Hamburg. Im Hinspiel hat Pierre-Michel Lasogga sein letztes Tor erzielt. In Dortmund hofft der HSV-Stürmer nun auf einen Neustart.

Manchmal ist das Leben als Fußballprofi einfach zu schön um wahr zu sein. Das Geld, die Autos, der Ruhm. Schon klar. Aber wenn der leitende Angestellte (Trainer Bruno Labbadia) seinen Mitarbeitern (den Spielern) drei Tage vor dem wichtigen Betriebsausflug (nach Dortmund) am Donnerstagmorgen überraschend mitteilt, dass sie einfach mal einen Tag blau machen dürfen, dann darf man wirklich neidisch werden. „Ich konnte sie einfach nicht mehr sehen“, sagte Labbadia im Spaß. Und im Ernst? Kräfte sammeln und auf andere Gedanken kommen hießen die einzigen Arbeitsaufträge für die Profis. Keine Frage, so ein Fußballerleben ist verlockend.

Verlockend? Von wegen!

Wahrscheinlich kann kaum ein Profi im HSV-Kader die Achterbahn der Gefühle, die so ein Fußballerleben neben Geld, Autos und Ruhm eben auch bereit hält, besser beschreiben als Pierre-Michel Lasogga. In einem Moment gefeiert und geliebt, im anderen Moment verschmäht und verspottet. Lasogga ist Publikumsliebling und Reizfigur zugleich. Und in seinem Fall ist die Gleichung einfach. Trifft der Stürmer das Tor, ist er der Held. Trifft er nicht, ist er der Depp. Und getroffen hat Lasogga schon lange nicht mehr.

Letztes Tor feierte Lasogga als Superman

Lasoggas letztes Tor? Eine Halbserie ist das nun schon her, wenn man es genau nimmt. Beim 3:1-Sieg im Hinspiel gegen Borussia Dortmund am 20. November ist es passiert, wenn man es ganz genau nimmt. Der Stürmer hatte den HSV mit seinem Strafstoß nach 19 Minuten zum 1:0 auf die Siegerstraße gebracht, war in Richtung Tribüne gelaufen und hatte sein Trikot hochgerissen. Darunter kam ein T-Shirt mit den Lasogga-Initialen „PML“ und seinem Konterfei als Superman zum Vorschein. „Auf der anderen Seite war ja heute Batman“, sagte Lasogga, der Dortmunds Pierre-Emerick Aubameyang meinte, und sich diebisch über sich selbst freute. „Da konnte vielleicht nur Superman dagegenwirken.“

Lasogga, der Superman. Fünf Monate ist dieser Glücksmoment nun schon her. Getroffen hat der 24-Jährige seitdem kein einziges Mal mehr. Und gespielt hat er bald auch nicht mehr. Erst durfte Konkurrent Artjoms Rudnevs ran, dann Sven Schipplock. Und Lasogga? Durfte in der Rückrunde kein einziges Mal über 90 Minuten spielen.

„Ich mache mir auch Gedanken um Pierre, weil ich eigentlich großen Glauben an Pierre habe“, sagte Trainer Labbadia schon vor einer Woche. „Ich hoffe, dass er schon bald wieder so zum Zuge kommt, dass er uns weiterhilft. Ich glaube weiter an ihn.“

Entdecker: „Pierre hatte etwas Besonderes“

Dieser Glaube ist für Lasogga von zentraler Bedeutung. Das jedenfalls glaubt Rainer Widmayer. „Wichtig ist, dass Pierre das Gefühl hat, dass der Trainer hinter ihm steht. Pierre muss das Vertrauen spüren, dann geht er für dich durchs Feuer“, sagt er. Der Co-Trainer von Hertha BSC gilt als Entdecker und Förderer des Torjägers. Widmayer beobachtete den jungen Lasogga erstmals in der A-Jugend-Endrunde um die deutsche Meisterschaft 2010 zwischen Leverkusen und dem VfB Stuttgart. „Pierre hatte etwas Besonderes“, sagt Widmayer, der noch heute ab und an Kontakt zu seinem ehemaligen Schützling hat.

An eine vergleichbar schwierige Phase des sensiblen Sturmtanks kann sich Widmayer nicht erinnern. „Bei uns hatte er eigentlich nie ein Tief“, sagt der Coach, der sich nur an den schweren Start Lasoggas in Berlin zurückerinnert: „Zunächst war ich erschrocken, als er zu uns kam. Er hatte in paar Kilo zu viel auf den Rippen, ein bisschen zu viel Babyspeck.“ Doch Widmayer blieb von Lasoggas Potenzial überzeugt: „Es war nur eine Frage der Zeit, bis er sich durchsetzt.“

HSV dementiert vorzeigen Abgang

Diese Frage der Zeit wird im ungeduldigen Hamburg nun immer häufiger gestellt. Anderthalb Jahre ist es her, dass der frühere Jugendnationalspieler für 8,5 Millionen Euro verpflichtet wurde, 3,4 Millionen Euro Gehalt soll er seitdem kassieren. Viel Geld für einen Club, der doch kein Geld hat.

Als der Agent Didier Frenay, der Lasogga zusammen mit dessen Mutter Kerstin berät, in der vergangenen Wochen beim HSV vorstellig wurde, machte das Gerücht vom zeitnahen Abflug von Superman bereits die Runde. Doch beim HSV wurde schnell dementiert, relativiert. Frenay habe sich nur nach Lasoggas Situation erkundigt. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.

Man sei noch immer von Lasogga überzeugt, sagen die Verantwortlichen. „Hamburg hat einen Trainer, der selbst Torjäger war. Der weiß genau, wie er Pierre wieder aufbaut“, sagt Widmayer.

Und Lasogga? Der sagt vorerst gar nichts. Er will Tore sprechen lassen. Wie in der Hinrunde, als er sechs Treffer erzielte. Gegen Stuttgart, Gladbach, Hoffenheim Darmstadt und eben Dortmund. „Ich weiß noch nicht, wer nun gegen Dortmund spielt“, sagt Labbadia. „Mal sehen, wer am Besten drauf ist.“

Das Tor für Superman ist offen.