Hamburg. 20-Jähriger darf nicht auf seiner Lieblingsposition ran. Fans zweifeln an Labbadias Umgang mit Talenten – die Historie besagt anderes.

Bruno Labbadia redet viel, immer wieder nimmt er sich Bakery Jatta zur Seite, erklärt, gestikuliert. Dann ist Finn Porath an der Reihe, Luca Waldschmidt, jeder ist mal dran. So ist es regelmäßig beim HSV-Training zu beobachten. Der Trainer ist auch Pädagoge, Fußballlehrer heißt es nicht umsonst. „Der Begriff Entwickler trifft es am besten“, beschreibt Labbadia selbst seinen Anspruch.

„Spieler besser machen“ ist eine der großen Aufgaben eines Bundesligatrainers. Dabei dennoch den maximal möglichen Erfolg in der gnadenlosen Eliteklasse zu erreichen die hohe Kunst. Nicht weniger ist von Labbadia in dieser Saison gefordert. Als er Mitte April 2014 zum zweiten Mal nach 2009 beim HSV anheuerte ging es nur um den Klassenerhalt, im Vorjahr um die Konsolidierung und die Einleitung des Umbruchs. Jetzt geht es um Weiterentwicklung. „Wir haben bewusst Spieler geholt, die ihren Leistungshöhepunkt noch vor sich haben“, sagt Clubchef Dietmar Beiersdorfer, „damit schaffen wir Werte, die dem HSV zugute kommen“. So der Plan.

Hitzige Fan-Debatte wegen Halilovic

In der Fanszene gibt es allerdings viele Zweifler, die Bruno Labbadia genau diese Aufgabe nicht zutrauen. Er könne nicht mit jungen Spielern, lautet ein stets wiederholte Meinung über den HSV-Coach. Aktuell entzündet sich die Diskussion vor allem an Alen Halilovic, dem 20 Jahre alten Talent aus Kroatien, das für fünf Millionen Euro aus Barcelona verpflichtet wurde. Halilovic würde gerne als zentraler Spielmacher auflaufen, wurde von Labbadia in den bisherigen Testspielen aber fast ausschließlich rechtsaußen eingesetzt. „Er und Luca Waldschmidt sind talentierte Spieler, die eine gewisse Klasse mitbringen“, sagte Labbadia, mehr aber sieht er in den beiden noch nicht – Entwicklungsspieler eben.

Labbadia hat Erfahrung mit Talenten

Seit 2003 hat Bruno Labbadia in fünf Vereinen als Cheftrainer gearbeitet und dabei natürlich viel mit jungen Talenten zu tun gehabt. So schaffte der alte Ivo Ilicevic unter ihm 2005 den Durchbruch bei Darmstadt 98 in der damals drittklassigen Regionalliga Süd. Ebenfalls bei Darmstadt entwickelte Labbadia den albanischen EM-Teilnehmer Mergim Mavraj (19), zu einem gestandenen Bundesligaverteidiger. „Ich bin Bruno Labbadia und seinem Co-Trainer Eddy Sözer für alles dankbar“, sagte der heutige Kölner: „Sie waren es, die mich in Darmstadt zu einem Profi geformt haben.“

In seiner Zeit bei der SpVgg Greuther Fürth (2007/08) waren die 21 Jahre alten Stephan Schröck, Juri Judt und Bernd Nehrig Stammspieler in der zweiten Liga. Der 20 Jahre alte Nicolai Müller kam dagegen nur fünf Mal zum Einsatz. Bei Bayer Leverkusen (2008/09) hatte Labbadia naturgemäß Toptalente ganz anderen Kalibers zur Verfügung. Gonzalo Castro (21) war bereits Nationalspieler, Arturo Vidal (21) auf dem Weg zum Topstar, der 20 Jahre alte Brasilianer Renato Augusto spielte unter Labbadia seine beste Bundesligasaison und war wegen der alten Verbindung im Vorjahr sogar beim HSV im Gespräch.

Labbadia kümmerte sich intensiv um den flinken Mittelfeldspieler, er entwickelte. „Spieler wie er brauchen, wenn sie jung sind eine gewisse Wärme“, sagte Labbadia. Richard Sukuta-Pasu, der 2008 als bester deutscher Nachwuchsspieler ausgezeichnet wurde, schaffte als 18-Jähriger unter Labbadia nicht den Sprung zu den Bayer-Profis – und auch anschließend nicht.

Didavi kritisierte einst Labbadia

2009/10 wurde Jerome Boateng bei Labbadias erstem HSV-Engagement zum Nationalspieler, andere junge Spieler wie Hanno Behrens, Sören Bertram, Maximilian Beister und Tolgay Arslan standen zwar im damaligen Kader, spielten aber praktisch keine Rolle. In Stuttgart (2010–2013) entwickelte Labbadia den talentierten Antonio Rüdiger zu einem Top-Verteidiger. Mittelfeldspieler Daniel Didavi kam dagegen nicht zum Zug, brillierte allerdings ausgeliehen 2012/13 beim 1. FC Nürnberg und kritisierte öffentlich fehlende Rückendeckung durch Labbadia: „Ich brauche Vertrauen – und das bekomme ich in Nürnberg.“

„Ich fordere viel und kann anstrengend sein. Ich weiß aber, dass das Positive überwiegen muss“, sagte der HSV-Trainer dem „Kicker“. Also redet er mit den jungen Spielern, will ausbilden. „Wir haben sehr, sehr viele Neue. Wir müssen einen Weg finden, sie zu integrieren, aber sie auch nicht überfordern.“ „Geduld“ brauche man, auch bei einem Spieler wie Alen Halilovic. Ob es die gibt, ist eine andere Sache. Ergebnisse stehen über allem. „Ein Ausbildungsverein werden wir nicht“, sagt Dietmar Beiersdorfer.