Hamburg/Frankfurt/M. Vor dem Frankfurt-Spiel spricht der Eintracht-Vorstand über seinen HSV-Kollegen Beiersdorfer, Kühne und erholsame Arbeitslosigkeit.
In 19 Spielen als Stürmer erzielte Fredi Bobic für Stuttgart, Dortmund, Hertha und Hannover 14 Tore gegen den HSV, er traf als Stuttgarter Sportchef auf Hamburg und gastiert an diesem Freitag (20.30 Uhr/Sky) erstmals als Frankfurter Vorstand Sport mit der Eintracht im Volkspark. Zuvor sprach das Abendblatt mit dem 44-Jährigen, der im Sommer für gerade einmal 2,6 Millionen Euro eingekauft und für elf Millionen Euro verkauft hat, über Frankfurts überraschenden Erfolg und Eintrachts Kaderplaner, der eigentlich seit Sommer beim HSV unter Vertrag stehen sollte.
Herr Bobic, gegen die Bayern hat die Eintracht in Unterzahl noch das 2:2 erzielt. Da drängt sich die Frage auf, mit wie vielen Spielern die Eintracht gegen den HSV antreten wird ...
Fredi Bobic: Ja ja, schon klar. Vielleicht darf ich Sie daran erinnern, dass wir in Freiburg und Darmstadt ein ganz anderes Gesicht gezeigt haben. Den HSV, das ist jetzt keine Höflichkeitsfloskel, werden wir nicht nach seinem Tabellenplatz beurteilen. Um Ihre Frage zu beantworten: Ich bin dann doch für elf Männer (lacht).
Trotzdem ist der Trend positiv. Wie hat Trainer Niko Kovac, die Mannschaft so schnell in den Griff bekommen?
Niko macht seinen Job ohne Ängste. Brutal zielstrebig, geradlinig und vor allem ehrlich gegenüber der Mannschaft und dem Umfeld. Auch unangenehme Dinge scheut er nicht anzusprechen. Diese Unabhängigkeit und daraus resultierende Authentizität, das finden Sie nicht überall in der Liga.
Kovac hatte es als Retter einfacher als Sie. Nachdem Sie den Job im Juli angefangen hatten, gab es Diskussionen um Ihre Transferpolitik, Stichwort Multikultitruppe. Fühlen Sie sich jetzt bestätigt?
Erst mal fand ich diese Diskussion unnötig. Ob ein Spieler Qualität hat oder nicht, darum geht es. Wir hatten zweitens den Vorteil einer sehr langen Vorbereitung und konnten die Zeit nutzen, wirklich jeden Stein umzudrehen. Das betraf im wahrsten Sinne des Wortes angestaubte Räume wie den Kraftraum oder die Küche, aber auch die Besetzung des sportlichen Kompetenzteams.
Wer ist „wir“?
Damit meine ich Niko, Sportdirektor Bruno Hübner und unseren Scout und Kaderplaner Ben Manga ...
... der auch eine – sehr kurze – HSV-Karriere in seiner Vita hat.
Stimmt, er hatte schon in Hamburg für diese Saison zugesagt. Als aber Peter Knäbel wegging und klar war, dass ich nach Frankfurt gehe, wollte er gerne mit mir zusammenarbeiten. Ich bin Didi Beiersdorfer dankbar, dass er ihn aus seinem Versprechen entließ. Das spiegelt unser Vertrauensverhältnis wider.
Hübner, Manga, Sie – wie funktioniert das?
Für Transfers bin natürlich ich am Ende des Tages verantwortlich. Trotzdem besprechen wir alles zusammen. Wir pflegen eine Kultur der offenen Türen, um strategisch voranzukommen. Als Vorstand Sport sind sie in gewisser Weise das Gesicht des Vereins und automatisch sehr viel in der Stadt unterwegs, auch mit anderen Aufgaben beschäftigt. Da geht es nur über Teamwork. Allein kann man es nicht schaffen.
Das wäre unsere nächste Frage gewesen.
Ich könnte es ohne Unterstützung machen, aber irgendwann daran zerbrechen, meine Fehlerquote würde ansteigen. Ich erinnere mich an eine Phase in Stuttgart, als es vier Monate lang weder einen Präsidenten noch einen Sportdirektor gab. Gefühlt hast du alles machen müssen, da blieb bei den vielen Aufgaben rechts und links zu wenig Zeit für das Kerngeschäft. Den Fußball.
Sie erwähnten eben Ihr gutes Verhältnis zu Beiersdorfer. Wie bewerten Sie dann die derzeitige Konfiguration beim HSV?
Er macht ja gefühlt derzeit alles. Gute Leute an deiner Seite zu finden, ist nicht so einfach, wie man vielleicht glaubt. Auf der anderen Seite weiß Didi selbst, dass er noch Unterstützung braucht, er kann das nicht alleine stemmen. Dabei möchte ich betonen, dass ich ihn nicht nur als Mensch mag, sondern auch seine geleistete Arbeit schätze. Er hat eine schwierige Mission bei einem Traditionsclub, der manchmal noch in anderen Sphären zu schweben scheint und sich auch den Realitäten stellen muss.
Sie prüfen derzeit den Verkauf von Clubanteilen. Würden Sie sich auch einen Investor wie Klaus-Michael Kühne wünschen?
Während meiner freien Zeit zwischen den Engagements in Stuttgart und Frankfurt war ich häufig in England und habe dort sehr interessante Menschen kennengelernt, die das sehr professionell handhaben, sich aber aus dem operativen Geschäft raushalten, das ist das Wichtigste. Du musst grundsätzlich einen Investor pflegen, ihn anhören und kannst auch von ihm lernen. Nicht umsonst ist er ja mit seiner großen Firma so erfolgreich. Aber am Ende des Tages, wenn es um das Fußballgeschäft geht, ist das die Sache der Verantwortlichen im Verein.
Noch mal nachgehakt: Hätten Sie nun Kühne gerne oder nicht?
Wenn ich mehr Geld haben könnte, würde ich mich immer freuen. Ich kenne Herrn Kühne aber nicht persönlich, maße mir deshalb kein Urteil an.
Der Markt hat heftig angezogen, alle forschen nach neuen Geldquellen. Wie kommen Vereine wie Frankfurt und der HSV in diesem Wettbewerb voran?
Du musst als Verein insgesamt wachsen. Zu sagen: Ich bekomme jetzt 50 Millionen Euro, und dann läuft’s – nein, so funktioniert das nicht, das ist ein Irrglaube. Du musst gesund wachsen, deine Struktur aufbauen und sukzessive dein Budget steigern, das geht immer Hand in Hand.
Sind nicht gerade Frankfurt und Köln die besten Beispiele, dass man keinen Investor braucht, sondern gute Arbeit?
Aktuell ist es doch so: Wenn es uns wie geplant gelingt, unsere jungen Spieler besser zu machen, werden wir sie irgendwann veräußern müssen, wenn der „große Hai“ kommt und sich dem Spieler woanders ein Gehaltssprung und der nächste sportliche Schritt bietet. Natürlich können wir uns dann auf die Schulter klopfen und uns loben: guter Job. Nur, wir wollen ja auch wachsen und irgendwann in Regionen kommen, in denen es spannend sein kann.
Also erst gesundwachsen und dann doch mit einem Investor den nächsten Schritt nach oben angehen?
Das kann ein Investor sein, aber auch ein guter Partner aus dem Sponsoring. Dies ist aber ein langer, harter Prozess, inklusive Kontinuität bei den Handlungsträgern. Alle müssen an einem Strang ziehen, besonders dann, wenn es sportlich nicht läuft.
In Stuttgart haben Sie die Zeit nicht bekommen. Sie waren recht lange im Wartestand. Hat das nicht irgendwann ...
... ich fand es schön (lacht).
Wurden Sie nicht ungeduldig?
14 Tage nach meiner Beurlaubung saß ich mit meiner Frau in einem Café in Berlin. Sie zeigte mir zwei Fotos: Eines, das sie Sekunden vorher heimlich von mir geschossen hatte. Richtig erholt sah ich da aus. Und ein sechs Wochen altes Porträt von mir, als man mir die Vollspannung ansah, so ähnlich wie bei Klaus Allofs am letzten Spieltag. Mir ist es ganz gut gelungen, loszulassen.
Und dann?
War ich sehr viel unterwegs, habe meine Netzwerke verfestigt und ausgebaut, ob in London, Madrid, Manchester oder auch in den USA, wo ich mir drei Monate die Strukturen nicht nur von Fußballclubs angeschaut habe. Der Fußball verändert sich immer schneller, da musst du die Menschen kennen, Vertrauen aufbauen. Auch deshalb ist es uns im Sommer gelungen, für 2,6 Millionen Euro zehn Spieler zu holen – manche natürlich auf Leihbasis.
Wie schützen Sie sich jetzt vor dem eben erwähnten Stress?
Mit dem Sinn für die Realität. Ich mag keine Leute, die hinterher rumheulen. Du kannst einen noch so langen Vertrag unterschreiben und morgen trotzdem weg sein. Der Job ist so, wie er ist.