Wolfsburg/Hamburg. Trotz zweier guter Premieren bekräftigt das 0:1 in Wolfsburg den akuten Handlungsbedarf in der HSV-Defensive.
Er war müde. Sehr müde. Auch am Sonntagvormittag, 20 Stunden nach seinem Pflichtspieldebüt für den HSV, wollte der „Papa“ nur eines: sich ausruhen. Und der „Papa“, besser bekannt als Kyriakos Papadopoulos, durfte sich ausruhen. Ein bisschen Rehatraining auf dem Ergometer, ein bisschen Körperpflege in Form von Massagen, viel mehr war für den Neuzugang an seinem ersten Sonntag als Mitarbeiter des HSV nicht möglich.
Für sein neues Team wäre tags zuvor mehr möglich gewesen als eine 0:1 (0:0)-Niederlage beim direkten Konkurrenten um den Klassenerhalt, dem VfL Wolfsburg. Doch ein früher Platzverweis für Albin Ekdal (33.) und ein spätes Gegentor durch Mario Gomez (83.) verdarben dem HSV den Auftakt in das Bundesligajahr 2017. „Es tut total weh, das Spiel so zu verlieren“, sagte Sportchef Jens Todt. Während sich Wolfsburg durch den Sieg in der Tabelle vom HSV absetzte, bleiben die Hamburger auf Platz 16 mit drei Punkten Rückstand auf dem ersten Nichtabstiegsplatz.
Unglückliche HSV-Reise nach Wolfsburg
Dass der HSV das Spiel vor 30.000 Zuschauern in der ausverkauften Volkswagen Arena auch in Unterzahl lange offenhalten konnte, lag neben einem harmlosen VfL vor allem an dem Mann, den Todt erst fünf Tage zuvor in Hamburg präsentiert hatte: dem „Papa“. An der Seite des ebenfalls stark aufspielenden Neuzugangs Mergim Mavraj sorgte Papadopoulos dafür, dass Wolfsburg sich trotz der millionenschweren Offensive um Nationalstürmer Gomez und den Neuzugängen Yunus Malli und Paul-Georges Ntep kaum ein Torchance erspielte. „Papa und Mergim haben es hinten klasse zusammen gemacht“, sagte Trainer Markus Gisdol.
HSV-Ass „Papa“ trotzt den Krämpfen
Erst fünf Minuten vor dem Anpfiff hatte Papadopoulos von seinem HSV-Debüt erfahren. Weil sich Johan Djourou beim Warmschießen eine Innenbandzerrung im Knie zugezogen hatte – er wird in den kommenden Tagen pausieren –, musste der von RB Leipzig ausgeliehene Verteidiger früher als geplant von Beginn an zum Einsatz kommen. „Das letzte Mal, dass ich 90 Minuten gespielt habe, ist schon vier oder fünf Monate her. Das war ein Länderspiel gegen Bosnien, da bin ich dann aber nach 85 Minuten vom Platz geflogen“, sagte der griechische „Rechenkünstler“.
In Wolfsburg spielte Papadopoulos präzise gerechnet 92 Minuten. Obwohl ihn am Ende Krämpfe plagten, kämpfte sich der 24-Jährige mit bedingungslosem Einsatz durch den Nachmittag. Dabei flog der frühere Schalker zumeist knapp über der Grasnarbe in die Zweikämpfe oder im Superman-Stil in zahlreiche Luftduelle. Mit einem Kopfball-Klärungsversuch aus der eigenen Hälfte verbuchte er sogar einen offiziellen Torabschluss in der DFL-Statistik. „Ich bin echt stolz auf ihn“, sagte Kapitän Gotoku Sakai.
Todt sucht die Wollmilchsau
Trotz des guten Einstands von Papadopoulos machte die zehnte Saisonniederlage eines deutlich: Ein Papa ist nicht genug. Die Personallage im Defensivzentrum hat sich durch Djourous Verletzung und Ekdals Sperre verschärft. Daran ändert auch die Rückkehr von Gideon Jung in das Training am Dienstag nichts. Nominell hat Trainer Gisdol für das nächste Kellerduell in Ingolstadt keinen gelernten Sechser mehr im Kader.
Sportchef Todt fahndet bereits seit seinem Amtsantritt vor zweieinhalb Wochen nach einem Neuzugang im defensiven Mittelfeld, der notfalls auch in der Abwehr aushelfen kann. „Die Suche ist nicht einfach. Eine Eier legende Wollmilchsau suchen viele“, sagte Todt am Sonntag nach seinem ersten Spiel als HSV-Manager. „Wir verfallen jetzt nicht in Aktionismus. Wir wollen eine vernünftige Lösung finden und uns nicht drängen lassen.“
Holtby zollt Abwehrduo Respekt
Doch die Zeit drängt. Am Dienstag in einer Woche schließt das Wintertransferfenster. Auf einen Neuzugang auf dieser Position wie schon im Sommer zu verzichten könnte angesichts der Tabellenlage fatale Folgen haben. Auch wenn der HSV in Wolfsburg zeigte, dass es innerhalb des Teams stimmt. „Es ist Leben in der Mannschaft, das hat man gesehen“, sagte Todt.
Zumindest in der Innenverteidigung hat der HSV seit Wolfsburg die Gewissheit, mit Mavraj und Papadopoulos zwei Sofortverstärkungen gefunden zu haben. „Die beiden sind so aufgetreten, als wenn sie dahinten schon seit fünf Jahren zusammenspielen würden“, sagte Lewis Holtby. Auch Mavraj war nach seiner Pflichtspielpremiere im HSV-Trikot trotz der Niederlage zufrieden mit seinem neuen Nebenmann. „Wir haben es schon ganz gut gemacht.“ Allein der Ertrag fehlte. „Wir mussten unseren Mann stehen“, sagte Mavraj. „Es wurde nur leider nicht belohnt.“