Hamburg. Papadopoulos debütierte mit 15 Jahren, Gregoritsch schoss mit 15 Jahren das erste Profitor. Doch bedeutet immer jünger auch besser?
Man ist so alt wie man sich fühlt. Sagt man zumindest. Und wenn das tatsächlich stimmt, dann dürfte Kyriakos Papadopoulos am Montag noch immer jenseits der 35 Jahre alt gewesen sein. Auch zwei Tage nach seinem HSV-Debüt beim 0:1 in Wolfsburg fühlte der Grieche jede einzelne Phase seines theoretisch blutjungen Körpers, der zuletzt ganz praktisch vor mehr als zehn Monaten 90 Minuten lang in der Bundesliga auf dem Platz stand. Seinerzeit im Trikot von Bayer Leverkusen. Der Gegner am 13. März: nur der HSV.
In Wahrheit ist Papadopoulos natürlich nicht 35 Jahre alt. Der Abwehrmann ist 24, was insofern verwundert, als dass der noch immer ziemlich junge Grieche bereits für den HSV, Leipzig, Leverkusen und Schalke 04 in der Bundesliga unter Vertrag stand, zudem bei Olympiakos Piräus in Griechenlands Erster Liga spielte.
Dort, in Piräus, begann Papadopoulos frühreife Karriere im zarten Alter von 15 Jahren und 283 Tagen als Ersatzspieler beim 3:1-Sieg über Atromitos. Der 1,85 Meter große Hüne mit dem Babygesicht ist seitdem Griechenlands jüngster Erstligaspieler aller Zeiten. „Es war ein enormer Sprung, der mich aber sehr geprägt hat“, sagte Papadopoulos später, als er berichten musste, wie es so ist, mit 15 Jahren aus dem Heimatdorf Katerini ins 600 Kilometer entfernte Piräus zu ziehen. Die Antwort in nur einem Wort: hart. In zwei Wörtern: sehr hart.
Peters hält wenig vom Jugendwahn
Papadopoulos ist nicht der einzige Frühreife beim HSV, der als Teenager auszog, um die Welt zu erobern. Der Schwede Albin Ekdal und der Japaner Gotoku Sakai spielten erstmals mit 17 Jahren in ihren jeweiligen Heimatligen, Alen Halilovic debütierte in Kroatiens ersten Liga sogar mit 16 Jahren. Noch jünger war außer Papadopoulos nur Michael Gregoritsch, der mit 15 Jahren, elf Monaten und 27 Tagen in Österreichs Bundesliga debütierte – und direkt sein erstes Tor erzielte.
„Das war natürlich ein unvergesslicher Moment“, erinnerte sich Gregoritsch kürzlich in einem Abendblatt-Interview. „Ich war ja im Sportinternat. Klar haben wir mein Tor abends in der WG rauf und runter besprochen. Dass dieser Treffer wirklich besonders war, habe ich aber erst am nächsten Tag verstanden, als mir sogar mein Deutschlehrer gratulierte. Der war sonst immer sehr zurückhaltend mit Lob.“
Zurückhaltend in der Thematik ist auch HSV-Sportdirektor Bernhard Peters, der nicht viel von dem derzeitigen Jugendwahn hält. „Ich sehe es mit gemischten Gefühlen, dass Fußballprofis heutzutage immer jünger werden. Auf der einen Seite gibt es Überflieger wie Papadopoulos oder Gregoritsch, die eine spezielle Sozialisierung haben und bereits in ganz jungen Jahren absolute Top-Performer sind. Auf der anderen Seite ist die Mehrzahl der Talente mit 15 oder 16 Jahren einfach noch nicht so weit“, sagt Peters, der daran erinnert, dass wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge Talente rund 10.000 Übungsstunden brauchen, ehe sie ausgereift sind für den Schritt in den Herrenbereich. „Unabhängig vom physischen sind die Teenager oft auch psychisch noch nicht genügend vorbereitet auf den enormen Druck im Hochleistungssport“, sagt Peters.
Peters nimmt Jungprofis den Druck
99,97 Prozent der rund sechs Millionen Fußballer in Deutschland sind keine Profis und werden es auch nie. Schon gar nicht, wenn sie zu alt sind – oder nach landläufiger Meinung als zu alt gelten. So gibt es 515 Lizenzspieler in Deutschland, die im Schnitt 25,5 Jahre jung sind. „Ich halte gar nichts von der allgemeinen Meinung, dass es ein Talent mit 17 Jahren oder 18 Jahren bei den Profis geschafft haben muss. Auf diesen unnötigen Druck verzichten wir beim HSV gerne“, sagt Peters.
Untersuchungen zufolge lag das Hochleistungsalter im Fußball früher zwischen 25 und 30 Jahren, heute soll es zwischen 20 und 25 liegen. Zeit zum Ausbilden bleibt so kaum, was Peters äußerst kritisch sieht: „Viele Talente, die sehr früh angefangen haben, sind leider auch sehr früh mit den Kräften vom Kopf und den Beinen am Limit. Wer immer früher einsteigt, der steigt leider auch oft früher wieder aus“, sagt der Sportdirektor, der beim HSV für die Nachwuchsförderung verantwortlich ist und der zu Bedenken gibt, dass es weitere Auswirkungen hat, wenn Profis immer früher anfangen und dann immer früher auch aufhören müssen: „Ich suche besonders die Führungsspieler für eine Mannschaft und die kristallisieren sich oft erst mit 26 bis 32 Jahren heraus.“ Peters Fazit: „Niemand kann den Kampf gegen die Natur gewinnen.“
Debütant muss mindestens 17 sein
Weil aber doch immer mehr genau das versuchen, gibt es in Deutschland die Regel, dass angehende Profis mindestens 17 Jahre bei ihren Bundesligadebüts sein müssen. Die einzige Ausnahme: Nuri Sahin, der 2005 als fast 17-Jähriger für Borussia Dortmund auflaufen durfte. „Grundsätzlich halte ich die Regelung in Deutschland für richtig“, sagt Peters. „Im Hockeysport ist die Regel übrigens die gleiche wie im Fußball: Ligadebüts gibt es erst ab 17 Jahren.“
HSV verliert in Wolfsburg:
Unglückliche HSV-Reise nach Wolfsburg
Im Ausland ist das anders. In der Türkei durfte gerade erst Mustafa Kapi im zarten Alter von 14 Jahren für die Profis von Galatasaray Istanbul ran. Es war zwar nur ein Test – aber in den türkischen Medien wurde der Teenager direkt als kommender Paul Pogba gefeiert. Der Vergleich mit dem teuersten Spieler aller Zeiten ist alleine deswegen kurios, weil Pogba als echter Spätzünder gilt. Als 18-Jähriger konnte sich der Franzose nicht bei Manchester United durchsetzen, woraufhin er ablösefrei zu Juventus Turin wechselte. Erst als Twen reifte Pogba in Italien immer mehr zum Weltklassespieler heran, ehe er im vergangenen Sommer für 105 (!) Millionen Euro zurück zu ManU wechselte.
Nun ja, Geduld ist bekanntlich eine Tugend. Sagt man zumindest.