Hamburg. Nach dem Zehn-Millionen-Euro-Deal hat nur RB Leipzig noch mehr als der HSV in dieser Saison investiert. Walace trainiert erstmals.

Knapp eine Stunde dauerte es, ehe der Neu-Hamburger Walace Souza Silva am Dienstagvormittag sämtliche Klischees über Südamerikaner widerlegt hatte. Wie man es von einem echten Brasilianer erwartet, war der 21 Jahre alte Neuzugang zu seinem ersten HSV-Training zunächst dick eingepackt gekommen, hatte sich mit Handschuhen, langer Hose, einer dicken Trainingsjacke und einer Mütze gegen die Minusgrade bewaffnet. Doch je länger die Einheit in der Kälte dauerte, desto wärmer wurde dem Sambafußballer, der zur Überraschung der knapp 100 Trainingszuschauern vor dem Abschlussspiel sogar demonstrativ seine lange Hose über die Waden hochkrempelte. „Ich komme aus Brasilien, aber nicht vom Mond“, scherzte Walace, als er schließlich seine erste Einheit beendet hatte.

Ganz ohne Handschuhe und Mütze schlenderte Walace eine Stunde nach dem Training bester Laune in den (beheizten) Katakomben des Volksparkstadions und betrieb zunächst einmal Aufklärungsarbeit in eigener Sache. Ja, natürlich kenne er Schnee. Er habe zuletzt in Porto Alegre gespielt, da werde es im Winter auch kalt, verdammt kalt. Nur sei Porto Alegres Winter im Sommer und der Sommer dort in unserem Winter. Soweit alles klar? Tudo bem?

HSV hatte zuletzt kein Glück mit Sechsern

Man mag es kaum glauben, aber da hat der HSV gerade den fünftteuersten Fußballer der Clubgeschichte für knapp zehn Millionen Euro verpflichtet – und Hauptgesprächsthema ist das Wetter. Doch als irgendwann alles über Schnee, Regen und Minusgrade gesagt war, ging es doch noch um Fußball. „Ich bin ein Mittelfeldspieler, der seine Stärken in der Defensive hat. Aber auch meine Spieleröffnung ist nicht schlecht. Ich will versuchen, von hinten aus das Spiel aufzubauen und mich vorne einzuschalten“, antwortete Walace, als er nach Stärken und Schwächen befragt wurde.

HSV-Neuzugang Walace stellt sich vor

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    Eine gute Spieleröffnung, ein gutes Defensivspiel – das sind Dinge, nach denen in Hamburg bereits seit Jahren gefahndet wird. Oder wenn man es ganz genau nimmt: seit knapp sechs Jahren. Seinerzeit waren es Zé Roberto und der alternde David Jarolim, die Hamburgs sogenannte Doppelsechs bildeten. Danach kamen und gingen Per Skjelbred, Gojko Kacar, Tolgay Arslan, Tomas Rincon, Muhamed Besic, Milan Badelj, Petr Jiracek, Kerem Demirbay, Valon Behrami, Marcelo Díaz und Albin Ekdal, der als einziger noch immer da ist. Fast alle anderen Ex-Sechser des HSV haben vor allem drei Gemeinsamkeiten: Sie kamen voller Hoffnung zum HSV, enttäuschten – und wurden erst dann wieder richtig gut, als sie vom HSV weg gingen.

    Mehr als 30 Millionen Euro hat der HSV seit dem Weggang von Zé Roberto und Jarolim für deren Nachfolger im defensiven Mittelfeld ausgegeben – wirklich gepasst hat es allerdings nie. Walace ist nun der nächste und zugleich teuerste Versuch. „Ich weiß, dass der Druck auf meiner Person enorm ist, aber ich bin sicher, dass ich diesem Druck standhalte“, sagt der Nationalspieler, der bereits zweimal für die Seleção spielte.

    Die teuersten HSV-Transfers:

    Walace und Co.: Die teuersten HSV-Transfers

    Filip Kostic trägt die Bürde des bislang teuersten Einkaufs der HSV-Geschichte: Nach langen Verhandlungen mit dem VfB Stuttgart wurden im Sommer 2016 für den Serben 14 Millionen Euro plus Boni fällig
    Filip Kostic trägt die Bürde des bislang teuersten Einkaufs der HSV-Geschichte: Nach langen Verhandlungen mit dem VfB Stuttgart wurden im Sommer 2016 für den Serben 14 Millionen Euro plus Boni fällig © WITTERS | ValeriaWitters
    Ganz hoch hinaus wollte Rafael van der Vaart ab der Saison 2012/13 ein zweites Mal mit dem HSV. Die Rückholaktion des Niederländers von Tottenham ließ sich der Dino rund 13 Millionen Euro plus Boni kosten. Platz zwei für van der Vaart
    Ganz hoch hinaus wollte Rafael van der Vaart ab der Saison 2012/13 ein zweites Mal mit dem HSV. Die Rückholaktion des Niederländers von Tottenham ließ sich der Dino rund 13 Millionen Euro plus Boni kosten. Platz zwei für van der Vaart © Witters
    2006 konnte der damalige Vorstandsboss Bernd Hoffmann das Abwehrtalent Vincent Kompany im Volkspark begrüßen. 10,5 Millionen Euro (Platz 3) gab der HSV aus. Für den Weiterverkauf kassierte der Verein zwei Jahre später 8,5 Millionen Euro
    2006 konnte der damalige Vorstandsboss Bernd Hoffmann das Abwehrtalent Vincent Kompany im Volkspark begrüßen. 10,5 Millionen Euro (Platz 3) gab der HSV aus. Für den Weiterverkauf kassierte der Verein zwei Jahre später 8,5 Millionen Euro © Witters
    Der Inbegriff des HSV-Flops: Nach einer starken U21-EM im Sommer 2009 machte der HSV 10 Millionen Euro locker, um Bruno Labbadia Stürmer Marcus Berg (Platz 4) zu bescheren. Der Schwede dankte es mit einem Törchen in zwei Jahren
    Der Inbegriff des HSV-Flops: Nach einer starken U21-EM im Sommer 2009 machte der HSV 10 Millionen Euro locker, um Bruno Labbadia Stürmer Marcus Berg (Platz 4) zu bescheren. Der Schwede dankte es mit einem Törchen in zwei Jahren © Witters
    Knapp dahinter folgt der Brasilianer Walace, den der HSV im Winter 2017 für 9,2 Millionen Euro von Grêmio Porto Alegre verpflichtete
    Knapp dahinter folgt der Brasilianer Walace, den der HSV im Winter 2017 für 9,2 Millionen Euro von Grêmio Porto Alegre verpflichtete © WITTERS | ValeriaWitters
    9 Millionen Euro Ablöse im Sommer 2009 konnten Eljero Elia (Platz 6) nicht aufhalten. Der Niederländer machte nach 52 Bundesligaspielen wieder den Abflug
    9 Millionen Euro Ablöse im Sommer 2009 konnten Eljero Elia (Platz 6) nicht aufhalten. Der Niederländer machte nach 52 Bundesligaspielen wieder den Abflug © Witters
    Thiago Neves (Platz 7) war ein 9 Millionen Euro teures Missverständnis: Der Brasilianer lief ganze sechs Mal für den HSV auf - macht pro Spiel rund 1,5 Millionen Euro
    Thiago Neves (Platz 7) war ein 9 Millionen Euro teures Missverständnis: Der Brasilianer lief ganze sechs Mal für den HSV auf - macht pro Spiel rund 1,5 Millionen Euro "Auflaufprämie" © Witters
    Kerstin Lasogga gab Hamburg für ihren Sohn Pierre-Michel 2013 erst den Leih-Zuschlag, ein Jahr später dann einen festen Vertrag. 8,5 Millionen Euro wurden dafür fällig, macht Platz 8 für den Angreifer
    Kerstin Lasogga gab Hamburg für ihren Sohn Pierre-Michel 2013 erst den Leih-Zuschlag, ein Jahr später dann einen festen Vertrag. 8,5 Millionen Euro wurden dafür fällig, macht Platz 8 für den Angreifer © Imago/Christoph Reichwein
    Blutjung, aber schon ganz schön teuer: Marcell Jansen wechselte 2008 als 22-jähriger Nationalspieler an die Elbe. Bayern München erhielt 8 Millionen Euro für den Linksfuß (Platz 9)
    Blutjung, aber schon ganz schön teuer: Marcell Jansen wechselte 2008 als 22-jähriger Nationalspieler an die Elbe. Bayern München erhielt 8 Millionen Euro für den Linksfuß (Platz 9) © Witters
    Trainer Armin Veh freute sich 2010 über einen neuen Abwehrchef: Heiko Westermann löste der HSV für 7,5 Millionen Euro von Schalke los (Platz 10)
    Trainer Armin Veh freute sich 2010 über einen neuen Abwehrchef: Heiko Westermann löste der HSV für 7,5 Millionen Euro von Schalke los (Platz 10) © Witters
    Platz 11: Mladen Petric (M., zwischen Trainer Martin Jol und Bernd Hoffmann). Der Kroate kostete 2008 rund 7,3 Millionen Euro. Bei den Fans avancierte der Kroate zum Publikumsliebling
    Platz 11: Mladen Petric (M., zwischen Trainer Martin Jol und Bernd Hoffmann). Der Kroate kostete 2008 rund 7,3 Millionen Euro. Bei den Fans avancierte der Kroate zum Publikumsliebling © Witters
    Für die Dienste von Linksverteidiger Douglas Santos überwies der HSV im Sommer 2016 6,5 Millionen Euro an Atlético Mineiro. Den 12. Platz teilt sich Santos mit ...
    Für die Dienste von Linksverteidiger Douglas Santos überwies der HSV im Sommer 2016 6,5 Millionen Euro an Atlético Mineiro. Den 12. Platz teilt sich Santos mit ... © WITTERS | TayDucLam
    Lewis Holtby – der die Bälle für die Bälle dank einer Ablöse von 6,5 Millionen Euro jongliert ...
    Lewis Holtby – der die Bälle für die Bälle dank einer Ablöse von 6,5 Millionen Euro jongliert ... © Witters
    ... mit Mohamed Zidan – der sich hier wohl auch fragen dürfte, wo die ganzen Millionen wohl hin sind. Die Bilanz des Ägypters in Hamburg: 21 Spiele, zwei Tore
    ... mit Mohamed Zidan – der sich hier wohl auch fragen dürfte, wo die ganzen Millionen wohl hin sind. Die Bilanz des Ägypters in Hamburg: 21 Spiele, zwei Tore © Witters
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    ... sowie mit Kyriakos Papadopoulos, der im Winter 2017 zunächst auf Leihbasis kam und anschließend für 6,5 Millionen Euro fest von Bayer Leverkusen verpflichtet wurde © Witters
    Für die späte Rückkehr André Hahns wurden im Sommer 2017 schließlich 6 Millionen Euro fällig. Platz 16
    Für die späte Rückkehr André Hahns wurden im Sommer 2017 schließlich 6 Millionen Euro fällig. Platz 16 © Witters
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    Hier ist der HSV auf Königsklassen-Kurs

    Mit dem Kauf von Walace ist der HSV direkt in die Champions League vorgedrungen – allerdings nur beim Geldausgeben. Rechnet man alle Transfereinnahmen und -ausgaben gegeneinander auf, haben die Hamburger in dieser Saison ein Gesamtminus von mehr als 38 Millionen Euro erwirtschaftet, was nur von RB Leipzig (-59,5 Millionen Euro) getoppt wird. „Wir machen keine verrückten Dinge“, hatte HSV-Trainer Markus Gisdol noch in der vergangenen Woche gesagt, unterstützt von HSV-Chef Heribert Bruchhagen, der betonte, dass der HSV eben nicht immer auf die Hilfe von Klaus-Michael Kühne angewiesen sein wolle: „Es geht ja um die Frage, was sich der HSV leisten kann und was in unserem Rahmen reinpasst“, sagte Bruchhagen, und weiter: „Wir greifen nicht bei jeder Aktion auf Herrn Kühne zurück.“

    Walace sieht erstmals Schnee und den Volkspark

    Dahin gehen, wo's weh tut: Albin Ekdal weist Walace ein
    Dahin gehen, wo's weh tut: Albin Ekdal weist Walace ein © WITTERS | TayDucLam
    Und der Brasilianer als Schnelllerner gilt, wagte er sich direkt auf den ungewohnt weißen Untergrund
    Und der Brasilianer als Schnelllerner gilt, wagte er sich direkt auf den ungewohnt weißen Untergrund © WITTERS | TayDucLam
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    Am Tag nach seiner Vertragsunterschrift absolvierte der Olympiasieger sein erstes Training mit den neuen Kollegen © WITTERS | TayDucLam
    Was heißt
    Was heißt "Vertikalspiel" auf portugiesisch? Dolmetscher Edson Büttner wich nicht von Walaces Seite © WITTERS | TayDucLam
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    Auch Co-Olympiasieger Douglas Santos (l.) nahm sich Wallaces an © Imago/Michael Schwarz
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    Der Übersetzer geleitete Walace auch auf das Trainingsgelände © WITTERS | TayDucLam
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    Dort standen so viele Fans Spalier wie lange nicht mehr © WITTERS | TayDucLam
    Und sie bekamen direkt die brasilianische Ballfertigkeit des 21-Jährigen zu sehen
    Und sie bekamen direkt die brasilianische Ballfertigkeit des 21-Jährigen zu sehen © WITTERS | TayDucLam
    So wie hier...
    So wie hier... © WITTERS | TayDucLam
    ...oder hier
    ...oder hier © WITTERS | TayDucLam
    Auch das Kopfballspiel beherrscht der neue Sechser
    Auch das Kopfballspiel beherrscht der neue Sechser © WITTERS | TayDucLam
    Alles gut! Walace hat mit dem HSV Großes vor
    Alles gut! Walace hat mit dem HSV Großes vor © WITTERS | TayDucLam
    Für Aaron Hunt scheinen die Tage im Volkspark dagegen gezählt – dennoch trainierte auch der Routinier am Dienstag weiter mit dem Team
    Für Aaron Hunt scheinen die Tage im Volkspark dagegen gezählt – dennoch trainierte auch der Routinier am Dienstag weiter mit dem Team © WITTERS | TayDucLam
    Dort herrschte gute Laune – zumindest bei Kyriakos Papadopoulos (l.) und Filip Kostic
    Dort herrschte gute Laune – zumindest bei Kyriakos Papadopoulos (l.) und Filip Kostic © WITTERS | TayDucLam
    Aber auch bei Kapitän Gotoku Sakai
    Aber auch bei Kapitän Gotoku Sakai © WITTERS | TayDucLam
    Schaltet sich gerne in die Offensive ein: Der neue HSV-Sechser Walace (l.)
    Schaltet sich gerne in die Offensive ein: Der neue HSV-Sechser Walace (l.) © Imago/Michael Schwarz
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    Doch Fußball ist bekanntermaßen ein schnelllebiges Geschäft. Fünf Tage später erinnert sich kaum noch jemand an das Gerede von gestern – und der HSV hat dank Kühnes Unterstützung einen Zehn-Millionen-Euro-Mann mehr in seinen Reihen. „Ich war von dem Projekt überzeugt, dass man mir vorgestellt hat“, antwortet dieser, als er gefragt wird, warum ein so guter Spieler wie er ausgerechnet zum HSV gehen würde.

    Walace: Bin bereit für den Abstiegskampf

    Am Mittwoch hatten ihm seine Berater nach dem Länderspiel gegen Kolumbien mitgeteilt, dass da dieser Herr aus Deutschland gekommen sei – und dass man sich vielleicht mal anhören sollte, was dieser zu sagen habe. Der Herr aus Deutschland war Jens Todt – und das Gesagte musste so überzeugend gewesen sein, dass sich Walace nur vier Tage später auf den Weg nach Hamburg machte. „Die Gespräche waren sehr gut“, sagt Walace, und lächelt.

    Mit dem Lächeln soll es schon bald vorbei sein. „Ich bin gekommen, um zu helfen“, sagt der Profi vom Zuckerhut, der sich nicht einmal durch das 1:3 des HSV in Ingolstadt beirren ließ. „Ich habe das Spiel im Fernsehen gesehen. Der HSV ist ein großer Club, aber natürlich ist es eine sehr schwere Phase.“ Kurze Pause, dann sagt Walace das, was man in Hamburg gerne hört: „Ich bin bereit für den Abstiegskampf.“

    HSV: Walace ist da

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