Hamburg/Kuopio. Torwart Johannes Kreidl hat sich für eine Saison an Kuopion Palloseura verleihen lassen. 20-Jähriger hofft auf Durchbruch.

Natürlich hatte sich Johannes Kreidl vor seiner Reise ins Ungewisse informiert. Obwohl Finnland nur 5,4 Millionen Einwohner hat, ist es flächenmäßig das siebtgrößte Land Europas. Im „Land der 1000 Seen“ gibt es mehr Mobiltelefone als Menschen, 2,2 Millionen Saunen und in Wahrheit 187.888 Seen. Im Sommer geht die Sonne nicht unter, und im Winter geht sie gar nicht erst auf. Auf all das war Kreidl vorbereitet, als er am 3. Februar ins Flugzeug stieg und von Hamburg über Helsinki bis nach Kuopio flog. Auf 30 Zentimeter Neuschnee und minus 28 Grad nicht.

Johannes Kreidl, 20, ist Fußballer. Und weil Fußballer am liebsten Fußball spielen, entschied sich das Torwarttalent vor knapp zwei Monaten zu einem ungewöhnlichen Schritt. „Weil ich beim HSV nicht so richtig zum Zug kam, wollte ich mich irgendwohin ausleihen lassen, wo ich ein bisschen Spielpraxis sammeln kann“, sagt Kreidl. Dass dieses Irgendwo im Nirgendwo Ostfinnlands am Kallavesi-See liegen würde, hätte er nicht gedacht. „Meine Agentur hat gute Kontakte nach Finnland“, sagt der Österreicher, der im Sommer 2014 aus der Talentschmiede von Wacker Innsbruck zum HSV-Nachwuchs gewechselt war. „Ich dachte mir nur: Finnland? Warum nicht?“

Also begann für Kreidl Anfang Februar das Abenteuer unweit des Polarkreises. Drei Koffer voller Winterklamotten hatte der Youngster dabei, doch an das ewige Eis Finnlands musste er sich zunächst mal gewöhnen. Vor zwei Wochen haben sein Vater und sein Bruder noch weitere Klamotten und seinen Wagen gebracht. Von Hamburg nach Lübeck, mit der Fähre nach Helsinki und von dort noch einmal quer durch die Winterlandschaft Finnlands. „Zu Beginn der Vorbereitung war es noch immer so kalt, dass wir nur in einer Riesenhalle auf Kunstrasen spielen und trainieren konnten“, sagt Kreidl, dem nicht nur die extremen Temperaturen zu schaffen machten. Seine Mitspieler heißen Ääritalo, Räisänen, Rannankari und Poutiainen. „Die Sprache ist wirklich schwer“, so Kreidl, dessen Wortschatz nach sieben Wochen in Kuopio auf wenige Brocken begrenzt ist.

Ein echtes Problem ist die Sprachbarriere für Kreidl allerdings nicht. „Fast jeder hier spricht Englisch“, sagt der 1,94 Meter große Torhüter, dessen Vorbild Gianluigi Buffon ist. Kreidl fühle sich wohl im hohen Norden, genieße die Natur und vor allem seinen Status als unumstrittene Nummer eins.

„Johannes hatte bei uns in der letzten Zeit kaum die Möglichkeit, auf seine Einsätze zu kommen. In seinem Alter ist Spielpraxis aber ungemein wichtig für seine weitere Entwicklung“, sagt HSV-Torwarttrainer-Koordinator Marco Kostmann. „Er ist ein sehr junger Keeper, hat dafür aber schon sehr gute körperliche Voraussetzungen. Johannes hat es sich verdient, zu spielen.“

Am vergangenen Wochenende wurde es ernst. Pokal, erste Runde. Gegen Mikkelin Palloilijat. Das Ergebnis: 3:0. „Zu null im ersten Pflichtspiel ist schon mal ein guter Start“, sagt Kreidl, der mit Kuopion Palloseura in anderthalb Wochen in die Liga in Lahti startet. Bis Ende Oktober läuft die Saison, dann will Kreidl zurück nach Hamburg. „Ich will mich in Kuopio weiterentwickeln, ich will lernen und Erfahrungen machen“, sagt Kreidl.

Mittlerweile kennt er auch alle Finnland-Klischees. Natürlich war er schon in der Sauna, im Sommer wolle er mit seinem Bruder angeln gehen, und anders als immer behauptet sei Finnland auch nicht das Land mit der höchsten Selbstmordrate. Das ist Neuseeland. Dort war Kreidl im vergangenen Jahr. Bei der U-20-WM. „Ein herrliches Land“, sagt der Torhüter.