Während eines HSV-Spiels wird die Arena zur Großgastronomie. Fans und VIPs wollen gut speisen. Eine logistische Herausforderung.

Rheinischer Sauerbraten wird an diesem Sonntag in den VIP-Bereichen gereicht. Schließlich kommt Borussia Mönchengladbach zum Bundesligaspiel gegen den HSV ins Volksparkstadion. Das passt also, na klar. Da kann man ja keinen Pinkel anbieten. „Wir richten uns beim Speiseangebot schon nach der regionalen Herkunft des Gegners und bieten entsprechende Spezialitäten“, sagt Thomas Ranke-Hoffmann. Der 44-Jährige ist als „District Manager“ des Catering-Unternehmens Aramark für das gastronomische Angebot in der HSV-Arena verantwortlich.

„Hauptsache es schmeckt. Woher die Wurst kommt, ist mir egal“, sagt Marc Schneiderjahn aus Bramfeld. Der 37-Jährige ist Fan aus der Nordkurve. Er isst seine Currywurst (3,50 Euro), Sauerbraten gibt es für ihn nicht. Pizza könnte er haben, Fischbrötchen, Hot Dog, Popcorn, auch Hamburger hinter der Westtribüne. Und so weiter. „Insgesamt bieten wir über 56 verschiede Produkte an“, sagt Ranke-Hoffmann.

Das Stadion ist eben auch eine Großgastronomie, das Spiel immer auch Gelegenheit zur Nahrungs- und Getränkeaufnahme. „Unser Stadion ist eines der verzehrfreudigsten in der Bundesliga“, erklärt Jan Haugk, 35, Leiter der Abteilung Catering und Events beim HSV und damit direkter Ansprechpartner von Ranke-Hoffmann um alles zwischen Cola und Champagner, Crêpes und Cordon bleu. „Der Aufwand dahinter wird auch von Fachfirmen aus der Branche teilweise unterschätzt“, weiß Haugk.

Rund 30.000 Würstchen werden verputzt, 750 Mitarbeiter sind im Einsatz

HSV-Catering am Stadion
HSV-Catering am Stadion © Andreas Hardt | Andreas Hardt

Man kann es ja ahnen. Am Getränkestand hat ja fast jeder schon mehr (Halbzeit) oder weniger lange (Spiel läuft) angestanden oder dem „Läufer“ zwischen den Sitzplatzreihen eine Brezel oder ein Eis abgekauft. Die „sehr wichtigen Personen“ in ihren Logen, den Lounges oder Business-Sitzen laben sich derweil am Buffet – „noch ein Dessert?“ – und die Tochter im Familienblock wünscht mehr oder weniger energisch eine Tüte Gummi-Frösche. Man kann sagen: Niemand geht aus dem Stadion, ohne etwas getrunken oder gegessen zu haben. Das jedenfalls ist die Grundlage für die Catering-Planungen. „Wir gehen an jedem Spieltag von mehr als einer Speise und mehr als einem Getränk pro Besucher aus“, erzählt Ranke-Hoffmann.

Bei einem Zuschauerschnitt von über 50.000 werden die Dimensionen schnell klar. Rund 75.000 Liter Getränke werden konsumiert, zum größten Teil Bier, dann Coca Cola. Knapp 12.000 Brezeln, rund 6000 Fischbrötchen, zwischen 25.000 und 30.000 Würstchen werden verputzt. Dies in den „Public Bereichen“, also dort in den Umläufen, wo „Otto-Normalfan“ hinkommt. In den exklusiven VIP-Bereichen sind es etwa 1500 Kilogramm Gemüse, eben so viel Fleisch, 500 Kilo Fisch, 900 Kilo Nachtisch, Käse und Brot. Und dann sind da ja auch noch 45.000 Geschirr- und Besteckteile sowie knapp 20.000 Gläser, auch das muss bewältigt werden. Unter anderem durch drei Spülküchen.

Der Getränke-Vorrat
Der Getränke-Vorrat © Andreas Hardt | Andreas Hardt

„Etwa dreieinhalb Stunden vor Anstoß sind alle Vorbereitungen in den VIP- und Logenbereichen abgeschlossen und alle Gewerke sind auf Standby“, erklärt Haugk. Dann sind die Tore für Fans noch geschlossen. Service-Mitarbeiter mit rosa Auftragszetteln trudeln nach und nach ein und werden von den Sicherheitsleuten durchgelassen. Die Hostessen aus dem VIP-Bereich bekommen ihr letztes Briefing, ebenso die Servicekräfte. In der König-Pilsener-Lounge wird schon der Schinken geschnitten, Brezeln werden über Halter auf den Tischen gehängt, Vorspeisen auf den Buffets arrangiert.

„Wir wechseln das Speisenangebot von Spiel zu Spiel“

Draußen kümmern sie sich um den Teig für die Crépes, sortieren die Fischbrötchen – Matjes, Seelachs oder Backfisch – lassen das Popcorn schon mal poppen. Noch ist Ruhe, noch geht das alles. Zweieinhalb Stunden vor Spielbeginn öffnen sich die Stadiontore, der Hospitalitybereich ist zwei Stunden vor der Partie zugänglich. Es füllt sich, immer mehr. Das Essen vor dem Spiel ist Standard, nicht, dass einem von den Leistungen auf dem Rasen noch der Appetit vergeht.

Angeboten werden vor dem Spiel zwei oder drei unterschiedliche Hauptgänge, nach der Partie ein weiterer. „Wir wechseln das Speisenangebot von Spiel zu Spiel“, sagt Haugk, „inzwischen haben wir zusätzlich auch vegetarische und vegane Gerichte dabei und berücksichtigen Unverträglichkeiten. Die Nachfrage danach hat in den letzten Jahren stark zugenommen.“

Auch beim Personal wird unterschieden zwischen dem öffentlichen und dem VIP-Bereich. Die einen kassieren, die anderen nicht, die einen geben Getränke aus, die anderen jonglieren sie kunstvoll auf einem Tablett. „Die Bezahlung der Mitarbeiter ist grundsätzlich gleich, Unterschiede gibt es nur nach Erfahrung und Verantwortung, nicht nach Servicebereich“, sagt Haugk. „Die Mitarbeiter werden ihren Aufgaben- und Einsatzbereichen entsprechend für den Public- sowie Hospitalitybereich geschult und eingesetzt.“

„Wir planen ein Spiel vier Wochen im Voraus“

Marc, seinen Nachnamen möchte er nicht nennen, schleppt in der Nordkurve einen von diesen Bierrucksäcken, die Nummer 46. Diverse Dosen hat er dort untergebracht, plus Plastikbecher. Wie viele Liter passen denn in so einen Rucksack? „61“, sagt er. Oh ha! Und was trägt er so? „Na, 61“. Das ist kein Kuscheljob, das ist Knochenarbeit. Drei Stunden vor dem Spiel fängt er an, drei Stunden nach der Partie ist er fertig, mit der Arbeit und körperlich. Nur Mindestlohn kassiert er, wenn er nichts verkauft. Sonst kommen acht Prozent vom Umsatz und Trinkgeld dazu. 4,20 Euro kostet der halbe Liter.

Marc ist einer der Teilzeit-Servicekräfte, die nur für die Spieltage angeheuert sind. „Wir beschäftigen etwa 500 Teilzeitkräfte pro Spiel draußen im Stadion und 250 in den VIP-Bereichen“, sagt Ranke-Hoffmann, „wobei das je nach Gegner, Auslastung und Spielzeit variieren kann.“ Sie alle sind Aushilfen, die in der Woche einem anderen Job nachgehen, studieren, nichts tun, oder – wie Mark – anderntags den gleichen Job zum Beispiel drüben in der Barclaycard Arena verrichten.

Dann beschäftigt Aramark noch 25 Festangestellte, die täglich im Stadion arbeiten, unter anderem im Restaurant „Raute“, aber vor allem in der Planung und Organisation. „Wir planen ein Spiel vier Wochen im Voraus, der Küchenchef legt die Menüs fest, die Mengen müssen abgeschätzt und bei den Lieferanten bestellt werden, die Lieferungen müssen auf die Kioske und die Kühlräume verteilt werden“, erklärt Ranke-Hoffmann.

Das alles ist ein andauernder Prozess“, so Haugk, „nach dem Spiel ist vor dem Spiel.“ Leergut muss entsorgt werden, Essensreste beseitigt, auch wenn sie theoretisch noch zu nutzen wären. „Das ist das Gesetz.“

Die Warendispositionen für die Publicbereiche beginnen am Folgetag des abgeschlossenen Spieltages. Klassiker wie die Stadionwurst kommen zwei Tage vor Spielbeginn in die 40 Outletkühlungen – lediglich die Backwaren werden frisch am Spieltag angeliefert. „Die Produktion für die Hospitalitybereiche beginnt drei Tage vor dem Spiel. Für die Vorbereitung der Lebensmittel stehen uns sechs Satellitenküchen für die 13 Buffets und 51 Logen zur Verfügung“, erklärt Haugk.

Jeder der 23 Kioske, die über das Stadion verteilt sind, hat eine eigene Kühlmöglichkeit und lagert dort seine Waren. „Für die Weiterverteilung in die Outlets ist entscheidend, dass die Kühlkette nicht unterbrochen wird“, weiß Ranke-Hoffmann. Die in der Woche angelieferten Bierfässer werden ebenfalls zwischen den Spieltagen mit Gabelstaplern dorthin gefahren, sagt Haugk: „Es ist schwer möglich, während des Spiels nachzuliefern, wegen der Zuschauer.“ Der gigantische Lagerraum in der Osttribüne dient nur als Durchgangslager und Warenreserve für den absoluten Notfall.

Ein Ziel ist, so wenig Lebensmittel wie möglich entsorgen zu müssen

Der 44 Jahre alte Restaurantfachmann und Betriebswirt Ranke-Hoffmann ist seit 2004 für die Lebensmittelversorgung des Volksparkstadions verantwortlich. Haugk, ein Hotelfachmann ist erst seit einem Jahr beim HSV und steht der Abteilung Catering und Events vor, die auch für Veranstaltungen in den VIP-Räumen zuständig ist. Firmen feiern dort oder halten Seminare ab, in der Hamburger-Weg-Lounge werden tatsächlich regelmäßig Schulklassen unterrichtet. Und so fort.

Auch dadurch ergeben sich immer wieder sinnvolle Synergien bei der Nutzung der Lebensmittel. „Eine nicht genutzte Möhre oder Paprika kann so auch am folgenden Tag noch auf den Tisch kommen“, meint Haugk, „natürlich wollen wir so wenig entsorgen wie möglich.“ Dazu gehört eben auch die Erfahrung über die Jahre. „Wir kennen inzwischen das Konsum- und Gästeverhalten und planen deshalb relativ gut“, meint Thomas Ranke-Hoffmann und macht dann noch ein wenig Werbung für sein Unternehmen: „Wir nehmen Nachhaltigkeit sehr ernst.“

Nun ist Rheinischer Sauerbraten nicht unbedingt jedermanns Sache. Aber das macht nichts. Currywurst und Brot gibt es ohnehin immer, gegen Mönchengladbach wird aber auch ein Meerbarbenspieß angeboten. Da darf man sicher sein, dass der erstklassig ist. Dies ist schließlich nicht von allem garantiert, was im Stadion geboten wird.