Hamburg. Schon wieder Leverkusen, mag sich mancher HSV-Fan denken. Nach Son, Öztunali und Calhanoglu macht Bayer nun auch bei Tah Ernst.
Es ist kein Geheimnis, dass die unergründlichen Weiten des Internets tückisch sind. So machte am Donnerstag in diesem World-Wide-Web die Runde, dass HSV-Profi Jonathan Tah bei Facebook sein Profilbild geändert habe. Nach all den Wechselgerüchten der vergangenen Tage sei er plötzlich demonstrativ im Trikot mit der Raute zu sehen, konnte man wenige Sekunden später in den sozialen Netzen lesen. Wenn das kein Zeichen ist.
Es war kein Zeichen. Auchdas Abendblatt war auf eine Fanpage reingefallen. Denn das Blöde an Tahs Facebook-Profil ist, dass es gar nicht Tahs Facebook-Profil ist. „Wie in der Beschreibung deutlich zu lesen ist, ist dies eine Seite FÜR und nicht VON Jonathan Tah“, steht in einer Erklärung geschrieben. Und das gewünschte Bekenntnis zum HSV? Pustekuchen.
Nur beim HSV hat sich niemand gewundert. Denn statt auf die Kommunikation im Internet zu setzen, hat Sportchef Peter Knäbel schon vor einigen Tagen ganz altmodisch das Gespräch mit dem umworbenen Tah gesucht. Der Grund: Nach Gerüchten über ein Interesse von Bayer Leverkusen (das Abendblatt berichtete) hat der Werksclub nun auch ganz offiziell sein Interesse am Abwehrtalent beim HSV und eben auch bei Tah hinterlegt. Dabei dürfte es wenig verwundert haben, dass dieses Interesse auf der einen Seite (Tah) auf große Gegenliebe stieß, auf der anderen Seite (HSV) dagegen nicht wirklich. Zumindest nicht offiziell.
Tah-Dilemma begann vor anderthalb Jahren
„Wir wollen Jonathan nicht abgeben“, hat Sportchef Knäbel eilig versichert – und dabei nur die halbe Wahrheit verraten. Denn wie so oft im Fußball ist auch ein möglicher Verkauf Tahs am Ende nur eine Frage des Geldes. Und nach Abendblatt-Informationen wäre der HSV durchaus bereit, den zuletzt an Fortuna Düsseldorf verliehenen Innenverteidiger auch unter der festgeschriebenen Ablöse von 15 Millionen Euro abzugeben. „Wenn es Angebote gäbe, würden wir sie genau prüfen“, sagt Knäbel im besten Diplomatensprech. Bei fünf bis sechs Millionen Euro soll der HSV gesprächsbereit sein.
Aber alles der Reihe nach: Es ist anderthalb Jahre her, dass aus dem gefeierten „Supertalent“ (O-Ton Ex-Sportchef Oliver Kreuzer) ein Superproblemfall wurde. Nachdem mutmaßlich Tahs Vater den neuen Millionen-Vertrag des Juniors veröffentlichte, fiel dieser in ein tiefes Formloch. Unter Ex-Trainer Mirko Slomka durfte der damals 18-Jährige nur noch 14 Minuten spielen, nachdem er unter Slomka-Vorgänger Bert van Marwijk noch in 15 Spielen in der Innenverteidigung gesetzt war. Im vergangenen Sommer zog Tah die Konsequenzen und wechselte – zunächst mehrfach die Berater, dann auf Leihbasis auch den Verein.
Wildert Leverkusen erneut beim HSV?
In Düsseldorf konnte sich der Youngster endlich wieder ausschließlich auf Fußball konzentrieren. Bei der Fortuna erkämpfte er sich schnell einen Stammplatz, hatte allerdings besonders in der Rückrunde erneut Formschwankungen. Dass der nun 19-Jährige aber noch immer ein Talent ist, daran gibt es kaum Zweifel. Sehr wohl gibt es diese bei der Frage, ob sich Tah schon in der kommenden Saison beim HSV durchsetzen könnte.
Und genau an dieser Stelle kommt Leverkusen ins Spiel. Ausgerechnet Leverkusen. Denn in Hamburg reagiert man reflexartig besorgt auf Bayer-Offerten, nachdem es in den vergangenen zwei Jahren mit Heung-Min Son (22), Hakan Calhanoglu (21) und vor allem Uwe Seelers Enkel Levin Öztunali (19) gleich drei HSV-Toptalente in den Westen zog. Öztunali, derzeit nach Bremen verliehen, wechselte ablösefrei, für Son (zehn Millionen Euro) und Calhanoglu (14,5 Millionen Euro) erhielt der HSV millionenschwere Trostpflaster.
Westermann-Zukunft hängt von Tah-Verbleib ab
Und nun also Tah. Bei einem ersten informellen Austausch soll Bayer angedeutet haben, dass der Club bereit wäre, drei bis vier Millionen Euro für den früheren Kapitän der U17-Nationalmannschaft auszugeben. Zu wenig, finden Hamburgs Verantwortliche. Doch anders als vor einem Jahr, als sich der Wechsel Calhanoglus über Wochen hinzog, soll nun möglichst zeitnah eine endgültige Entscheidung über einen möglichen Verkauf Tahs fallen. Denn obwohl man beim HSV nicht endgültig von Tahs Potenzial überzeugt scheint, hätte ein Transfer des Abwehrmanns weitreichende Folgen.
So soll besonders die Zukunft des nun vertraglosen Heiko Westermanns, an dem auch Eintracht Frankfurt Interesse hat, mittelbar von einer Tah-Entscheidung abhängen. Denn ohne Westermann, Slobodan Rajkovic (ebenfalls ablösefrei), Lasse Sobiech (soll verkauft werden) und eben Tah hätte der HSV mit Johan Djourou und Cléber plötzlich nur noch zwei Innenverteidiger. Eine Notsituation, die Knäbel vermeiden will. Vorerst bleibt dem Manager allerdings nichts übrig, als offiziell Tahs Wert für den HSV zu betonen – und zumindest inoffiziell auf ein Zeichen zu warten. Ein wirkliches Zeichen.