Hamburg. Der HSV beschäftigt seit Jahren einen Koch. Von Tuchels strengen Ernährungsregeln beim BVB hält Labbadia nicht viel.

Bruno Labbadia ist ein Leckermaul. Ein überzeugtes Leckermaul. „Man muss sich auch mal was gönnen können“, sagt der HSV-Trainer, der einem gut gemachten Wiener Schnitzel und einem lange eingelegten Sauerbraten genauso wenig wie Süßigkeiten widerstehen kann. „Ab und an mal sündigen gehört dazu. Man muss nur wissen, wann man sich die eine oder andere Sünde erlauben darf. Und wenn ich gut gearbeitet habe, dann belohne ich mich auch mal selbst.“

Gut gearbeitet haben der HSV und Bruno Labbadia zuletzt ohne Zweifel. Wer nun aber glaubt, dass dem HSV-Trainer vor dem Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt (Sa/15.30 Uhr) die Ernährung mehr oder weniger egal sei, der irrt. Ganz gewaltig. „Ernährung ist wie Autofahren. Wenn ich einen hochmotorigen Sportwagen habe und ihn falsch betanke, dann habe ich an dem Auto keinen Spaß mehr“, sagt Labbadia, der überzeugt davon ist, dass die richtige Ernährung auch im Fußball eine immer größere Rolle spielt. „Wir versuchen, unsere Spieler immer mehr aufzuklären, wobei ich zunehmend das Gefühl habe, dass sich die meisten Profis schon längst von alleine um diese Themen gekümmert haben. Ihr Körper ist ja immerhin ihr Kapital.“

Nachdem eine spezielle Ernährung in anderen Sportarten schon seit Jahren ein großes Thema ist, scheinen tatsächlich auch immer mehr Fußballer auf ihr Essen zu achten. Besonders in Dortmund wurde seit Saisonbeginn viel über Thomas Tuchels Ernährungsumstellungen gesprochen. Der Trainer selbst hatte während seines Sabbatjahrs komplett auf Kohlenhydrate verzichtet und angeordnet, dass auch bei der Borussia ab sofort nach den Vorgaben von Athletiktrainer Rainer Schrey gekocht wird. Erste Erfolgserlebnisse sind bei Ilkay Gündogan zu beobachten, der einige Kilo abgenommen hat. Auf die Frage, warum der Nationalspieler nun unter Tuchel durchstartet, heißt es in Dortmund im Spaß: „Weil sein Hintern nicht mehr so dick ist.“

Labbadia will nicht jedem Trend blind folgen

Anders als Tuchel hält Labbadia aber nicht viel von ultimativen Regeln: „Natürlich gibt es bei uns keine Cola beim Essen, aber wir brauchen keine Regeln, weil die Spieler aufgeklärt sind. Ich kann sie ja schließlich auch zu Hause nicht kontrollieren.“ Dem HSV-Trainer ist deshalb wichtig, dass die Mannschaft so oft wie möglich miteinander isst. Täglich wird von Koch Mario Mosa Frühstück und Mittagessen angeboten. Dabei ist auch der Zeitpunkt nicht unwichtig. Anders als früher wird daher nicht mehr direkt vor einer Partie, sondern zwischen dreieinhalb und vier Stunden vorm Spiel gegessen. Gurken, Paprika und andere schwer verdauliche Produkte sind tabu, eiweißreiche Ernährung und die Zufuhr von Aminosäuren werden dagegen immer wichtiger. „Schon in meiner ersten Zeit in Hamburg vor sechs Jahren hatte ich das Gefühl, dass der HSV in Ernährungsfragen relativ weit war“, sagt Labbadia. „Vor allem begrüßte ich es, dass wir schon seit Jahren eine eigene Köchin oder einen eigenen Koch haben.“

So bereitet sich der HSV auf Frankfurt vor

Trainer Bruno Labbadia schaut ganz genau hin, was seine Mannschaft auf dem Platz so treibt
Trainer Bruno Labbadia schaut ganz genau hin, was seine Mannschaft auf dem Platz so treibt © WITTERS | TimGroothuis
Artjoms Rudnevs erst mit dem Fuß...
Artjoms Rudnevs erst mit dem Fuß... © WITTERS | TimGroothuis
... später dann mit dem Kopf am Ball
... später dann mit dem Kopf am Ball © WITTERS | TimGroothuis
Immer nur mit einem Ball spielen, wird auf Dauer ja auch langweilig – Marcelo Diaz auf dem Trainingsplatz mit vier Bällen
Immer nur mit einem Ball spielen, wird auf Dauer ja auch langweilig – Marcelo Diaz auf dem Trainingsplatz mit vier Bällen © WITTERS | TimGroothuis
Rollenwechsel? Lewis Holtby stellt sich ins Tor und pariert einen Schuss
Rollenwechsel? Lewis Holtby stellt sich ins Tor und pariert einen Schuss © WITTERS | TimGroothuis
Nicolai Müller bei der Ballannahme
Nicolai Müller bei der Ballannahme © WITTERS | TimGroothuis
Trainer Bruno Labbadia steckt die „Gegner“ in den Boden
Trainer Bruno Labbadia steckt die „Gegner“ in den Boden © WITTERS | TimGroothuis
Mit zwei Siegen im Gepäck trainiert es sich lockerer: Artjoms Rudnevs und Sven Schipplock
Mit zwei Siegen im Gepäck trainiert es sich lockerer: Artjoms Rudnevs und Sven Schipplock © WITTERS | TimGroothuis
Pierre-Michel Lasogga bei der Ballannahme
Pierre-Michel Lasogga bei der Ballannahme © WITTERS | TimGroothuis
Emir Spahic war wieder mit dabei
Emir Spahic war wieder mit dabei © WITTERS | TimGroothuis
Trainer Bruno Labbadia begutachtet einen Kopfball von Ivica Olic
Trainer Bruno Labbadia begutachtet einen Kopfball von Ivica Olic © WITTERS | TimGroothuis
Kunststückchen von Marcelo Diaz
Kunststückchen von Marcelo Diaz © WITTERS | TimGroothuis
Pierre-Michel Lasogga und Torwart Jaroslav Drobny
Pierre-Michel Lasogga und Torwart Jaroslav Drobny © WITTERS | TimGroothuis
Sven Schipplock beim Schussversuch
Sven Schipplock beim Schussversuch © WITTERS | TimGroothuis
Ivo Ilicevic mit neuer Zweikampftechnik?
Ivo Ilicevic mit neuer Zweikampftechnik? © WITTERS | TimGroothuis
Pierre-Michel Lasogga am Boden
Pierre-Michel Lasogga am Boden © WITTERS | TimGroothuis
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Seit elf Jahren, wenn man es ganz genau nimmt. Morgens bietet HSV-Koch Mosa Obst, Müsli, Vollkornbrot, Honig, Eier, mageren Aufschnitt und Nüsse an, mittags gibt es Geflügel oder Fisch mit Salat, Gemüse, Nudeln, Reis und Süßkartoffeln. Für einen wenig sinnvollen Trend hält Labbadia einen generellen Kohlenhydratverzicht: „Man muss in Sachen Ernährung aufpassen, dass man nicht jedem Trend blind folgt. Ich persönlich halte eine ausgewogene Ernährung für am wichtigsten. Ich würde auch Kohlenhydrate nicht verteufeln, wie das manch einer macht. Kohlenhydrate sind wichtig für eine schnelle Energiezufuhr. Aber die Spieler sind ohnehin erwachsen und müssen selbst wissen, was das Beste für sie ist. Wir müssen nur aufklären.“

Laut Labbadia gibt es immer mehr Spieler, die sich verstärkt von ganz allein über ihre Ernährung Gedanken machen. Als beispielsweise Pierre-Michel Lasogga im vergangenen Jahr das Tor nicht mehr treffen wollte, hat der Stürmer erfolgreich seine Ernährung umgestellt. Noch radikaler war Zoltan Stieber. Vor drei Jahren ist er zu einer Ernährungsberaterin gegangen. „Ich war oft müde, körperlich und auch geistig“, sagt der Ungar. Sie machten einen Test auf Nahrungsmittelunverträglichkeit. Seitdem verzichtet Stieber auf Kuhmilch und Schweinefleisch, nimmt zudem wie auch Tennisstar Novak Djokovic keine glutenhaltige Nahrung zu sich. Mit Erfolg. „Ich fühle mich im Alltag viel frischer“, sagt Stieber, der seit der Nahrungsumstellung auch keine muskulären Probleme mehr hatte.

Experte kritisiert Tuchels Regeln

Ein Beispiel, das die Theorie des Sportmediziners Michael Tank bestätigt. Der Nationalmannschaftsarzt der deutschen Beachvolleyballer vom Therapeutikum in Hamburg ist überzeugt von einer ganzheitlichen Betrachtung des Körpers. Dazu gehöre auch eine individuelle Ernährungsberatung. „Nicht jeder Mensch verträgt das gleiche Essen, so wie nicht jeder Motor den gleichen Sprit verträgt“, sagt er. Tank hält auch den Ansatz von BVB-Trainer Thomas Tuchel für richtig, aber noch nicht für bis zum Ende durchdacht. „Er dreht an der richtigen Schraube, insgesamt ist der Ansatz aber noch zu pauschal“, sagt Tank. Seine Kritik: Die Proficlubs würden sich in ihren medizinischen Abteilungen zu sehr um akute Verletzungen kümmern. „Es werden die Verletzungen repariert, aber nicht die vermeidbaren Ursachen.“

Viele muskuläre Verletzungen im Profifußball würden laut Tank auf chronischen Infektionen beruhen. Und diese seien mit der Standarddiagnostik der Schulmedizin nicht nachzuweisen. „Bei einem Darmproblem ist die Gefahr von muskulären Problemen im Oberschenkel dramatisch höher“, sagt Tank. Helfen könne neben einer ganzheitlichen Diagnostik auf Infekte oft schon eine Ernährung nach der Blutgruppendiät. Nach der Theorie des US-Naturheilkundlers Peter J. D’Adamo lässt sich anhand der Blutgruppe feststellen, welche Nahrungsmittel ein Mensch verträgt.

Doch bei aller Wissenschaft bleibt ein Punkt für Labbadia von zentraler Bedeutung: „Essen muss man genießen. Es ist wichtig, woher das Essen kommt, wie es zubereitet wird – und dass es schmeckt“, sagt der Trainer. „Nur gesund reicht nicht.“