Hamburg. Kaum eine Anhängerschaft ist so reisefreudig wie die der Hamburger. Vor dem Spiel in Hoffenheim lobt Labbadia den HSV-Auswärtsmob.
Martina Lembkes Wecker wird früh klingeln an diesem Freitag. Um 6.20 Uhr muss die 32-Jährige ihr Haus in Ellerau verlassen, um 6.35 Uhr kommt die AKN-Bahn. Treffpunkt am Hamburger Hauptbahnhof ist um 7.30 Uhr, Abfahrt um 8 Uhr. Das Ziel? Sinsheim, sagt das Navi. Drei Auswärtspunkte, sagt die Immobilienkauffrau.
Lembke ist eine von mehr als 3000 HSV-Fans, die am Freitagabend beim Auswärtsspiel in Hoffenheim (20.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) dabei ist. „Es ist schon ein tolles Gefühl, dass wir fast jedes Auswärts- in ein Heimspiel verwandeln können“, sagt die Anhängerin, die seit acht Jahren Mitglied ist. „Der HSV gehört zur Familie“, sagt Lembke, die ihr letztes Auswärtsspiel vor 13 Monaten verpasst hat: „Da war ich im Krankenhaus.“
Tatsächlich gibt es kaum eine Anhängerschaft in der Bundesliga, die so reisefreudig ist wie die Fans des HSV. In den bisherigen fünf Auswärtsspielen (München, Köln, Gladbach, Ingolstadt, Berlin) reisten 25.000 HSV-Anhänger an. Bis auf das Freitagabendspiel in Mönchengladbach, für das 3200 Hamburger eine Karte gekauft hatten, wurden bei allen Auswärtspartien die Kontingente komplett ausgeschöpft. „Wir sind ja manchmal selbst verblüfft, wie viele HSV-Fans unseren Verein auswärts begleiten. Das ist schon Champions-League-verdächtig“, sagt Fanbetreuer Joachim Ranau, der nur das Reiseverhalten der Anhänger von Schalke, Dortmund, Bayern, Gladbach, Köln und Frankfurt für vergleichbar hält.
Relegations- und Reisemeister
Zumindest ein wenig stolz darauf ist auch Sascha Nitschner, der natürlich auch an diesem Abend in Hoffenheim dabei ist. „Wir sind Relegationsmeister. Und wir sind Reisemeister. Das ist doch was“, sagt der Vorsitzende vom Fanclub Iron Loyalty Hamburg, dessen Mitglieder in diesem Sommer für einen eigenen Fanclub-Neunsitzer als Auswärtsmobil zusammengelegt haben. „Heimspiel kann ja jeder“, sagt Nitschner, 39, der an diesem Freitag, zeitgleich zum Abschlusstraining des HSV in Bad Schönborn, gegen 10.30 Uhr in Tostedt bei Buchholz die Operation Heimspiel in Hoffenheim beginnt.
„Man merkt auswärts immer, dass unsere Fans ganz schön Rabatz machen. Der Zusammenhalt ist groß, das ist schon ein gutes Gefühl“, lobt Trainer Bruno Labbadia, der in Hoffenheim zwar nicht auf die Unterstützung der eigenen Anhänger, sehr wohl aber auf die Dienste von Abwehrchef Emir Spahic verzichten muss. Der Bosnier blieb wegen eines fiebrigen Infekts in Hamburg, für ihn soll der Brasilianer Cléber neben Johan Djourou verteidigen.
Dass drei Auswärtspunkte in Hoffenheim mit Hilfe der lautstarken Anhänger dennoch möglich sind, steht für den Neu-Hamburger Sven Schipplock außer Frage: „Der Support ist auswärts unglaublich groß. Stark, dass so viele HSV-Fans immer mitkommen“, sagt der frühere Stürmer von 1899 Hoffenheim, das bei Auswärtsspielen mit seinem Ex-Club immer nur von einer Handvoll von Leutchen begleitet wurde. „Das ist mit dem HSV schon eine ganz andere Hausnummer als noch in Hoffenheim“, so Schipplock.
HSV würde gerne Sonderfahrten anbieten
In der vergangenen Spielzeit, als der HSV insgesamt gerade mal drei Siege in der Ferne feiern konnte, verkaufte der Club insgesamt knapp 67.000 Auswärtskarten. Diese Zahl ist auch deshalb so bemerkenswert, weil es nach wiederholter Randale schon seit Langem keine organisierten Sonderzüge mehr für HSV-Fans gibt. Der Club würde diese zwar gerne anbieten, so Ranau, allerdings müsse man sich bislang mit organisierten Bustouren und Bahngruppenfahrten aushelfen. Auch der gerade gegründete Förderverein Nordtribüne e.V. will die Organisation von Auswärtsfahrten verbessern.
Bis dahin nehmen Anhänger wie Martina Lembke oder Sascha Nitschner die Organisation und Kosten gern weiter selbst in die Hand. 17 Euro zahlt Lembke für ihre Eintrittskarte, 53 Euro für die insgesamt 24-stündige Bustour hin und zurück. „Seit der HSV nicht mehr europäisch spielt, sind die Kosten überschaubar“, sagt Lembke, die aber genauso wenig wie Nitschner etwas dagegen hätte, wenn es bald sehr viel teurer für sie werden würde. „Der HSV ist mein Leben“, sagt Nitschner, dessen fünf Kinder selbstverständlich auch dem HSV die Daumen drücken.
Das gilt auch für das nächste Auswärtsspiel in Darmstadt. 2200 Gästekarten stehen dem HSV zu, 6500 Anfragen liegen vor. Selbstverständlich auch von Lembke und Nitschner.