaWitters
Endlich zählt ein Tor! DIe HSV-Spieler jubeln über den Ausgleich
Endlich zählt ein Tor! DIe HSV-Spieler jubeln über den Ausgleich © WITTERS | ValeriaWitters
Andreas Christensen jubelt nach seinem Führungstor für die Gäste
Andreas Christensen jubelt nach seinem Führungstor für die Gäste © dpa | Daniel Reinhardt
Der Däne setzte sich im Kopfballduell gegen Gideon Jung durch und wuchtete den Ball ins Eck
Der Däne setzte sich im Kopfballduell gegen Gideon Jung durch und wuchtete den Ball ins Eck © dpa | Daniel Reinhardt
Ratlose Hamburger Gesichter nach dem Rückstand
Ratlose Hamburger Gesichter nach dem Rückstand © Bongarts/Getty Images | Martin Rose
Gotoku Sakais Protest ändert nichts an der Entscheidung von Schiedsrichter Deniz Aytekin, der zwei HSV-Tore wegen Abseits aberkannte
Gotoku Sakais Protest ändert nichts an der Entscheidung von Schiedsrichter Deniz Aytekin, der zwei HSV-Tore wegen Abseits aberkannte © WITTERS | ValeriaWitters
Beim ersten Abseitstor von Bobby Wood stimmte Linienrichter Eduard Beitlinger, der nicht die Fahne gehoben hatte, Deniz Aytekin um
Beim ersten Abseitstor von Bobby Wood stimmte Linienrichter Eduard Beitlinger, der nicht die Fahne gehoben hatte, Deniz Aytekin um © Bongarts/Getty Images | Martin Rose
Lewis Holtby erzielte das zweite irreguläre Tor mit einem traumhaften Lupfer
Lewis Holtby erzielte das zweite irreguläre Tor mit einem traumhaften Lupfer © dpa | Daniel Reinhardt
Adler hält prächtig gegen Herrmann
Adler hält prächtig gegen Herrmann © dpa | Daniel Reinhardt
René Adler parierte zweimal in Weltklasse-Manier und verdiente sich eine Eins mit Sternchen
René Adler parierte zweimal in Weltklasse-Manier und verdiente sich eine Eins mit Sternchen © imago/MIS
Albin Ekdal steigt gut hoch, vergibt aber diese Torchance
Albin Ekdal steigt gut hoch, vergibt aber diese Torchance © WITTERS | TimGroothuis
Christoph Kramer setzt sich gegen Bobby Wood durch
Christoph Kramer setzt sich gegen Bobby Wood durch © Bongarts/Getty Images | Martin Rose
Matthias Ostrzolek klärt souverän gegen Elvedi und leitet im Anschluss dieser Szene den Konter ein
Matthias Ostrzolek klärt souverän gegen Elvedi und leitet im Anschluss dieser Szene den Konter ein © dpa | Daniel Reinhardt
Albin Ekdal setzt sich gegen Patrick Herrmann durch
Albin Ekdal setzt sich gegen Patrick Herrmann durch © WITTERS | ValeriaWitters
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Kompetente Vereinsführung

In der Hinrunde wurde nahezu die komplette sportliche Führung ausgetauscht. Vorstandsboss Heribert Bruchhagen und Sportchef Jens Todt ziehen an einem Strang mit Trainer Markus Gisdol. Die Vereinsführung strahlt Souveränität aus, symbolisiert Einigkeit und weiß sich eloquent auszudrücken. Die Folge: Es gibt weniger Nebenkriegsschauplätze, die Belustigungen in den sozialen Netzwerken haben abgenommen und es ist deutlich ruhiger geworden um den HSV. Dank jener Ruhe gelingt es der Mannschaft, nach Rückschlägen wie dem 1:3 in Ingolstadt und dem 0:8 in München schneller wieder aufzustehen.

Die Winterneuzugänge

Mit Kyriakos Papadopoulos, Mergim Mavraj und Walace hat der HSV die Schwachstellen des Kaders erkannt und sich im Winter optimal verstärkt. Das im Sommer entstandene Vakuum in der Defensive wurde geschlossen. Vor allem Papadopoulos lebt die Werte des Abstiegskampfes vor. Der griechische Koloss pusht Mitspieler und Fans bei jeder Gelegenheit mit Herz und Leidenschaft und geht auch auf dem Platz mit bedingungslosem Einsatz und starken Leistungen voran.

Innerhalb kürzester Zeit hat sich der Innenverteidiger zum Fan-Liebling gemausert. Gemeinsam mit seinem neuen Abwehrkollegen Mavraj, der allerdings momentan verletzt fehlt, bildet er ein schwer zu überwindendes Abwehrbollwerk (mit Ausnahme des Bayern-Debakels).

Der Trainer

Markus Gisdol ist der stille Held des derzeitigen Höhenflugs. Dass der HSV auf Platz vier der Rückrundentabelle liegt, ist vor allem ihm zu verdanken. Der Trainer nutzte im Winter die Zeit, der Mannschaft seine Spielidee mit aggressivem Pressing und schnellem Umschaltspiel zu vermitteln. Einzelne Spieler wie Bobby Wood, Gideon Jung Aaron Hunt, Matthias Ostrzolek und Papadopoulos hat er besser gemacht.

Markus Gisdol ist der Vater des HSV-Aufschwungs
Markus Gisdol ist der Vater des HSV-Aufschwungs © imago/Michael Schwarz

„Das war unser bestes Pressing-Spiel seit meiner Zeit hier“, lobte Gisdol nach dem Sieg gegen Gladbach. Das Team trägt seine Handschrift und hat einen klaren Plan – auch gegen tief stehende Gegner, gegen die sich der HSV seit Jahren schwergetan hat.

Darüber hinaus hebt Gisdol im Gegensatz zu seinem einen oder anderen Vorgänger trotz des sportlichen Höhenflugs nicht ab und tritt auf die Euphoriebremse. „Wir müssen demütig bleiben“, sagte der Coach wohl wissend, dass die Hamburger auf dem Relegationsplatz stehen und sich damit noch immer in akuter Abstiegsnot befinden. Gisdol verkörpert die neue Bescheidenheit beim HSV, ohne sich dabei selbst zu klein zu machen.

Die Mannschaft

Mit der Suspendierung von Emir Spahic und der Ausleihe von Alen Halilovic hat der HSV ein Zeichen gesetzt: Der Klassenerhalt kann nur durch interne Geschlossenheit erreicht werden. Die Zeit der Grüppchenbildungen ist vorbei. Die Atmosphäre innerhalb der Mannschaft scheint sich positiv auf die Leistung auszuwirken. Jeder Einzelne stellt sein persönliches Ego hinten an.

So akzeptieren sogar die Spieler mit auslaufenden Verträgen (Adler, Ostrzolek, Djourou), dass der Verein erst Gespräche über eine Verlängerung führt, wenn die Ligazugehörigkeit geklärt ist. „Es liegt doch an uns: Wenn wir schnell Punkte holen, können wir schnell in die Gespräche einsteigen“, sagte Torhüter Adler zuletzt in der „Bild“.

Die nächsten Punkte gibt es schon am Sonnabend bei Eintracht Frankfurt (18.30 Uhr im Abendblatt-Liveticker) zu holen.

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Matz ab nach dem Heimsieg gegen Gladbach

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