Hamburg. Der HSV-Stürmer trifft nur selten und hat dennoch vor Lasogga die Nase vorn. Schipplock klärt angeblichen Streit mit Jenas Torwart auf.

Natürlich hatte auch Sven Schipplock die Szene des Wochenendes am späten Sonnabend im Fernsehen gesehen: BVB-Stürmer Pierre-Emerick Aubameyang war bei Dortmunds 4:0-Gala gegen Mönchengladbach alleine auf das Gladbacher Tor zugelaufen. Doch anstatt den Ball rechts oder links an Torhüter Yann Sommer vorbeizuschießen, legte der uneigennützige Torjäger den Ball lieber im letzten Moment quer auf den mitgelaufenen Henrikh Mkhitaryan, der nur noch ins leere Tor einschieben musste. Acht von zehn Bundesligastürmern, so die erste These, hätten das Tor selbst gemacht. Aubmeyang war Nummer neun. Und Schipplock, so die nächste These, wäre Nummer zehn gewesen.

„Das kann schon sein“, sagt Schipp­lock am Montagmittag im Bauch des Volksparkstadions. Dem Stürmer, der erst in der C-Jugend vom Abwehrspieler zum Angreifer umgeschult wurde, scheint der Sachverhalt ein wenig peinlich. „Es klingt vielleicht blöd, aber mir ist total egal, wer die Tore schießt. Tatsächlich ist mir am wichtigsten, dass am Ende die Mannschaft gewinnt.“

Schipplock ist Torjäger. Und dass Torjäger Tore schießen sollen, dürfte in etwa so klar sein wie die Annahme, dass Lehrer lehren, Pfleger pflegen oder Werber werben. Doch Werbung in eigener Sache, das ist Schipplocks Sache nicht. „Gerade in einer Stadt wie Hamburg wird ein Stürmer natürlich an Toren gemessen“, sagt der frühere Hoffenheimer, der im Sommer für 2,5 Millionen Euro an die Elbe gewechselt ist und in 96 Bundesligaspielen gerade mal 17 Treffer erzielen konnte. In fünf Bundesligaspielzeiten vor seinem Wechsel zum HSV wollten ihm sogar nie mehr als sechs Saisontore gelingen. „Ich bin auch happy, wenn mein Pressing dazu führt, dass ein anderer das Tor macht“, relativiert Schipplock.

Ein Angreifer also, der keine Tore schießt. In einer Mannschaft, die keine Tore schießt. Um daraus eine Erfolgsgeschichte zu machen, braucht es viel Fantasie. Und Trainer Bruno Labbadia hat diese Fantasie. „Ein Typ wie Sven ist wichtig für eine Mannschaft“, sagt Labbadia, der Schipplock vor vier Jahren in Stuttgart vom Amateur zum Profi beförderte. „Er gibt immer Vollgas und ist unermüdlich unterwegs.“

Schipplock mit einigen Topwerten gegen Bayern

Das war Schipplock auch am Freitag, als er beim Himmelfahrtskommando in München den Vorzug vor Pierre-Michel Lasogga erhielt. Und obwohl der 26 Jahre alte Schwabe am Ende des 0:5-Debakels nur einmal in die Richtung von Manuel Neuers Tor geschossen hatte, wurde nach der Partie kein Hamburger derart gelobt wie er. 83 Prozent seiner Pässe kamen an (HSV-Topwert), in 69 Minuten absolvierte Schipplock 17 Sprints (auch ein Topwert), machte 54 intensive Läufe (natürlich, ein Topwert) und das alles mit einer Spitzengeschwindigkeit von 32 km/h. Zum Vergleich: Bayerns neuer Raketenfußballer Douglas Costa war auch nur 0,5 Sekunden schneller. „Sven ist unser erster Verteidiger“, lobte also Labbadia. „Er kann dem Team einen Impuls geben, läuft den Gegner gut an.“

HSV verliert 0:5 bei den Bayern

Thomas Müler (l.) im Duell mit Emir Spahic
Thomas Müler (l.) im Duell mit Emir Spahic © Bongarts/Getty Images | Lennart Preiss
Robert Lewandowski (l.) läuft Dennis Diekmeier davon
Robert Lewandowski (l.) läuft Dennis Diekmeier davon © Bongarts/Getty Images | Lennart Preiss
Arturo Vidal (r.) und Lewis Holtby beim Zweikampf
Arturo Vidal (r.) und Lewis Holtby beim Zweikampf © Bongarts/Getty Images | Lennart Preiss
Münchens Arjen Robben (l-r) im Spiel gegen Hamburgs Gideon Jung und Lewis Holtby
Münchens Arjen Robben (l-r) im Spiel gegen Hamburgs Gideon Jung und Lewis Holtby © dpa | Peter Kneffel
So jubelt ein Doppeltorschütze: Thomas Müller
So jubelt ein Doppeltorschütze: Thomas Müller © dpa
Münchens Mehdi Benatia (m.) jubelt nach seinem Tor zum 1:0
Münchens Mehdi Benatia (m.) jubelt nach seinem Tor zum 1:0 © dpa | Sven Hoppe
Douglas Costa (l.) gegen Michael Gregoritsch
Douglas Costa (l.) gegen Michael Gregoritsch © Bongarts/Getty Images | Lennart Preiss
Hamburgs Dennis Diekmeier (l.) im Zweikampf mit Münchens Douglas Costa
Hamburgs Dennis Diekmeier (l.) im Zweikampf mit Münchens Douglas Costa © dpa | Peter Kneffel
Münchens Robert Lewandowski köpft knapp über die Latte
Münchens Robert Lewandowski köpft knapp über die Latte © dpa | Peter Kneffel
Hamburgs Albin Ekdal (l.) im Zweikampf mit Münchens David Alaba
Hamburgs Albin Ekdal (l.) im Zweikampf mit Münchens David Alaba © dpa | Peter Kneffel
Er ist nicht der Torschütze, dankt aber trotzdem dem Himmel: David Alaba zelebriert den Führungstreffer durch Benatia (nicht im Bild)
Er ist nicht der Torschütze, dankt aber trotzdem dem Himmel: David Alaba zelebriert den Führungstreffer durch Benatia (nicht im Bild) © Witters
Dem Auftaktspiel zur 53. Bundesligasaison war eine spektakuläre Eröffnungsfeier vorangegangen
Dem Auftaktspiel zur 53. Bundesligasaison war eine spektakuläre Eröffnungsfeier vorangegangen © Getty Images
Dabei gab es auch einen musikalischen Auftritt von Adel Tawil
Dabei gab es auch einen musikalischen Auftritt von Adel Tawil © Getty Images
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Verkürzt gesagt: Er macht alles das, was Lasogga nicht macht. Oder besser: nicht mehr macht. Denn Hamburgs treffsicherster Stürmer scheint derzeit schlechte Karten unter Trainer Labbadia zu haben. Gegen Bayern durfte der kräftige Angreifer gerade mal 20 Minuten spielen, im Pokal gegen Jena musste er nach 77 Minuten vom Platz. Und im Vorbereitungstest gegen Kassel holte Labbadia das Kraftpaket sogar schon nach 38 Minuten vom Rasen. „Es waren ein paar Sachen, die mir nicht so gefallen haben. Pierre hat nicht mehr so gearbeitet“, erklärte Labbadia nach dem Kassel-Spiel. „Wir haben den Gegner nicht so unter Druck gesetzt, nicht so die Ordnung gehalten. Deswegen haben wir frühzeitig gewechselt.“

Nun hat also vorerst Neuzugang Schipplock die Nase vorn. Ob er darauf gehofft oder zumindest daran gedacht hatte, dass es nach seinem Wechsel aus Hoffenheim so schnell gehen könnte? „Das Hoffen und Denken habe ich mir längst abgewöhnt“, sagt Schipplock, der die unfreiwillige Komik seines Satzes schnell bemerkt. „Puh“, sagt er, „in Hamburg muss man auf seine Sätze aufpassen. Hamburg und Hoffenheim, das ist wie Tag und Nacht.“

Schipplock klärt Streit mit Jena-Torwart auf

Bemerkt hat Schipplock das insbesondere nach dem Pokalspiel in Jena, als er sich ein verbales Scharmützel mit Carl-Zeiss-Torhüter Raphael Koczor erlaubte. Wenig später verriet Koczor der „Bild“-Zeitung, dass Schipplock dem Amateurkeeper „in jedem zweiten Satz“ erzählt haben soll, was er verdiene. „Das stimmte natürlich nicht. Aber das hat mir auch gezeigt, wie es in Hamburg so abgeht. In Hoffenheim wäre so ein Vorgang nicht mal eine Meldung wert gewesen.“

Beim HSV sei nun mal alles eine Nummer größer. „In Hoffenheim kam einmal die Woche der SWR vorbei, hier ist jeden Tag eine ganze Medienmannschaft am Start.“ Wirklich stören würde ihn der Rummel aber nicht. „Daran gewöhnt man sich.“

Längst gewöhnt hat sich Schipp­lock auch daran, dass er vor einem Spiel gegen den VfB Stuttgart noch mal gefragt wird, ob es ein „besonderes Spiel“ für ihn, den gebürtigen Schwaben und Ex-Stuttgarter, sei. „Ich freue mich total auf das Spiel, weil es mein erstes Heimspiel für den HSV ist. Aber der VfB macht diese Partie nicht mehr besonders“, sagt Schipplock, der noch immer regelmäßigen Kontakt mit Martin Harnik, Daniel Didavi und Christian Gentner habe. Aber Freundschaft hin oder her – gegen den VfB soll schon ein Sieg her. Ob er denn garantieren könne, dass der HSV gegen Stuttgart das erste Saisontor erzielt, fragt einer. „Ja“, antwortet Schipplock, „da bin ich mir sicher.“ Nur wer das schießt, welch Überraschung, das wisse der Torjäger nicht.