Hamburg. Drobnys Tage sind wohl trotz Mathenias Verletzung gezählt. Beiersdorfer vermeidet erneut, Sportchef Knäbel den Rücken zu stärken.
Das übliche Auslaufen am Tag danach fiel flach. Stattdessen ging es für alle Hamburger Profis am Sonntag quer durch die Republik. Der HSV schickte seine Spieler auf Fanclub-Besuche. Spielmacher Aaron Hunt schaute etwa bei den „Dithmarscher Jungs“ in St. Michaelisdonn vorbei. Für Dennis Diekmeier ging es ins Nordseeheilbad Neuharlingersiel zum Fanclub „Wir von hier“. Lewis Holtby durfte zu den „1887 Mainhattan Boyz“ nach Frankfurt. „Die Deutschland-Tournee geht weiter ...“, schrieb Holtby auf seiner Facebook-Seite am Tag nach der 0:1 (0:0)-Niederlage gegen Wolfsburg.
Seit Sonnabend, Ortszeit 17.17 Uhr, steht fest, dass die Deutschland-Tournee des HSV auch in der kommenden Saison durch die Stadien der Fußball-Bundesliga führt. Einen Spieltag vor Saisonschluss hat sich der Bundesliga-Dino gerettet. Mal wieder. Das von allen Fans befürchtete Relegationstriple konnte der HSV verhindern. Und doch ging es für die Spieler bei den Fanclub-Besuchen vor allem um eins: Wiedergutmachung. Was die Mannschaft am Sonnabend den 57.000 Zuschauern im ausverkauften Volksparkstadion bot, bezeichnete Matthias Ostrzolek am treffendsten: „Das war Sommerfußball.“ Und damit hatte der Linksverteidiger noch maßlos untertrieben.
Einzelkritik: Ein Sommerfußballer, ein Träumer und ein paar Dauerläufer
Es war eine merkwürdige Szenerie, die sich nach dem Schlusspfiff ereignete. Lautstark quittierte das Publikum die Hamburger Minusleistung, die soeben zur achten Heimniederlage der Saison geführt hatte, mit Pfiffen. Und während Trainer Bruno Labbadia und Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer noch die Tabellenkonstellation ausrechneten, verkündete Stadionsprecher Lotto King Karl den Klassenerhalt. Die Fans setzten kurz zu ihrem Lieblingslied „Niemals Zweite Liga“ an, während die Spieler etwas verstört in die Menge winkten und sich nach der Verabschiedung von Ivica Olic und Artjoms Rudnevs auf eine Runde durch die Arena begaben, die eigentlich niemand mehr sehen wollte.
Drobnys Zeit beim HSV ist abgelaufen
„Das war heute ein schlechtes Fußballspiel“, sagte Sportchef Peter Knäbel über die ereignisarme Partie, die der Wolfsburger Luiz Gustavo nach einer Standardsituation in der zweiten Halbzeit entschieden hatte (73.). Für den HSV wäre es die Möglichkeit gewesen, sich nach einer durchwachsenen Saison mit einem Sieg gegen den kriselnden VfL nicht nur in die obere Tabellenhälfte zu arbeiten und im TV-Ranking zu klettern, sondern auch verlorene Sympathien bei den Zuschauern zurückzugewinnen. Doch mit dem emotionslosen Auftritt hat das Team weiteren Kredit verloren. „Es tut mir leid für die Zuschauer, die uns eine grandiose Atmosphäre geschenkt haben“, sagte Beiersdorfer. „Bei unseren Fans müssen wir uns bedanken.“
Den Dank der Fans bekam an diesem Nachmittag neben Olic und Rudnevs aber nur Torhüter Jaroslav Drobny zu spüren. Der 36 Jahre alte Tscheche hatte erneut den an der Hüfte verletzten René Adler vertreten und vor dem Gegentor mehrfach gut pariert. Auf der Nordtribüne rollten die HSV-Fans während des Spiels ein großes Transparent aus: „Drobny wertschätzen – Vertrag verlängern“. Dennoch dürfte Drobnys Zeit beim HSV abgelaufen sein. Daran soll auch die Verletzung des Darmstädters Christian Mathenia, 24, nichts ändern. Der Torhüter der Hessen, der Drobny in der kommenden Saison beim HSV ersetzen soll, hat sich am Sonnabend beim Spiel in Berlin die Hand gebrochen. Mathenia muss rund sechs Wochen pausieren und wäre damit zum Start der Vorbereitung im Juli wieder einsatzfähig.
HSV schafft den Klassenerhalt nach Pleite gegen Wolfsburg
Da auch Darmstadt am Wochenende den Klassenerhalt geschafft hat, kann Peter Knäbel in dieser Woche in konkrete Vertragsgespräche einsteigen. Neben Drobny und Mathenia geht es dabei vor allem auch um die Zukunft von Emir Spahic, Gojko Kacar und Ivo Ilicevic, deren Verträge nach der Saison auslaufen. „In den nächsten Tagen gilt es zu planen“, sagte Knäbel, der selbst auf Bewährung arbeitet. Sein Vertrag beim HSV läuft im kommenden Jahr aus. Beiersdorfer vermeidet bislang ein Bekenntnis zu Knäbel. „Das brauche ich auch nicht“, sagte der Direktor Profifußball wiederum nach dem Spiel.
Beiersdorfer will die Mannschaft umbauen
Einig sind sich die beiden dagegen in der sportlichen Analyse. Beiersdorfer musste nach dem 0:1 gegen Wolfsburg eingestehen, dass auch diese Saison letztlich wieder als Enttäuschung verbucht wird. „Wir haben uns im Vergleich zur Vorsaison ohne Zweifel verbessert, aber nicht in dem Maße, wie wir uns das vorstellen“, sagte Beiersdorfer. „In der Rückrunde sind wir nie in Fahrt gekommen. Wir müssen jetzt weiter an der Mannschaft bauen.“
Kommentar: Dem HSV fehlt ein Gesicht auf Führungsebene
Ähnlich wie Beiersdorfer äußerte sich auch Bruno Labbadia. „Wir wissen, dass wir noch ganz viele Schritte zu gehen haben“, sagte der HSV-Trainer. Genau wie sein Chef konnte er der bisherigen Saison aber noch etwas Gutes abgewinnen. „Wir waren nie in akuter Abstiegsgefahr. Deswegen sind wir ein Stück zufrieden.“ Die Fans waren es an diesem Tag mit Sicherheit nicht.