HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer steht nach dem Abgang von Peter Knäbel unter enormem Erfolgsdruck.
Es war schon beachtlich, wie Dietmar Beiersdorfer am Dienstagvormittag im Volksparkstadion die Trennung von Peter Knäbel begründete. Der Vorstandsvorsitzende der HSV-AG hätte es sich leicht machen und mit blumig-netten Worten eine Neuausrichtung formulieren können, bei der für den bisherigen Direktor Profifußball trotz seiner tollen Arbeit leider keine Verwendung mehr wäre. Stattdessen sagte Beiersdorfer, frei übersetzt: Ich war mit ihm unzufrieden.
Mit seiner Selbstversetzung auf den Sportchefposten vollzieht Beiersdorfer nun jenen Schritt, den viele Beobachter für längst überfällig erachteten. Einerseits schwächte die bisherige Konstruktion mit einem über allem thronenden Beiersdorfer Knäbels Autorität, zum anderen sahen viele Beobachter – wohlwollend formuliert – Beiersdorfers Qualitäten eher im sportlichen Bereich. Mit der Neustrukturierung gesteht sich die Führung der HSV-AG deshalb auch das Scheitern der bisherigen Konstruktion ein. Zwei Sportchefs waren einfach einer zu viel.
Trotzig und genervt reagierte der 52-Jährige auf kritische Nachfragen zu seiner bisherigen Amtszeit. Und ja, es stimmt, in einigen Punkten ist es der ausgegliederten HSV-AG gelungen, eine positive Veränderung herbeizuführen. Der früher so präsente Aufsichtsrat ist nahezu unsichtbar, auch der so redefreudige Investor Klaus-Michael Kühne hält sich mit öffentlichen Ratschlägen merklich zurück.
Was ist aus der großspurig angekündigten Investorensuche geworden?
Aber: Wo sind spürbare Fortschritte im Jugendbereich erkennbar? Ist es ein Verdienst der Führung, wenn ein Gönner wie Alexander Otto den Bau des Nachwuchszentrums „HSV-Campus“ mit einer Millionenspende ermöglicht? Was ist aus der recht großspurig angekündigten Investorensuche geworden? Von einer Entschuldung des Clubs, mit der Initiator Otto Rieckhoff damals für HSVPlus geworben hatte, ist keine Rede mehr. Stattdessen sagt Beiersdorfer, dass es nicht zwangsläufig nötig sei, keine Schulden zu haben.
Dies wäre noch (kurzfristig) hinnehmbar, wenn die Richtung im sportlichen Bereich stimmen würde. Bei einer Bestandsaufnahme muss man sich nur mal die Marktwerte der Bundesliga-Kader auf „transfermarkt.de“ anschauen. Dort rangiert der HSV mit insgesamt 58,4 Millionen Euro an viertletzter Stelle, lässt gerade mal Darmstadt, Ingolstadt und Hannover 96 hinter sich. Ein Ranking, das gnadenlos offenbart, wie viel Aufbauarbeit noch notwendig ist. Dabei haben die Hamburger alleine in den vergangenen zwei Spielzeiten unter Beiersdorfers Leitung über 50 Millionen Euro in Ablösesummen und Leihgebühren investiert. Das Resultat: 16 Punkte holte der HSV in der Rückrunde, das ist die Bilanz eines Abstiegskandidaten.
Die anfängliche Euphorie ist längst verpufft
Beiersdorfers Rückkehr wurde – auch von dieser Zeitung – im Sommer 2014 deshalb grundsätzlich begrüßt, weil mit seinem Namen nicht nur die Hoffnung verbunden war, dass Ruhe und eine neue Kultur des Miteinanders einkehrt, sondern auch eine geschicktere Transferpolitik. Gerade für den HSV ist es quasi überlebensnotwendig, eine Top-Trefferquote bei Neuverpflichtungen zu haben, um nicht nur sportlich, sondern auch finanziell die Wende zu schaffen.
Verletzungsanfällige Profis wie Valon Behrami oder Aaron Hunt, teure Spieler wie Pierre-Michel Lasogga oder Lewis Holtby sowie Panikleihen wie Josip Drmic und Fehlgriffe wie Sven Schipplock – kein Wunder, dass die anfängliche Euphorie nach dem Neubeginn mit Beiersdorfer längst verpufft ist. Mit der Übernahme der sportlichen Leitung setzt er sich gewaltig unter Druck. Seine nächsten Schritte müssen sitzen, sonst hat nicht nur der HSV, der keine Reserven mehr hat, ein gewaltiges Problem. Sondern auch er selbst.