Hamburg. Der HSV-Profi über den Druck von Fußballern im Abstiegskampf, seine Zukunft in Hamburg und was eine Verspätung kosten kann.

    Er ist da, wenn er gebraucht wird. Mal wieder. Weil Albin Ekdal wohl auch am Sonnabend gegen den VfL Wolfsburg (15.30 Uhr/Sky) fehlt, kommt es im Kampf um den Klassenerhalt erneut auf Gojko Kacar an. Der nervenstarke Serbe hat den HSV schon einmal gerettet. Und doch ist seine Zukunft in Hamburg wie vor einem Jahr unsicher. Vor dem Saisonfinale spricht der 29-Jährige im Abendblatt-Interview über mentales Training, ein mögliches Karriereende und seine kleine Schwäche im Umgang mit der Uhrzeit.

    Hamburger Abendblatt: Herr Kacar, Sie sind erstaunlich pünktlich. Von ihrem Teamkollegen Gotoku Sakai hört man, dass das nicht bei allen Terminen so sei...

    Gojko Kacar (lacht): Wir sind vor den Spielen auf einem Zimmer. Es ist gut, dass er mich ein wenig scheucht, um pünktlich zu unseren Terminen zu kommen. Mittagessen, Spazierengehen, Besprechungen, überall zeigt unser Kassenwart Jaroslav Drobny schon mit dem Handy die Uhrzeit an, um jede Verspätung zu kassieren.

    Wie teuer war es für Sie in dieser Saison?

    Kacar: Dank Gotoku nicht teuer. Aber früher musste ich ganz gut zahlen. Drobo ist sehr streng.

    Pünktlich zum Saisonfinale sind Sie wieder wichtig, wie schon in der vergangenen Serie, als Sie den HSV mit ihren Toren retteten. Sie scheinen die entscheidenden Situationen zu mögen...

    Kacar: Glauben Sie mir, solche Endphasen sind nicht gerade gemütlich. Aber ich mag es, unter Druck zu spielen. Man muss die Ruhe zu bewahren, die Kontrolle über sich behalten und die Emotionen zügeln..

    Wie funktioniert das? Machen Sie mentales Training?

    Kacar: Ich reflektiere meine Spiele intensiv. Was habe ich falsch gemacht? Was muss ich ändern? Das hilft schon, um in vergleichbaren Situationen beim nächsten Spiel ruhiger und überlegter zu agieren. Golfprofi Tiger Woods ist da ein Vorbild. Er hat nach schlechten Schlägen sofort eine Antwort parat.

    Hilft Golf gegen Lampenfieber?

    Kacar: Ich spiele in meiner Freizeit lieber Tennis. Das ist mein Mentaltraining. Du musst im Kopf richtig stark sein, um gewinnen zu können. Das ist die beste Übung, vor allem wenn man gegen Drobny spielt.

    Das müssen Sie erklären.

    Kacar: Er ist ein unangenehmer Gegner, weil er keine Fehler macht und jeden Ball zurückbringt. Wenn ich ihn laufen lasse, hat er aber keine Chance. Das ist wichtig, sonst muss ich mir die ganze Woche seine Sprüche anhören. (lacht)

    In schlechten Zeiten hilft Ihnen auch Ihr Glaube. Sie beten viel.

    Kacar: Ich versuche regelmäßig in die Kirche zu gehen. Am Sonntag war für uns Orthodoxe Ostern, da habe ich ein Gotteshaus besucht. Wenn ich aufgeregt bin, hilft mir der Glaube, um meine Ruhe zu finden.

    Werder Bremen arbeitet gerade mit einem Psychologen zusammen, auch der HSV hat solche Methoden ausprobiert. Hilft das?

    Kacar: Wenn man sich unsicher fühlt, können diese Gespräche helfen, um positiv zu denken. Aber mit der entsprechenden Erfahrung sollten wir selbst in der Lage sein, uns aus einem Loch zu befreien.

    Der HSV scheint darin Experte zu sein...

    Kacar: Wir brauchen offenbar den Druck. Wenn wir in einer ruhigen Situation sind, spielen wir oft nicht gut. Wenn wir müssen, sind wir stärker. Das ist schwer zu erklären.

    Zumindest scheint das Wissen um diese Stärke für den HSV ein Vorteil zu sein im Abstiegskampf.

    Kacar: Diese Erfahrung im Abstiegskampf wird überbewertet. Schauen Sie sich Stuttgart an: Der VfB war auch zwei Jahre ganz unten mit dabei und spielt gerade ziemlich verkrampft.

    Auch Ihr Gegner VfL Wolfsburg scheint ein mentales Problem zu haben.

    Kacar: Ja, das scheint so zu sein. Ich kenne das Gefühl. Du hast wenig Selbstvertrauen, fängst an zu überlegen, und schon ist der Ball wieder weg. Dennoch hat der VfL Wolfsburg eine große Qualität. Unser Ziel ist es, am Sonnabend zu punkten und mit unseren Fans den Klassenerhalt zu feiern.

    Gelingt das, werden einige Spieler nach dem Spiel verabschiedet. Sie dagegen nicht, obwohl Ihr Vertrag auch ausläuft. Belastet Sie die ungewisse Zukunft?

    Kacar: Ich war im vergangenen Jahr in einer ähnlichen Situation und habe trotzdem immer alles gegeben, so werde ich das jetzt auch tun. Aber natürlich muss die Entscheidung zügig fallen, denn auch ich muss planen können.

    Wie sehen denn die Alternativen aus?

    Kacar: Alles ist möglich. Ich bin erst 29 und habe bewiesen, dass ich noch auf hohem Niveau spielen kann.

    Marcell Jansen hat seine Karriere im Alter von 29 Jahren beendet. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht? Sie könnten Ihr Jurastudium fortsetzen.

    Kacar: Das ist momentan keine Option. Ich möchte weiterhin Fußball spielen.

    Was kommt danach? Werden Sie auch Jugendtrainer wie Drobny?

    Kacar: Eher nicht. Ich könnte mir aber vorstellen, in Serbien als Nachwuchsscout zu arbeiten. Es gibt dort eine Vielzahl von Talenten. Nebenbei könnte ich dann Wein anbauen... (Kacar denkt nach. Seine Gedanken schweifen)... Verzeihung, jetzt muss ich langsam los, sonst komme ich zu spät zum Training.

    Was treibt Kassenwart Drobny denn ein, falls Sie zu spät kommen?

    Kacar: Wenn ich nicht eine Stunde vor Trainingsbeginn da bin, will er 200 Euro haben. Sollte ich nicht rechtzeitig auf dem Platz sein, sogar 500 Euro. Ich muss mich also beeilen.