Laax. Die Verpflichtung des Skandalprofis Spahic sorgt in Hamburg für heftige Reaktionen. Auch Investor Kühne meldet sich zu Wort.
Es war 13.30 Uhr, als sich am Sonntag im Teamquartier des HSV in Graubünden eine Nachricht im Eiltempo verbreitete: Emir Spahic wechselt nach Hamburg. Der Bosnier unterschreibt im Volkspark einen Jahresvertrag. Nahezu zeitgleich zog sich Trainer Bruno Labbadia seine Laufschuhe an und machte sich bei 28 Grad im Schatten auf den Weg in die Berge. Man hätte meinen können, er wolle den Nachfragen der vor dem Hotel wartenden Medienvertreter aus dem Weg gehen. Schließlich wollten alle eines wissen: Warum verpflichtet der HSV einen 34 Jahre alten Innenverteidiger, der erst Anfang April nach einer Prügelei mit einem Ordner im Stadion von Bayer Leverkusen zunächst suspendiert und anschließend vom DFB für drei Monate gesperrt wurde?
Labbadia musste seinen Lauf durch die Bündner Berge abe,r nicht abbrechen. Zeitgleich veröffentlichte der HSV auf seiner Internetseite ein Interview, in dem der 49-Jährige ausführlich über den Transfer des Skandal-Profis Stellung bezog. Darin äußerte Labbadia seine Bedenken. Auch er habe die Stimmen für gerechtfertigt empfunden, die ihm von einer Spahic-Verpflichtung abgeraten hatten. In einem persönlichen Gespräch habe er sich aber von dem Verteidiger überzeugen lassen und Sportdirektor Peter Knäbel damit beauftragt, Spahic zum HSV zu holen. „Ich hatte das Gefühl, dass Emir weiß, dass er einen großen Fehler begangen hat. Seine Reue wirkte nicht gespielt auf mich, nicht aufgesetzt. Das war für mich entscheidend“, sagte Labbadia.
Heiße Diskussionen unter den Fans
In den Fanforen und den sozialen Medien sorgte die Nachricht des Spahic-Transfers für einen regelrechten Orkan an emotionsgetriebenen Wortbeiträgen. So wirklich einig waren sich die Kommentatoren aber nicht. Das Pendel der Meinungen bewegte sich irgendwo zwischen Fassungslosigkeit und Freude. Dazu gab es eine ordentliche Portion Häme und Ironie. Der Wechsel passe wie die Faust aufs Auge, schrieb ein User bei Twitter.
Ja, die Sache mit der Faust. Es war schon spät am Abend des 8. April. Bayer Leverkusen hatte gerade das DFB-Pokalviertelfinale gegen den FC Bayern München im Elfmeterschießen verloren. Und Spahic, der wollte noch gerne mit seinen Freunden in den VIP-Bereich. Was ihnen die Ordner verweigerten. Und Spahic wiederum nicht einsehen wollte. Es kam zu einer Rangelei, in dessen Folge Spahic mit seiner Faust einem Ordner mehrere Zähne beschädigte. Ein Schlag, der das Ende für den Bosnier bei Bayer bedeutete.
Während Labbadia in der Mittagshitze von Graubünden seine Runde lief, erreichte Sportdirektor Peter Knäbel das Quartier. Einen Tag zuvor hatte er noch den Wechsel des türkischen Sturmtalents Batuhan Altintas, 19, final geklärt. Und auch den neuen Jahresvertrag für den Serben Gojko Kacar konnte Knäbel am selben Tag verkünden. Doch an diesem Sonntag interessierte das nur wenige. Warum Spahic?
Erst wenige Tage ist es her, dass die HSV-Verantwortlichen ihr Profil für die potenziellen Neuzugänge präsentierten. Jung sollten sie sein. Entwicklungsfähig. Und möglichst günstig. Spahic ist nicht jung. Die Schwelle seiner sportlichen Entwicklungsfähigkeit dürfte er längst erreicht haben. Günstig, ja, das ist er. Nachdem Leverkusen den Vertrag mit Spahic aufgelöst hatte, konnte der HSV ihn ablösefrei verpflichten. „Emir schont unser Transferbudget“, sagte Knäbel.
Kühne ist froh über den Spahic-Deal
Entscheidend, das sagten der Sportdirektor und der Trainer unisono, sei aber die Überzeugung, dass Spahic dem HSV auf Anhieb sportlich helfen kann. „Es war der Wunsch des Trainers, die Abwehr zu stabilisieren. Mit Emir haben wir einen Stabilisator gefunden“, sagte Knäbel. Die Erfahrung des langjährigen Nationalspielers solle insbesondere den jungen Spielern helfen, sich zu entwickeln. Dass Spahic trotz seines gehobenen Alters sportliche Klasse mitbringt, darüber waren sich selbst die sozialen Netzwerker einig, die sich zunächst nur an die besagte Szene aus dem April erinnerten. Bis dahin gehörte Spahic bei Bayer zu den besten Innenverteidigern der Liga. Aufgrund seiner resoluten Art der Zweikampfführung gehört er unter den Bundesligastürmern nicht gerade zu den Lieblingsgegenspielern. Sogar Klaus-Michael Kühne sei froh, dass Spahic künftig in Hamburg spiele, ließ der HSV-Investor am Rande des Deutschen Galoppderbys in Horn verlauten.
Wäre da nicht die lange Akte an Eklats und Skandalen, die Spahic im Laufe seiner Karriere stetig und zuverlässig ergänzt hat. Schon 2009 wurde er bei Lokomotive Moskau suspendiert. Im ersten Jahr bei Bayer beging Spahic gegen Dortmunds Henrik Mkhitaryan eine Tätlichkeit – drei Spiele Sperre. Im März 2014 folgte die Mittelfingeraffäre in der Partie gegen Eintracht Braunschweig (15.000 Euro Strafe). In der abgelaufenen Saison sah er gleich zweimal Gelb-Rot. Immer wieder wird Spahic Opfer seines Kontrollverlusts.
Beim HSV, da soll nun alles besser werden. Zumindest was die Aussetzer betrifft. Spahic tue der Faustschlag sehr leid, meinte Knäbel. Das will man ihm gerne glauben, dem Bosnier. Labbadia habe ihn gefragt, ob er mit dieser Geschichte von der Bundesligabühne abtreten möchte. Spahic wollte das nicht. Und der HSV gibt ihm eine neue Chance. Knäbel: „Wir haben die Erkenntnis gewonnen, dass wir es wagen wollen.“