Bruno Labbadias Änderung des Spielsystems geht auf. Vor den Augen von Rafael van der Vaart zeigt der HSV furiosen Offensiv-Fußball.
Hamburg. Nach einem packenden Fußball-Krimi fiel bei den Hamburger Profis der Frust der vergangenen Wochen beim ausgelassenen Tänzchen im Dauerregen vor der jubelnden Nordkurve ab. In Sprechchören forderten die HSV-Fans nach dem 3:2 (2:1) gegen Borussia Mönchengladbach den Torschützen Artjoms Rudnevs. Schüchtern und gezogen von dem halbnackten Lewis Holtby mischte er sich unter die Zuschauer. Nach zuletzt sechs Spielen ohne Sieg war der Befreiungsschlag auch mit Hilfe des lange ausgemusterten Letten gelungen. „Aus Kampf entstand der Sieg“, sagte Torwart René Adler.
Zwar gingen die Gäste im 96. Duell der Traditionsclubs durch Fabian Johnson (14. Minute) in Führung, die Norddeutschen drehten die Partie aber durch ein Eigentor von Martin Hinteregger (39.), Rudnevs (41.) und Ivo Ilicevic (80.). Der Anschlusstreffer durch Raffael (88.) kam für die Gladbacher zu spät.
Einzelkritik: Jung spielte einfach gut
Mit dem ersten Sieg seit fast drei Monaten im Volksparkstadion baute der HSV mit nun 26 Punkten den Vorsprung auf den Relegationsrang auf sechs Punkte aus. „Wir haben drei Punkte geholt, nicht mehr und nicht weniger. Aber es war ein sehr, sehr wichtiger Sieg“, sagte Bruno Labbadia. Die Änderung des Spielsystems auf zwei Spitzen und der Verbannung Pierre-Michel Lasoggas auf die Bank trug sofort Früchte. Rudnevs und Drmic harmonierten prächtig, der HSV feuerte Offensiv ein wahres Feuerwerk ab. "Rudis Geschichte zeigt, dass jeder wichtig ist", erklärte Labbadia. "Ich fand heute alles überragend."
Bei Schmuddelwetter und nur vier Grad taten sich die Gastgeber vor 56.706 Besuchern ohne den Gelb-gesperrten Verteidiger Johan Djourou zunächst schwer. Gegen die von der Spielanlage besseren Gladbacher kamen die Hanseaten gar nicht durch und ließen immer wieder das schnelle Umschaltspiel zu. Gladbach-Leihgabe Josip Drmic (13.) vergab eine Großchance gegen Keeper Yann Sommer – im Gegenzug gelang die Führung durch Johnson, der nach Pass von Thorgan Hazard nur einschieben musste.
Van der Vaart zu Gast im Stadion
Unter den Augen von Ex-Kapitän Rafael van der Vaart, der nach seiner erneuten Nicht-Berücksichtigung bei Betis Sevilla mit seinem Sohn auf der Tribüne saß, mühte sich der HSV gegen selbstbewusste Gladbacher. Nah am Ausgleich war Lewis Holtby (18.), der statt selbst abzuschließen in den Rücken von drei mitgeeilten Kollegen abgeben wollte, aber ins Niemandsland passte. Nach einem Strafraumgetümmel und einem Fehler von Dahoud zog dann Gideon Jung auf das Tor von Sommer, Hinteregger fälschte unhaltbar ab.
HSV gegen Gladbach – die besten Bilder
Der HSV bleib weiterhin dran und so sorgte der lange verschmähte Rudnevs mit seinem zweiten Saisontor für die Führung. Trainer Bruno Labbadia brachte den Letten erstmals seit dem 28. Februar 2015 gegen Eintracht Frankfurt und lag richtig. Der agile Stürmer nutzte einen Abschlag von René Adler, setzte sich gegen Oscar Wendt durch und ließ Sommer aus etwa zwölf Metern keine Abwehrchance. Erstmals seit Wochen gab es zur Halbzeit Applaus statt Pfiffe, danach Rudnevs-Sprechchöre.
Drmic (53.) hätte nachlegen können, schoss aber weit über das Gehäuse. Der Schweizer zeigte sich deutlich verbessert im Vergleich zum Köln-Spiel, ließ aber auch zahlreiche Chancen liegen. "Ich hätte gerne gegen meinen Ex-Verein getroffen, aber mit den drei Punkten bin ich natürlich auch überglücklich", sagte der Angreifer.
Holtby macht Kopfstoß-Witz mit Ilicevic
Die immer frecher agierenden Hanseaten stellten die Schubert-Elf, die offensiv kaum stattfand, in der zweiten Hälfte vor noch mehr Probleme. Einzig der formstarke Thorgan Hazard (74.) wehrte sich und verpasste noch einmal haarscharf das Tor von Adler.
Dann machte aber der eingewechselte Ivo Ilicevic per Kopfball den HSV-Sieg perfekt. Der Kroate hatte wegen der Kopfstoß-Affäre beim 1:1 gegen Köln zuschauen müssen und deutete bei seinem besonderem Jubel mit Lewis Holtby an, dass der Ärger vergessen ist. „Ich hab’ ihm gesagt: Gib mir eine Kopfnuss, du kennst dich ja damit aus“, erklärte Holtby lachend. Auch Labbadia konnte über den einzigartigen Jubel lachen. „Ivo hat sich belohnt“, bemerkte der HSV-Trainer, der die gestellte Aktion lustig fand: „Ich kann darüber schmunzeln.“
Raffaels (88.) überraschender Anschlusstreffer sorgte noch einmal für Spannung, doch der HSV brachte die Führung über die Zeit und feierte den ersten Heimsieg seit dem 20. November, als man Dortmund 3:1 schlug.
Das Schema
HSV: Adler - Gotoku Sakai, Cleber, Spahic, Ostrzolek - Gideon Jung, Holtby - Nicolai Müller (66. Ilicevic), Hunt, Drmic - Rudnevs (79. Diekmeier). - Trainer: Labbadia
Gladbach: Sommer - Nordtveit, Christensen, Hinteregger (88. Hrgota), Wendt - Dahoud (57. Traore), Xhaka - Hazard (82. Hofmann), Johnson - Stindl, Raffael. - Trainer: Schubert
Schiedsrichter: Deniz Aytekin (Oberasbach)
Tore: 0:1 Johnson (14.), 1:1 Hinteregger (38., Eigentor), 2:1 Rudnevs (41.), 3:1 Ilicevic (80.), 3:2 Raffael (88.)
Zuschauer: 56.706
Gelbe Karten: Cleber, Drmic - Nordtveit (3)
Torschüsse: 17:9