Hamburg. Der HSV hat durch das 1:3 gegen Hoffenheim erneut verpasst, frühzeitig den Klassenerhalt zu sichern. Muss wieder gezittert werden?

Joseph Kuhnert musste sich am Tag nach dem 1:3 des HSV gegen Hoffenheim gedulden. Es dauerte bis kurz vor zwölf Uhr, ehe Bruno Labbadia das Training der Reservisten am Sonntag beendet hatte. Und während der HSV-Trainer noch zahlreiche Autogrammwünsche erfüllen musste, wackelte Kuhnert unsicher hin und her, ehe er Labbadia dann doch ansprach. Ob er kurz Zeit habe, traute sich der Nürnberger den HSV-Coach schließlich nach ein paar Minuten zu fragen.

Der HSV in der Einzelkritik

Kuhnert ist so etwas wie das letzte Alarmsignal des HSV, ein menschgewordener Fünf-vor-zwölf-Uhr-Zeiger. Wenn er aufkreuzt, dann brennt es. Der 55-Jährige, der sich selbst als metaphysischer Geistheiler bezeichnet, ist Bio-Energetiker. Vor zwei Jahren sorgte er zuletzt für bundesweite Schlagzeilen, als der damalige HSV-Trainer Mirko Slomka mitten im Abstiegskampf auf Kuhnerts Dienste setzte. Der „Psycho-Doc“ („Bild“-Zeitung) setzte auf Bergkristalle, auf „die Blume des Lebens“ und ganz viel Harmonie. Der „Erfolg“ von damals ist bekannt: Der HSV verlor die letzten drei Spiele der Saison und qualifizierte sich nur deshalb für die Relegation, weil auch Nürnberg und Braunschweig synchron die letzten Saisonspiele allesamt verloren.

Die vergebenen Torchancen

Zwei Jahre später scheint die Ausgangslage – trotz Kuhnerts Besuch – nicht ganz so dramatisch, nach dem 1:3 gegen Hoffenheim aber eben auch nicht mehr rosig. „Leider müssen wir schon wieder nach unten gucken“, konstatierte Außenverteidiger Gotoku Sakai, dessen Meinung sich auch Mittelfeldregisseur Aaron Hunt anschloss: „Wir sind wieder mittendrin da unten. Wenn wir unsere Chancen nicht auch mal reinmachen, dann kann man so in der Liga kein Spiel gewinnen.“

Die vergebenen Torchancen also, mal wieder. So erinnerte die Heimpleite gegen Hoffenheim doch sehr an die jüngste Auswärtsniederlage gegen Leverkusen. In beiden Partien hatten sich die Hamburger eine ganze Reihe von Torchancen herausgespielt, waren die bessere Mannschaft und gingen dann doch als Verlierer vom Platz. „Von den Komplimenten können wir uns leider nichts kaufen. Fußball ist ein Ergebnissport“, sagte Labbadia am Sonntagmittag. „Und wir liefern keine Ergebnisse.“

Tatsächlich konnte der HSV von den vergangenen 13 Spielen gerade mal zwei Partien gewinnen. Seitdem rutschten die Hamburger von Platz sieben (mit einem heimlichen Blick nach oben) auf Rang zwölf (mit einem ängstlichen Blick nach unten) ab. Sieben Spieltage vor dem Saisonende trennen den HSV gerade mal vier Punkte von den Abstiegsplätzen. „31 Punkte reichen nicht, da können wir uns nicht zurücklehnen und den Urlaub buchen“, rechnete Matthias Ostrzolek vor. „Die nächsten zwei Partien sind extrem wichtig. Wir müssen die Spiele gegen Hannover und Darmstadt gewinnen.“

„Wir machen es uns unnötig schwer“

Ähnliches hatten die HSV-Protagonisten allerdings auch schon vor der Partie gegen den Vorletzten der Liga aus dem Kraichgau angekündigt. Und nach 90 unterhaltsamen Minuten lagen die Hamburger auch in allen relevanten Statistiken vorne – bis auf eine: HSV 1, Hoffenheim 3. „Wir machen es uns unnötig schwer, weil wir unsere Torchancen nicht nutzen“, sagte Labbadia. „Zudem ist Hoffenheim zu leicht zu seinen drei Toren gekommen.“

Gegentor Nummer eins fiel nach einem (berechtigten) Strafstoß aus elf Metern (20.), Gegentor Nummer zwei folgte nur drei Minuten später nach einem (zweifelhaften) Freistoß aus fünf Metern. Am Ende sorgte die Vielzahl von strittigen Situationen für ordentlich Gesprächsstoff (s. unten), ernsthaft benachteiligt durfte sich der HSV allerdings nicht fühlen. „Im Prinzip haben wir uns wieder selbst geschlagen“, sagte Hunt, der den Finger nach dem Spiel in die Wunde legte: „Das geht so einfach nicht. Wir schaffen es nicht, aus drei Metern den Ball reinzumachen.“

Angesprochen durfte sich vor allem Michael Gregoritsch fühlen, der die größte Chance zum 2:2-Ausgleich nach einer Stunde verstolpert hatte. Allerdings wäre es wahrscheinlich bei einem Torschussverhältnis von 24:14 zu einfach, die überflüssige Niederlage gegen Hoffenheim an diesem einen Fehlschuss festzumachen. Bereits in den Entstehungen der Torchancen fiel der HSV immer wieder durch Ungenauigkeiten auf. „Wir haben die letzten Pässe einfach schlecht gespielt. Das hat mit Konzentration zu tun, aber auch mit Qualität“, gab Sakai ehrlich zu.

In der Länderspielwoche will Labbadia verstärkt an der bekannten Pro­blematik arbeiten. Für Dienstag, Mittwoch und Donnerstag hat der Trainer jeweils zwei Einheiten angesetzt, am Gründonnerstag kann das Gelernte im Test gegen den Drittligisten Holstein Kiel in die Tat umgesetzt werden.

Und Geisterheiler Kuhnert? Dessen Einsatz kommt offenbar noch ein wenig zu früh. „Heute nicht“, wehrte Labbadia die Frage am Sonntagmittag kurz und knapp ab, ob er für den wundersamen Bio-Energetiker Zeit habe.

Kuhnert muss sich noch gedulden.