Hamburg. HSV-Sportdirektor Bernhard Peters stellt seine Nachwuchs-Pläne vor. Er plädiert für größere Risikobereitschaft bei Toptalenten.
Wenn es eines gibt, was Bernhard Peters verabscheut, dann sind es Pauschalisierungen. Und trotzdem ist es ausgerechnet ein weitverbreitetes Peters-Klischee, das beim Gesprächstermin in seinem Büro als Erstes auffällt: seine Adiletten. Die seien nun mal bequem, sagt Peters, dessen Latschen durch den mannschaftsinternen Klassenerhalts-Gassenhauer „Bernie, zieh die Schlappen aus“ über die Geschäftsstelle des HSV hinaus einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangten.
Dass die Badelatschen Gesprächsthema sind, ärgert den gebürtigen Westfalen nicht wirklich. Dass Außenstehende eine seiner Meinung nach undifferenzierte Bilanz seiner Tätigkeit nach zehn Monaten im Nachwuchsbereich ziehen, ärgert den HSV-Sportdirektor umso mehr. „Es ist noch nichts Wahrnehmbares im Nachwuchsbereich geschaffen worden“, hatte HSVPlus-Initiator Otto Rieckhoff auf der Mitgliederversammlung gesagt. Ein Vorwurf, den Peters so nicht stehen lassen will. „Wir sind mit allen Nachwuchsmannschaften besser als in der vergangenen Saison, wobei mich dieses Ergebnis nur sekundär interessiert“, sagt er. „Viel wichtiger ist, dass wir uns perspektivisch besser aufstellen zwischen der U13 und der U16, um dann gezielt mit Toptalenten einen draufzusetzen.“
Es ist 11 Uhr am Vormittag, und Peters hält sich nicht lange mit Smal Talk auf. Der 55-Jährige zeigt auf den Flachbildschirm an seiner Wand, auf der eine Powerpoint-Präsentation zur Entwicklung des Nachwuchsbereichs zu sehen ist. Am Montag präsentiert er sein überarbeitetes Konzept dem Aufsichtsrat. „Wir waren in allen wichtigen Bereichen hintendran. Aber wir haben enorm viel angestoßen in den vergangenen zehn Monaten“, sagt Peters und klickt von Flipchart zu Flipchart. Dabei relativiert er Dietmar Beiersdorfers Behauptung, der HSV sei von 20 Clubs abgehängt: „Trotzdem wird es zwei bis drei Jahre dauern, bis wir im Nachwuchsbereich gut aufgestellt sind.“
„Brauchen ein Paradigmenwechsel im Scouting“
Dass aber die Scoutingabteilung vor einem Jahr nicht einmal diese Bezeichnung verdient hatte, will auch Peters nicht beschönigen: „Das Scouting war für den Leistungsbereich Jugend wenig systematisch existent.“ Dabei ist dem früheren Hoffenheimer wichtig, dass es ihm nicht um Personen, sondern vor allem um Inhalte geht. „Wir brauchen ein Paradigmenwechsel im Scouting“, sagt er und erklärt: Besonders das regionale Scouting in den Altersklassen bis U16 müsse gestärkt werden, zudem müssten hohe Ablösesummen für internationale Toptalente in den älteren Altersklassen möglich sein.
Bernhard Peters weiß, dass es ein schmaler Grat zwischen Gegenwart und Zukunft ist. Einerseits gilt es, theoretisch die kommenden Jahre zu planen, andererseits muss der HSV ganz praktisch in diesem Sommer die Abgänge von gleich vier Jugendnationalspielern (Thore Jacobsen, Melvin Krol, Vitaly Janelt und Niklas Thiel) verkraften. Dass der HSV aber gegen zahlungskräftige Vereine wie RB Leipzig und den VfL Wolfsburg den Anschluss zu verlieren droht, wie es U23-Trainer Joe Zinnbauer in Aussicht gestellt hat, glaubt er nicht: „Wir müssen den Talenten nur besser als früher einen verlässlichen, personalisierten und konkreten Laufbahnplan klarmachen.“
Ganz konkret fordert Peters vor allem eine Modifizierung des Trainings. „Unser individuelles Training wollen wir verstärken“, sagt der Sportdirektor und zeigt das entsprechende Flipchart. So ist Sebastian Schmidt, ein früherer Schüler von Ex-HSV-Trainer Ricardo Moniz, neuer Chefindividualtrainer. Er soll die Einsätze eines Offensivtrainers (Mehdi Mahdavikia), eines Defensivcoaches und eines Standardtrainers (werden noch bekannt gegeben) koordinieren. Zudem ist der gerade von Arminia Bielefeld verpflichtete Marco Kostmann für die Ausbildungskonzeption der Torhüter im gesamten Nachwuchs verantwortlich. „Wir hatten vor einem Jahr im Nachwuchs einen einzigen Torwarttrainer als Honorarkraft, jetzt haben wir sechs Torwarttrainer insgesamt“, sagt Peters.
Gesucht wird noch ein Trainermanager
Das Personaltableau kann aus Peters Sicht aber nur ein Anfang sein. Auch Persönlichkeitskompetenzen sollen entwickelt werden: „Wir wollen uns ganzheitlich um die Jungs kümmern“, sagt der frühere Hockeynationaltrainer. Zwei Workshops sind in Planung: Wettmanipulation und Spielsucht sowie Ernährungsberatung. Auch Interviewtraining mit einem Medienvertreter kann sich Peters vorstellen, der zudem gemeinsame Sportstunden mit Kindern aus den Behindertenwerkstätten in Norderstedt anregt: „Wir wollen auch soziale Kompetenzen schulen.“
Der Fokus liege aber natürlich auf der fußballerischen Ausbildung. Deswegen ist Peters auch die interne Trainerfortbildung so wichtig. Gesucht wird noch ein Trainermanager und ein sogenannter Übergangstrainer, der die Brücke zwischen Nachwuchsbereich und Profis schlagen soll. Peters springt von Flipchart zu Flipchart. Nur bei einem Thema reagiert der Sportdirektor reserviert. Dass er selbst nicht mehr als eine Art Übertrainer vom jeweiligen Bundesligacoach auftritt, will er nicht kommentieren. Im Gegensatz zu Joe Zinnbauer, dessen Kabinenansprachen Peters teilweise mit Videokamera gefilmt hatte, soll sich Nachfolger Bruno Labbadia dagegen verwehrt haben. „Bruno Labbadia ist ein gestandener Trainer“, antwortet Peters einsilbig.
Und was kann man vom HSV-Nachwuchs in ein paar Jahren erwarten? „Ich bin kein Ankündigungsweltmeister“, sagt „Schlappen-Bernie“. „Wenn man nicht ständig den Prozess weiterführt, dann geht nach einem Jahr alles flöten.“