Hamburg. Trainer will jede Position doppelt besetzen. Während im Angriff Überangebot herrscht, könnte es auf offensiven Außenbahnen eng werden.
Eine Sekunde führte Finn Porath den Ball zu lange, schon hatte ihn Aaron Hunt erobert. „Finn, spiel klare Bälle“, rief ihm Trainer Bruno Labbadia an der Seitenlinie zu. Zum ersten Mal in dieser Saison trainierte der 18-Jährige am Dienstag bei den Profis mit. „Der Unterschied ist schon gewaltig, das Tempo ist sehr hoch“, sagte Porath nach der Vormittagseinheit. Und auch wenn Labbadia den Youngster einige Male auffordern musste, das Spiel nicht zu verlangsamen, hatte der Trainer hinterher gute Nachrichten zu verkünden. Porath darf an diesem Mittwoch mit der Bundesligamannschaft nach Belek fliegen. „Er ist eines unserer größten Talente. Wir wollen ihn im Trainingslager noch besser steuern“, sagte Labbadia am Dienstag.
Porath ist neben Dren Feka und Kerim Carolus der dritte Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, der den 29 Spieler umfassenden Profikader des HSV in der Türkei ergänzt. Zusammen mit dem verletzten Marcelo Díaz, der sein Rehaprogramm in Hamburg absolviert, kann Labbadia damit auf 30 Spieler zurückgreifen. Das Ziel ist es, jede Position doppelt zu besetzen. Das Abendblatt analysiert, auf welchen Positionen der HSV personell gut aufgestellt ist und wo es perspektivisch zu Problemen kommen könnte.
Tor: Hier muss sich Bruno Labbadia die wenigsten Sorgen machen. Mit René Adler verfügt der HSV über einen der besten Torhüter der Liga. Fällt der verletzungsanfällige Schlussmann aus, steht mit Jaroslav Drobny ein fast gleichwertiger Ersatz bereit. Beide haben noch einen Vertrag bis 2017. Dahinter sorgt der talentierte Andreas Hirzel, 22, für zusätzliche Konkurrenz. Er könnte perspektivisch die Rolle als Nummer zwei übernehmen.
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Abwehr: Spannung in den kommenden zwei Wochen verspricht der Konkurrenzkampf der Außenverteidiger. Dennis Diekmeier, zu Saisonbeginn auf rechts gesetzt, ist nach seinem Bänderriss wieder richtig fit und will seinen Platz, den Gotoku Sakai erfolgreich übernommen hatte, zurückerobern. Der beidfüßige Sakai könnte auch auf links spielen, wo Matthias Ostrzolek in der Hinrunde konkurrenzlos war und sich nach einem wochenlangen Formtief stabilisierte. Ashton Götz (rechts) und Ronny Marcos (links) haben ihre Bundesligatauglichkeit bislang erst bedingt unter Beweis gestellt und gelten allenfalls als Notlösungen. Dren Feka kann sowohl als Linksverteidiger als auch im defensiven Mittelfeld spielen und soll langsam an das Bundesligageschäft herangeführt werden.
In der Innenverteidigung gehen Kapitän Johan Djourou und Routinier Emir Spahic mit einem kleinen Vorsprung in die Rückrunde. Dahinter hat sich Cléber in der Hinrunde zu einem guten Bundesligaverteidiger entwickelt. Der Brasilianer dürfte in der Rückrunde seine Einsätze bekommen, da Spahic immer wieder mit Knöchelproblemen zu kämpfen hat. Ob der 35-jährige Bosnier über die Saison hinaus eine Zukunft beim HSV hat, soll im Frühjahr geklärt werden. Mit Gojko Kacar, der eigentlich im defensiven Mittelfeld eingeplant ist, verfügt Labbadia zudem über eine zuverlässige Innenverteidiger-Alternative.
Defensives Mittelfeld: Als Doppelsechs wäre die Formation Lewis Holtby und Albin Ekdal eigentlich gesetzt, doch der Schwede fällt wegen seiner Sprunggelenksverletzung noch wochenlang aus. Somit kämpfen zunächst Gideon Jung und Gojko Kacar um den Platz an der Seite des gesetzten Holtby. Der Chilene Marcelo Díaz (Muskelsehnenausriss) fällt ebenfalls noch mehrere Wochen aus und könnte bei einem entsprechenden Angebot noch wechseln. In diesem Fall bräuchte der HSV einen adäquaten Ersatz, da mit Ahmet Arslan nur noch ein weiterer Sechser im Kader steht. Finn Porath wird in der Rückrunde in der U19 oder bei den Amateuren spielen. Umso wichtiger ist es, dass Holtby, der am Dienstag wegen muskulärer Probleme pausierte, verletzungsfrei durch die Vorbereitung kommt.
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Offensives Mittelfeld: In der Dreierreihe sind Nicolai Müller (rechts), Aaron Hunt (zentral) und Ivo Ilicevic (links) zunächst gesetzt. Offensivallrounder Michael Gregoritsch ist auf allen drei Positionen die erste Alternative. Dahinter wird es aber schon eng. Denn Zoltan Stieber und Ivica Olic, den Labbadia meist auf Außen einsetzt, wollen den Club möglichst noch in dieser Transferperiode verlassen. Sollte es mit einem Wechsel klappen, ist Direktor Profifußball Peter Knäbel gezwungen, einen gleichwertigen Ersatz zu finden. „Ich will nicht viele Spieler hergeben, weil es nicht viele Spieler auf dem Markt gibt, die man bekommen und bezahlen kann“, sagt Trainer Labbadia.
Angriff: Auf keiner Position ist der HSV so zahlreich besetzt wie im Sturm. Zählt man die gelernten Mittelstürmer Olic und Gregoritsch dazu, verfügt Labbadia über sechs zentrale Angreifer. Das Problem: Artjoms Rudnevs, der beim HSV keine Perspektive mehr hat und dessen Gehalt man gerne für einen Neuzugang einsetzen würde, will nicht weg. Hinter Platzhirsch Pierre-Michel Lasogga sowie Sven Schipplock soll der junge Batuhan Altintas in der Rückrunde einen Sprung in der internen Hierarchie machen. In Belek bekommt er dafür endlich die nötige Spielpraxis.
Ob sich an dem 30-Mann-Gerüst noch etwas ändert, hängt maßgeblich davon ab, ob Olic noch einen neuen Club findet und der HSV für den wechselwilligen Díaz ein lukratives Angebot erhält. Ansonsten bliebe wohl alles beim Alten. Dass der HSV mit dem vorhandenen Kader wettbewerbsfähig ist, hat er in der Hinrunde zumindest bewiesen.