Hamburg. HSV-Trainer Labbadia eröffnet allen Spielern eine neue Perspektive. Auch ein Flüchtling trainiert bei den Profis mit - und überrascht.

Es war nicht leicht zu erkennen, ob die Spieler des HSV ihre Hausaufgaben gemacht hatten. Als sich die Mannschaft am Montag um 15.10 Uhr auf den Weg zur ersten Trainingseinheit des Jahres machte, hatten sich Kapitän Johan Djourou und seine Kollegen so dick eingekleidet, dass eine kurze Figurkontrolle kaum möglich war. Zweifel am Fitnesszustand seiner Spieler hegte Bruno Labbadia ohnehin nicht. „Bei der kurzen Pause und dem Programm, das wir ihnen mitgegeben haben, gehe ich nicht davon aus, dass die Weihnachtsgans zugeschlagen hat“, sagte der Trainer und lachte.

15 Tage hatte Labbadia seiner Mannschaft Zeit gegeben, sich vom Fußballjahr 2015 zu erholen. Viele Spieler nutzten die Pause für eine kurze Reise in die Sonne. Aaron Hunt flog nach Istanbul, Lewis Holtby nach Miami, Matthias Ostrzolek und Dennis Diekmeier zog es nach Dubai, Zoltán Stieber wählte die Malediven. Mit der Wärme war es am Montag allerdings wieder vorbei. Zum Trainingsstart in Hamburg herrschte Eiszeit. Innenverteidiger Cléber, pünktlich zum Beginn der Vorbereitung aus Brasilien zurück, hatte sich seine schwarze Wollmütze bei minus sechs Grad so tief in sein Gesicht gezogen, dass nur noch seine Augen zu erahnen waren. Mitleid mit seinen Spielern hatte Labbadia aber nicht. Schließlich bleiben ihm nur 18 Tage Zeit, den HSV auf den Rückrundenauftakt gegen den FC Bayern München am 22. Januar vorzubereiten. „Das ist keine Vorbereitung, das ist ein Übergang“, sagte Labbadia am Montag.

Wie erwartet startete der Trainer die Übergangsphase ohne einen Neuzugang. Und weil sich diese Situation möglicherweise bis zum Ende der Transferperiode auch nicht ändern wird, eröffnet Labbadia allen Spielern im Kader eine neue Perspektive. Auch denen, die beim HSV gar keine Perspektive mehr hatten. „Die Tür ist für jeden offen. Jeder kann ranrücken“, sagte der Trainer und meinte damit auch die wechselwilligen Ivica Olic und Zoltán Stieber sowie Artjoms Rudnevs, der in der Hinrunde keine Rolle gespielt hatte. „Man hat in der Vergangenheit gesehen, dass man immer alle Spieler brauchen kann. Daraus sollten wir lernen“, sagte Labbadia. Vor einem Jahr hatte Trainer Joe Zinnbauer im Trainingslager auf Ivo Ilicevic verzichtet, unter Labbadia wurde dieser wieder zum Stammspieler.

Baggert Nürnberg an Stieber?

Wenn der HSV am Mittwoch ins Trainingslager nach Belek fliegt, wird aus dem Profikader nur Marcelo Díaz fehlen. Der Chilene arbeitet nach seiner schweren Muskelverletzung in Hamburg an seiner Rückkehr, bleibt aber neben Stieber, an dem der 1. FC Nürnberg interessiert sein soll, und Olic ein Wechselkandidat. Dagegen ist Albin Ekdal in Belek dabei. Der Schwede bestreitet ein individuelles Rehaprogramm, wird nach seiner Sprunggelenksverletzung aber frühestens im Februar einsatzfähig sein. Deutlich schneller dürfte es bei Gojko Kacar gehen. Der Serbe, der sich Ende November einen Innenbandanriss im Knie zugezogen hatte, soll in Belek weiter Teile des Mannschaftstrainings mitmachen.

Testspieler Bakary Jatta
Testspieler Bakary Jatta © Witters

Am Montag vermissten die rund 200 Fans zudem noch den jungen Türken Batuhan Altintas, der nach Absprache erst am Mittag in Hamburg ankam und zunächst zum Laktattest geschickt wurde. Dafür durften die Zuschauer ein völlig neues Gesicht beobachten. Bakary Jatta, ein 17 Jahre alter Flüchtling aus Gambia, absolviert beim HSV ein zweitägiges Probetraining. Der Offensivspieler wurde in der Akademie Lothar Kannenberg gefördert und machte im Training einen richtig guten Eindruck. Das erste Tor im Abschlussspiel durch Sven Schipplock bereitete er mit einem dynamischen Antritt mustergültig vor. Ob er beim HSV eine Zukunft hat, ist aber fraglich. In Belek wird Jatta jedenfalls nicht dabei sein.

Labbadia will seine Zukunft geklärt haben

Und so muss Labbadia wie schon zum Start der Sommervorbereitung mit seinem vorhandenen Personal Vorlieb nehmen. Ein Problem sieht er darin nicht, schließlich habe man mit dem selben Kader eine „ordentliche“ Hinrunde gespielt. „Entscheidend ist, mit den Spielern, die wir haben, konsequent zu arbeiten. Wir glauben an unsere Spieler.“ Labbadia lebt die neue Bescheidenheit vor. Auch deshalb wird er in Kürze seinen Vertrag beim HSV verlängern. „Wir setzen uns in den kommenden Tagen zusammen, um das Thema vom Tisch zu bekommen.“

Labbadia ist „heiß“, wie er es am Montag noch einmal betonte. Heiß darauf, mit dem HSV etwas zu erreichen. Mit dem Abstieg soll der Verein in der Rückrunde möglichst nichts zu tun haben. „Die Gefahr gibt es immer. Genauso gibt es aber die Chance, nach vorne zu kommen.“ Und Labbadia will mit aller Macht nach vorne, daran ließ er bereits am Montag keine Zweifel. Als viele Fans aufgrund der eisigen Temperaturen den Volkspark wieder verlassen hatten und auf Autogramme verzichteten, beendete der Trainer um 16.50 Uhr eine intensive Einheit. Danach konnte er sich zumindest absolut sicher sein, dass auch der letzte Spieler die Weihnachtsgans verdaut hatte.