“Transfers genießen oberste Priorität“, sagt Todt, der bereits mit Kühne telefoniert hat. Auf ihn wartet ein Berg an Arbeit.
Als der Flieger des HSV in Dubai eintraf, war einer schon da: Jens Todt reiste aus dem Urlaub in Südostasien direkt in den Wüstenstaat und wartete dort auf seinen neuen Arbeitgeber. Vor Ort klärten die Hamburger letzte Vertragsdetails: Todt ist jetzt auch offiziell neuer Sportchef beim Bundesliga-Dino und erhält einen Zweijahresvertrag. "Die Zeit rennt, ich will schnellstmöglich den Trainerstab und die Mannschaft intensiv kennenlernen", sagt der 47-Jährige.
„Ich habe das sichere Gefühl, dass Jens Todt aufgrund seiner Vita sehr gut zu Markus Gisdol und mir passt“, sagt der HSV-Vorstandsvorsitzende Heribert Bruchhagen, der in den vergangenen Tagen im permanenten Austausch mit Gisdol und Todt stand. „Es ist etwas Besonderes für mich, beim HSV Verantwortung zu übernehmen. Ich freue mich sehr auf diese anspruchsvolle Aufgabe und bin bereit, meinen Beitrag zu leisten“, sagt Todt, der schon einmal von 2008 bis 2009 als Nachwuchschef beim HSV angestellt war. "Ich bin der Aufgabe gewachsen."
Die HSV-Sportchefs in diesem Jahrtausend
Gisdol, der zuletzt Vertragsgespräche mit potenziellen neuen Spielern geführt hatte, kann sich ab sofort voll auf die Saisonvorbereitung konzentrieren. "Es ist sehr wichtig, dass er da ist und er voll reinhauen kann, um mich ums Team herum auch etwas zu entlasten. Ich glaube, es ist eine gute Entscheidung“, sagte der Coach bereits vor der Abreise in den Wüstenstaat am Hamburger Flughafen.
Knapp 100.000 Euro Ablöse für Todt
Bruchhagen hat sich mit dem Karlsruher SC, wo Todt zwar freigestellt war, aber noch unter Vertrag stand, auf eine Ablöse geeinigt. Sie liegt nach Abendblatt-Informationen bei etwas mehr als 100.000 Euro und soll im Zuge eines Freundschaftsspiels bezahlt werden. KSC-Präsident Ingo Wellenreuther bezifferte bei „Sky“ die „Gesamtentlastung“ für seinen Verein auf 400.000 Euro, weil Todt beim Zweitligisten bis zum Sommer noch knapp 300.000 Euro an Gehalt bezogen hätte.
Welchen Defensivspieler holt Todt zum HSV?
Für Todt, der zuletzt mit seiner Familie durch Kambodscha, Thailand und Singapur tourte, ist der Urlaub damit vorbei. Der Nachfolger des im Mai 2016 entlassenen Peter Knäbel hat einen Berg an Arbeit vor sich. Im Trainingslager in Dubai wird sein Telefon glühen, denn er muss als eine seiner ersten Amtshandlungen die von Trainer Markus Gisdol geforderten Verstärkungen für die anfällige Defensive verpflichten. Mindestens ein Innenverteidiger und ein defensiver Mittelfeldspieler sollen noch kommen. Mit Investor Klaus-Michael Kühne habe er deshalb bereits telefoniert.
So bereitet sich der HSV in der Wüste auf die Rückrunde vor
Im Gespräch für die Abwehr sind unter anderem die Reservisten Kyriakos Papadopoulos (RB Leipzig), Neven Subotic (Borussia Dortmund) und Wesley Hoedt (Lazio Rom). Nur Außenseiterchancen hat der HSV wohl bei Timm Klose (Norwich City), der plötzlich wieder Stammspieler in der Zweiten englischen Liga ist. "Die Transferperiode genießt oberste Priorität", weiß Todt. "Wintertransfers sind die schwersten. Jeder möchte einen vollintegrierten Spieler, der jede Partie in der Hinrunde gespielt hat." In den nächsten Tagen werde daher noch kein weiterer Neuzugang unter Dach und Fach gebracht werden können.
Macht Halilovic den Abflug?
Möglicherweise wird der eine oder andere Spieler den HSV auch noch im Januar verlassen. Aaron Hunt soll sich aktiv nach einem neuen Club umsehen, über Fünf-Millionen-Flop Alen Halilovic kursieren ohnehin zahlreiche Wechsel-Gerüchte. Gerade mal 137 Minuten stand der im Sommer mit großem Hype vom FC Barcelona geholte Kroate in der Hinrunde auf dem Platz. Wie Todt jetzt bestätigt hat, ist Halilovic gemeinsam mit seinem Berater auf den neuen Sportchef zugegangen, um seinen Wechselwunsch zu äußern.
Todt würde dem quirligen Spielmacher bei einem Vereinswechsel keine Steine in den Weg legen. "Bei Halilovic ist eine Leihe denkbar, er ist ein junger Spieler mit großem Potenzial", so Todt, der aber auch klarstellt: "Wir müssen keine Spieler abgeben. Wenn aber jemand mit seinen Einsatzzeiten oder mit anderen Dingen nicht zufrieden ist, wird er auf mich zukommen."
Wenn das Transferfenster am 31. Januar schließt und die Rückrunde bereits gestartet ist, muss sich Todt in Zusammenarbeit mit Gisdol überlegen, welche Spieler der Verein über den Sommer hinaus halten will. Mit René Adler, Johan Djourou, Matthias Ostrzolek, Emir Spahic laufen die Verträge von vier Profis zum Saisonende aus, wobei Letzterer nach seinem Rauswurf einen Auflösungsvertrag angeboten bekommen hat. Ein Jahr später enden unter anderem die Kontrakte von Lewis Holtby, Nicolai Müller, Dennis Diekmeier und Aaron Hunt. Werden ihre Arbeitspapiere nicht verlängert, wäre im Sommer wohl die letzte Chance, noch eine Ablöse zu kassieren.
Todt wirtschaftete beim KSC solide
Zu seiner Zeit in Karlsruhe bewies Todt, dass er die Waage zwischen Einnahmen und Ausgaben halten kann. Eine Million Euro Erlöse standen Kosten von 550.000 Euro in seiner Premierensaison 2013/14 zu Buche. Ein Jahr später gab er 1,15 Millionen für Neuzugänge aus, ohne Einnahmen aus Spielertransfers zu generieren. Die Saison darauf erwirtschaftete Todt dank der Königstransfers von Philipp Max (3,8 Millionen/FC Augsburg) und Rouwen Hennings (2,5 Millionen/FC Burnley) 6,4 Millionen und verpflichtete lediglich ablösefreie Spieler.
In diesem Sommer gab der Sportchef beim KSC mit 2,3 Millionen genauso viel Geld für Neuzugänge aus wie er durch Verkäufe einnahm. "Aus einem Zweitligisten mit mittelmäßigen wirtschaftlichen Möglichkeiten etwas zu machen, ist eine schwierige Aufgabe", unterstreicht der Europameister von 1996 .
Auch wenn ihm in Hamburg andere finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, soll Todt den unter Bruchhagen neu verordneten Sparkurs umsetzen. Selbst wenn die Verträge von Johan Djourou (1,8 Millionen) oder René Adler (2,7 Millionen) verlängert werden sollten, dann wohl nur zu deutlich reduzierten Bezügen. Gelingt der Kurswechsel unter Todt und Bruchhagen, könnte auch die eine oder andere Dienstreise nach Mallorca zu Investor Klaus-Michael Kühne eingespart werden.