Hamburg. Papadopoulos debütierte mit 15 Jahren, Gregoritsch schoss mit 15 Jahren das erste Profitor. Doch bedeutet immer jünger auch besser?

Man ist so alt wie man sich fühlt. Sagt man zumindest. Und wenn das tatsächlich stimmt, dann dürfte Kyriakos Papadopoulos am Montag noch immer jenseits der 35 Jahre alt gewesen sein. Auch zwei Tage nach seinem HSV-Debüt beim 0:1 in Wolfsburg fühlte der Grieche jede einzelne Phase seines theoretisch blutjungen Körpers, der zuletzt ganz praktisch vor mehr als zehn Monaten 90 Minuten lang in der Bundesliga auf dem Platz stand. Seinerzeit im Trikot von Bayer Leverkusen. Der Gegner am 13. März: nur der HSV.

In Wahrheit ist Papadopoulos natürlich nicht 35 Jahre alt. Der Abwehrmann ist 24, was insofern verwundert, als dass der noch immer ziemlich junge Grieche bereits für den HSV, Leipzig, Leverkusen und Schalke 04 in der Bundesliga unter Vertrag stand, zudem bei Olympiakos Piräus in Griechenlands Erster Liga spielte.

15 Jahre alt: Teenager Kyriakos Papadopoulos 2007 bei Olympiakos Piräus, seiner ersten Station im Profifußball
15 Jahre alt: Teenager Kyriakos Papadopoulos 2007 bei Olympiakos Piräus, seiner ersten Station im Profifußball © imago

Dort, in Piräus, begann Papadopoulos frühreife Karriere im zarten Alter von 15 Jahren und 283 Tagen als Ersatzspieler beim 3:1-Sieg über Atromitos. Der 1,85 Meter große Hüne mit dem Babygesicht ist seitdem Griechenlands jüngster Erstligaspieler aller Zeiten. „Es war ein enormer Sprung, der mich aber sehr geprägt hat“, sagte Papadopoulos später, als er berichten musste, wie es so ist, mit 15 Jahren aus dem Heimatdorf Katerini ins 600 Kilometer entfernte Piräus zu ziehen. Die Antwort in nur einem Wort: hart. In zwei Wörtern: sehr hart.

Peters hält wenig vom Jugendwahn

Papadopoulos ist nicht der einzige Frühreife beim HSV, der als Teenager auszog, um die Welt zu erobern. Der Schwede Albin Ekdal und der Japaner Gotoku Sakai spielten erstmals mit 17 Jahren in ihren jeweiligen Heimatligen, Alen Halilovic debütierte in Kroatiens ersten Liga sogar mit 16 Jahren. Noch jünger war außer Papadopoulos nur Michael Gregoritsch, der mit 15 Jahren, elf Monaten und 27 Tagen in Österreichs Bundesliga debütierte – und direkt sein erstes Tor erzielte.

„Das war natürlich ein unvergesslicher Moment“, erinnerte sich Gregoritsch kürzlich in einem Abendblatt-Interview. „Ich war ja im Sportinternat. Klar haben wir mein Tor abends in der WG rauf und runter besprochen. Dass dieser Treffer wirklich besonders war, habe ich aber erst am nächsten Tag verstanden, als mir sogar mein Deutschlehrer gratulierte. Der war sonst immer sehr zurückhaltend mit Lob.“

Zurückhaltend in der Thematik ist auch HSV-Sportdirektor Bernhard Peters, der nicht viel von dem derzeitigen Jugendwahn hält. „Ich sehe es mit gemischten Gefühlen, dass Fußballprofis heutzutage immer jünger werden. Auf der einen Seite gibt es Überflieger wie Papadopoulos oder Gregoritsch, die eine spezielle Sozialisierung haben und bereits in ganz jungen Jahren absolute Top-Performer sind. Auf der anderen Seite ist die Mehrzahl der Talente mit 15 oder 16 Jahren einfach noch nicht so weit“, sagt Peters, der daran erinnert, dass wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge Talente rund 10.000 Übungsstunden brauchen, ehe sie ausgereift sind für den Schritt in den Herrenbereich. „Unabhängig vom physischen sind die Teenager oft auch psychisch noch nicht genügend vorbereitet auf den enormen Druck im Hochleistungssport“, sagt Peters.

Peters nimmt Jungprofis den Druck

99,97 Prozent der rund sechs Millionen Fußballer in Deutschland sind keine Profis und werden es auch nie. Schon gar nicht, wenn sie zu alt sind – oder nach landläufiger Meinung als zu alt gelten. So gibt es 515 Lizenzspieler in Deutschland, die im Schnitt 25,5 Jahre jung sind. „Ich halte gar nichts von der allgemeinen Meinung, dass es ein Talent mit 17 Jahren oder 18 Jahren bei den Profis geschafft haben muss. Auf diesen unnötigen Druck verzichten wir beim HSV gerne“, sagt Peters.

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    Untersuchungen zufolge lag das Hochleistungsalter im Fußball früher zwischen 25 und 30 Jahren, heute soll es zwischen 20 und 25 liegen. Zeit zum Ausbilden bleibt so kaum, was Peters äußerst kritisch sieht: „Viele Talente, die sehr früh angefangen haben, sind leider auch sehr früh mit den Kräften vom Kopf und den Beinen am Limit. Wer immer früher einsteigt, der steigt leider auch oft früher wieder aus“, sagt der Sportdirektor, der beim HSV für die Nachwuchsförderung verantwortlich ist und der zu Bedenken gibt, dass es weitere Auswirkungen hat, wenn Profis immer früher anfangen und dann immer früher auch aufhören müssen: „Ich suche besonders die Führungsspieler für eine Mannschaft und die kristallisieren sich oft erst mit 26 bis 32 Jahren her­aus.“ Peters Fazit: „Niemand kann den Kampf gegen die Natur gewinnen.“

    Debütant muss mindestens 17 sein

    Weil aber doch immer mehr genau das versuchen, gibt es in Deutschland die Regel, dass angehende Profis mindestens 17 Jahre bei ihren Bundesligadebüts sein müssen. Die einzige Ausnahme: Nuri Sahin, der 2005 als fast 17-Jähriger für Borussia Dortmund auflaufen durfte. „Grundsätzlich halte ich die Regelung in Deutschland für richtig“, sagt Peters. „Im Hockeysport ist die Regel übrigens die gleiche wie im Fußball: Ligadebüts gibt es erst ab 17 Jahren.“

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    In der 83. Minute jubelte Wolfsburg über den Siegtreffer durch Mario Gomez
    In der 83. Minute jubelte Wolfsburg über den Siegtreffer durch Mario Gomez © Imago/foto2press
    Schiedsrichter Felix Zwayer zeigt Albin Ekdal (HSV) zunächst die Gelbe Karte
    Schiedsrichter Felix Zwayer zeigt Albin Ekdal (HSV) zunächst die Gelbe Karte © WITTERS | ValeriaWitters
    Der Trip nach Wolfsburg begann für den HSV mit einer Hiobsbotschaft: Johan Djourou verdrehte sich beim Aufwärmen das Knie
    Der Trip nach Wolfsburg begann für den HSV mit einer Hiobsbotschaft: Johan Djourou verdrehte sich beim Aufwärmen das Knie © Witters
    Für den Schweizer war ein Einsatz unmöglich
    Für den Schweizer war ein Einsatz unmöglich © Witters
    Für den Innenverteidiger rückte Winter-Neuzugang Kyriakos Papadopoulos (im Hintergrund) kurzfristig in die Startelf
    Für den Innenverteidiger rückte Winter-Neuzugang Kyriakos Papadopoulos (im Hintergrund) kurzfristig in die Startelf © Witters
    Dem Teamgeist tat die Umstellung keinen Abbruch
    Dem Teamgeist tat die Umstellung keinen Abbruch © Witters
    Und
    Und "Papa" löste seine Aufgaben wie hier gegen Yunus Malli mit gewohnt hoher Einsatzbereitschaft © Witters
    Auch der neue Abwehrchef Mergim Mavraj flog voller Leidenschaft über den Platz
    Auch der neue Abwehrchef Mergim Mavraj flog voller Leidenschaft über den Platz © Witters
    Auch Albin Ekdal flog – allerdings vom Platz. Der Schwede kassierte schon in der 33. Minute die Gelb-Rote Karte
    Auch Albin Ekdal flog – allerdings vom Platz. Der Schwede kassierte schon in der 33. Minute die Gelb-Rote Karte © dpa
    Schiedsrichter Felix Zwayer kannte keine Gnade
    Schiedsrichter Felix Zwayer kannte keine Gnade © Imago/Contrast
    Da nützte alles Reklamieren nichts
    Da nützte alles Reklamieren nichts © Imago/foto2press
    Das Kartenspiel war eindeutig
    Das Kartenspiel war eindeutig © Witters
    Zuvor hatte sich der HSV mit Mann und Maus gegen einen Gegentreffer gewehrt
    Zuvor hatte sich der HSV mit Mann und Maus gegen einen Gegentreffer gewehrt © Witters
    HSV-Trainer Markus Gisdol (l., mit Teammanager Tobias Hauke) bei der Ankunft im Wolfsburger Stadion
    HSV-Trainer Markus Gisdol (l., mit Teammanager Tobias Hauke) bei der Ankunft im Wolfsburger Stadion © WITTERS | ValeriaWitters
    Zum Rückrundenabschluss nominierte er erstmals Talent Vasilije Janjicic in den Bundesligakader
    Zum Rückrundenabschluss nominierte er erstmals Talent Vasilije Janjicic in den Bundesligakader © WITTERS | ValeriaWitters
    Der neue Abwehrchef Mergim Mavraj ist dagegen ein alter Hase
    Der neue Abwehrchef Mergim Mavraj ist dagegen ein alter Hase © WITTERS | ValeriaWitters
    Hier dachte Neuzugang Kyriakos Papadopoulos (r., mit Filip Kostic) noch an einen Platz auf der Bank
    Hier dachte Neuzugang Kyriakos Papadopoulos (r., mit Filip Kostic) noch an einen Platz auf der Bank © WITTERS | ValeriaWitters
    Die Wolfsburger Sitzgelegenheiten wurden derweil von zwei weiteren HSVern in neuen Positionen ausgetestet: Sportchef Jens Todt (l.) und Pressesprecher Till Müller
    Die Wolfsburger Sitzgelegenheiten wurden derweil von zwei weiteren HSVern in neuen Positionen ausgetestet: Sportchef Jens Todt (l.) und Pressesprecher Till Müller © WITTERS | ValeriaWitters
    Ansonsten hatte Todt auch in Wolfsburg stets sein Handy griffbereit – ein defensiver Mittelfeldspieler wird noch gesucht
    Ansonsten hatte Todt auch in Wolfsburg stets sein Handy griffbereit – ein defensiver Mittelfeldspieler wird noch gesucht © Getty Images
    Und noch ein Neuer: HSV-Vorstandsboss Heribert Bruchhagen setzte sich auf die Tribüne
    Und noch ein Neuer: HSV-Vorstandsboss Heribert Bruchhagen setzte sich auf die Tribüne © Witters
    Bei Wolfsburg gab Stürmer Paul-Georges Ntep sein Bundesliga-Debüt
    Bei Wolfsburg gab Stürmer Paul-Georges Ntep sein Bundesliga-Debüt © Witters
    Der Franzose beschäftigte HSV-Kapitän Gotoku Sakai zur Genüge
    Der Franzose beschäftigte HSV-Kapitän Gotoku Sakai zur Genüge © Getty Images
    Engagiert an der Seitenlinie: Wolfsburgs Trainer Valerien Ismael
    Engagiert an der Seitenlinie: Wolfsburgs Trainer Valerien Ismael © dpa
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    Im Ausland ist das anders. In der Türkei durfte gerade erst Mustafa Kapi im zarten Alter von 14 Jahren für die Profis von Galatasaray Istanbul ran. Es war zwar nur ein Test – aber in den türkischen Medien wurde der Teenager direkt als kommender Paul Pogba gefeiert. Der Vergleich mit dem teuersten Spieler aller Zeiten ist alleine deswegen kurios, weil Pogba als echter Spätzünder gilt. Als 18-Jähriger konnte sich der Franzose nicht bei Manchester United durchsetzen, woraufhin er ablösefrei zu Juventus Turin wechselte. Erst als Twen reifte Pogba in Italien immer mehr zum Weltklassespieler heran, ehe er im vergangenen Sommer für 105 (!) Millionen Euro zurück zu ManU wechselte.

    Nun ja, Geduld ist bekanntlich eine Tugend. Sagt man zumindest.