Hamburg/Jena. Im Pokal trifft der HSV auf Carl Zeiss Jena und den wohl originellsten Fußball-Geldgeber: die Metal-Band Heaven Shall Burn.
Eine Schnapsidee also, was sonst? Die auf der Hand liegende Erklärung, warum ausgerechnet die Heavy-Metal-Band Heaven Shall Burn Hauptsponsor des HSV-Pokalgegners Carl Zeiss Jena wurde, klingt einleuchtend. Sie ist nur leider völlig falsch. „Eigentlich war es alles andere als eine Schnapsidee“, sagt Maik Weichert, Gitarrist und so eine Art Bandsprecher. „Wir haben uns das alles schon sehr genau überlegt.“
Das alles, das ist das wohl ungewöhnlichste Sponsoring in Fußball-Deutschland. Seit Ende April ist Heaven Shall Burn ganz offiziell Jenas Hauptgeldgeber. Hier Carl Zeiss, der Viertligaclub, dessen große Zeiten rund 40 Jahre her sind. Dort Heaven Shall Burn, eine Metalcore-Band der härteren Sorte, die auf der ganzen Welt vor ausverkauften Stadien spielt. „Wer sich deren extremen Sound anhört“, schrieb der „Spiegel“, „wird nie mehr den Fehler machen, Bands wie Motörhead oder Metallica als hart zu bezeichnen.“ „Veto“, das letzte Album der Band, landete auf der Albumcharts sogar auf Platz zwei. „In der Metal-Szene spielen wir schon in der Champions League“, sagt Weichert, der sich nun auch noch als Regionalliga-Mäzen bezeichnen darf.
„Wir sind keine Investoren, sondern Fußballfans, die den Verein aus ihrer eigenen Region unterstützen wollen. Das ist auch schon die ganze Geschichte“, relativiert Weichert, der natürlich kolossal untertreibt. Denn die ganze Geschichte ist immerhin so außergewöhnlich, dass Medien aus der ganzen Welt im Frühjahr über den Einstieg der Band als Geldgeber von Carl Zeiss berichteten. „Mit so einem Wirbel hatten wir nicht gerechnet“, sagt Lutz Lindemann, Jenas Präsident.
Lindemann, 66 Jahre alt, hat im Fußball so ziemlich alles mitgemacht, was man mitgemacht haben kann. Als Spieler war er bei 21 DDR-Länderspielen dabei, 1981 stand er im Europapokalfinale. Er war Trainer, Manager, jetzt ist er Jenas Präsident. Und er ist vor allem überrascht. „Nach dem Einstieg von Heaven Shall Burn bekamen wir plötzlich Anfragen aus Peru, Namibia, Chile, Japan und Russland“, sagt Lindemann. „Für uns ist das natürlich eine unglaubliche Geschichte.“
Trikot-Bestellung aus Südamerika und Asien
Die unglaubliche Geschichte, die eben keine Schnapsidee war, begann mit einem ZDF-Interview. „Weil einer von uns dabei ein Carl-Zeiss-Trikot trug, wurde ich wenig später von Jenas Pressesprecher angerufen“, berichtet Weichert, der schon mit seinem Vater zu Carl Zeiss ins Stadion ging. „Die anderen Jungs fanden die Idee auch super, dass wir uns engagieren“, sagt Weichert, der nur die Höhe des Engagements nicht verraten will: „Es sind keine Peanuts, aber die genaue Summe geht nur das Finanzamt etwas an.“
Dabei dürften sich Jenas Finanzbeamte auch für die plötzlich gestiegenen Gewinne beim Trikotverkauf interessieren. So ist das Jersey mit dem Aufdruck „Heaven Shall Burn – support your local team“ seit Mai nicht nur in Jena ein Verkaufsschlager. Es gab sogar Bestellungen aus Südamerika und Asien. Trotzdem entschied sich die Band, in dieser Saison auf ihren Namen auf dem Trikot zu verzichten. „Die Publicity war unglaublich. Aber eigentlich wollten wir keine Egonummer aus der Sache machen“, erklärt Weichert.
Die Band zahlt also weiter, nur auf der Brust steht seit dieser Spielzeit ein anderer Name: Sea Shepherd, eine mutmaßlich militante Umweltschutzorganisation aus den USA. „Fußball ist wichtig“, sagt Weichert, „aber es gibt eben noch wichtigeres. Und Umweltschutz gehört nun mal dazu.“
Bus bringt Band von Tschechien nach Jena
Erneut dauerte es nicht lange, ehe sich auch diese Nachricht rund um den Globus herumgesprochen hatte. Die englische „The Sun“ berichtete, auch der „Daily Mirror“ und, für Heaven Shall Burn am überraschendsten, die „Super Illu“. „Das ich mal der ,Super Illu‘ ein Interview geben würde, hätte ich mir nicht erträumt“, sagt Weichert.
Dass er und seine Bandkollegen es ernst meinen mit ihrer Vereinsliebe, das machen die Musiker vor dem Spiel gegen den HSV am Sonntag um 14.30 Uhr deutlich. Am Freitag spielen sie auf einem Konzert in Portugal, am Sonnabend in Tschechien. „Dort haben wir einen Bus bestellt, der uns nachts aus Prag direkt nach Jena bringt, sodass wir am Sonntag pünktlich zum Anpfiff dabei sein sollten“, sagt Weichert, der eine Dauerkarte für die Südkurve („wo die ganzen Verrückten sind“) besitzt.
Dort nahm der 37 Jahre alte Musiker, der von Haus aus Jurist ist, auch am Mittwochabend gegen den FC Schönberg 85 Platz. 0:0 ging die Pokal-Generalprobe aus. „Regionalliga ist nun mal nicht Bundesliga, aber süchtig ist man trotzdem“, sagt Weichert, der am Wochenende mit einem starken Auftritt gegen den HSV rechnet. Immerhin zweimal – gegen Hellas Verona und gegen Hessen Kassel – hatte Jena bei Hamburger Testspielen spioniert.
Gegen den HSV hat Jena übrigens die nächste Überraschung auf der Brust geplant. Auf einer Pressekonferenz an diesem Freitag soll bekannt gegeben werden, dass für das eine Pokalspiel ein Familienunternehmen Jenas Trikots ziert. Das ist zwar nicht ganz so sexy wie Heaven Shall Burn oder Sea Shepherd, aber lukrativ. „Geldverdienen gehört zum Fußball nun mal dazu“, sagt Weichert. Alles andere wäre dann auch wirklich eine Schnapsidee.
Nach dem Pokalspiel am Sonntag in Jena folgt der HSV-Talk von Matz ab im Livestream auf abendblatt.de.