Hamburg. HSV-Investor Kühne will erneut viel Geld in den Club stecken. Ein Finanzierungsmodell muss her – und könnte gefunden sein.
Kreativität, so heißt es in einer Definition, bezeichnet die Fähigkeit eines Individuums oder einer Gruppe, in fantasievoller und gestaltender Weise zu denken und zu handeln. Ein Begriff also, den man im Zusammenhang mit dem HSV gleich mehrfach anwenden könnte. Sportlich, das zeigte der Bundesligist im Jahr 2016 in allen Heimspielen, wird jene Kreativität dringend benötigt. Und auch finanziell, das zeigt ein Blick in die Bilanz, braucht der HSV fantasievolles Denken. Denn Kreativspieler kosten Geld. Viel Geld. Geld, das der HSV nicht besitzt. „Unsere Möglichkeiten sind beschränkt“, sagte Vorstandsboss und Sportchef Dietmar Beiersdorfer in der vergangenen Woche. Finanzvorstand Frank Wettstein, dessen Kreativität angesichts von 90 Millionen Euro Verbindlichkeiten besonders gefordert ist, sagte vor Wochen: „Der HSV hat wirtschaftliche Kraft. Aber wir müssen auch investieren können.“
Was der Verein sportlich nicht schaffte, will einmal mehr Klaus-Michael Kühne übernehmen. Der Anteilseigner der HSV Fußball AG, der in sechs Jahren fast 70 Millionen Euro in den Club gesteckt hat, ist bereit, in dieser Transferperiode noch einmal eine erhebliche Summe zu investieren. Bis zu 50 Millionen Euro will der Fan Kühne dem Verein HSV zur Verfügung stellen, damit der Angriff auf die internationalen Plätze gelingt. So weit, so gut.
An dieser Stelle kommt wieder die Kreativität ins Spiel. Bei der Frage, in welcher Form der HSV die 50 Millionen verrechnen kann, ist gestaltende Denkweise gefragt. Klar ist im Moment nur eins: Einfach nehmen und ausgeben können die HSV-Bosse das Geld nicht. Deswegen arbeiten die Vorstände mit Kontrollchef Karl Gernandt und Kühne an einem Modell, mit dem der HSV die Summe investieren kann und welches kurz vor dem Abschluss stehen soll. Folgende Varianten sind denkbar:
Neues Darlehen: Hierbei würde es sich um eine wenig kreative Möglichkeit handeln. Bereits mehrfach hat Kühne dem HSV ein verzinstes Darlehen zur Verfügung gestellt. Für die Summe von 26,25 Millionen Euro zeichnete er schließlich elf Prozent Anteile an der AG. Würde der HSV einen ähnlichen Deal eingehen, würde Kühne am Ende möglicherweise hochgerechnet alle der noch zu veräußernden Anteile von 10,11 Prozent erwerben. Eine Lösung, die weder Kühne noch der HSV anstreben. Zumal der Verein noch hofft, für die Restanteile – 24,9 Prozent darf der HSV laut Satzung veräußern – noch einen strategischen Partner zu finden.
Schenkung: Theoretisch könnte Klaus-Michael Kühne dem HSV die 50 Millionen Euro zinslos zur Verfügung stellen. „Es gibt bei einer Schenkung keine Obergrenze“, erklärt der renommierte Wirtschaftsprüfer Siegfried Friedrich von der Baker Tilly Roelfs AG auf Abendblatt-Anfrage. „Sie ist dadurch charakterisiert, dass der Schenkende keine Gegenleistung erhält und der Empfänger bereichert wird.“ Allerdings müsste der HSV eine Gegenleistung erbringen – an das Finanzamt. „Der Beschenkte muss in der Regel die steuerlichen Belastungen tragen“, sagt Friedrich. Bei einer Summe von 13 Millionen Euro liegt der Steuersatz bei 50 Prozent. Für den HSV bliebe somit nur die Hälfte des Betrags übrig, wenn er die Steuern zahlen müsste. „Ob solche Modelle sinnvoll sind, kann man von außen nicht beurteilen“, sagt Friedrich. Der HSV bräuchte für diese Lösung zumindest eine Menge Fantasie.
Transferrechte: Als der HSV im Juni 2010 noch zu den besten 25 Mannschaften Europas zählte und die Profis noch für den e. V. spielten, begann die Kooperation zwischen Kühne und dem HSV. 12,5 Millionen Euro gab der Milliardär dem Verein damals für neue Spieler. Im Gegenzug erwarb er 33 Prozent der Transferrechte an sechs HSV-Profis, unter anderem an Dennis Aogo, Marcell Jansen, Heiko Westermann und Paolo Guerrero. Auch heute gilt das Modell als Favorit. So könnte Kühne neben den Ablösesummen auch die Gehälter übernehmen. Allerdings müsste der HSV eine Regel der Fifa umgehen. Die sogenannte „Third Party Ownership“ (TPO), also die wirtschaftliche Beteiligung privater Investoren an Transfers, hat die Fifa seit Januar 2015 verboten. Will der HSV eine kreative Lösung finden, muss er garantieren, dass die Besitzrechte an den Spielern bei der HSV Fußball AG liegen.
Und so ist die jetzt die Fantasie von HSV-Boss Beiersdorfer, Finanzvorstand Frank Wettstein und Kontrollchef Karl Gernandt gefragt, die vor einer Woche zuletzt gemeinsam tagten. Als Lösung ist nach Abendblatt-Informationen nun eine weitere Möglichkeit denkbar: eine Finanzierung durch sogenannte Genussscheine. Bei dieser Form können sich Unternehmen Geld von Anlegern leihen, ohne sie direkt an der Gesellschaft zu beteiligen. Eine Mischform aus Aktien und Anleihen? Das wäre tatsächlich richtig kreativ.