Hamburg. 30-Jähriger trainiert derzeit mit der Schweiz. Für den HSV soll er nie wieder spielen. Die Geschichte eines teuren Missverständnisses.

Im Hotel Belvédère im Schweizer Spiez ist man hohen Fußballerbesuch gewohnt. Die deutsche Nationalmannschaft etwa bereitete sich am Südufer des Thuner Sees 1954 auf ihr Wunder von Bern vor. Auch der HSV war mit Trainer Klaus Toppmöller 2004 zu Gast. Doch einen Auftritt wie am Dienstag von Valon Behrami hat es in dem altehrwürdigen Haus noch nie gegeben. Während seine Hamburger Kollegen noch immer den Klassenerhalt des HSV feierten, fuhr der extravagante Fußballer in Spiez vor. Mit rotem Ferrari, knallblauem Rucksack und blondierten Haaren. „Krasse Karre, das muss man ihm lassen“, schrieb das Schweizer Internetportal „Watson“.

Die „krasse Karre“ beeindruckt, Behrami selbst gelingt das kaum noch. So stellte sich am Tag nach der Rettung vom Wildpark die Frage, warum der Nationalspieler als einziger Hamburger nicht live dabei war. Die Antwort ist so simpel wie unmissverständlich: Behrami spielt bereits seit Wochen keine Rolle mehr – und trotz laufenden Vertrags bis 2017 wird er auch in Zukunft beim HSV keine Rolle mehr spielen.

HSV-Sportchef Knäbel erklärt, wie es jetzt weitergeht

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    Behrami hat Abstinenz angekündigt

    „Wir prüfen noch, ob und wie Valon in unser Team integrierbar ist“, sagt Sportchef Peter Knäbel offiziell. Dabei ist diese Prüfung längst abgeschlossen. Wie das Abendblatt erfuhr, hat Behrami Hamburgs Verantwortlichen mitgeteilt, dass er nicht beim Trainingsstart am 30. Juni dabei sein wird. Zudem hat es bereits ein Gespräch zwischen Knäbel und einem Berater Behramis gegeben, in dem sich darauf verständigt wurde, dass sich der 30 Jahre alte Fußballer in Italien nach einem neuen Club umschauen soll.

    Sechs Wochen pausierte Behrami zuletzt verletzt. Dass sich der Mittelfeldmann nun ausgerechnet am Tag nach dem letzten Saisonspiel vom Arzt gesundschreiben ließ, um zur Schweizer Nati zu reisen, stört in Hamburg aber niemanden. Im Gegenteil. „Mit dem Schweizer Verband ist alles korrekt abgelaufen. Der Verband hat das Recht, Valon zu nominieren“, sagt Knäbel, der früher selbst Sportlicher Direktor der Eidgenossen war. Was er nicht sagt: Insgeheim hofften Hamburgs Offizielle sogar, dass Behrami den Belastungstest am gestrigen Mittwoch bestanden hat und sich für das Länderspiel in Liechtenstein am kommenden Mittwoch einsatzfähig meldet. Der Grund: Nur ein gesunder Behrami, der vor einem Jahr für 3,5 Millionen Euro vom SSC Neapel gekommen war, kann sich für einen neuen Verein empfehlen. Auf eine erneute Ablöse kann der HSV wohl nicht mehr hoffen, allerdings würde sich der Club das Gehalt von rund drei Millionen Euro gerne sparen.

    Bleibt die Frage: Wie konnte es in nur einem Jahr soweit kommen?

    Wer Behramis Zeit in Hamburg verstehen will, der muss Behramis Zeit vor Hamburg verstehen. Im albanischen Titova Mitrovica geboren, musste der „Aggressive Leader“ (Ex-Trainer Joe Zinnbauer über Behrami) schon früh lernen, sich mit allen Mitteln durchzusetzen. Mit fünf Jahren zog seine Familie aus dem Kosovo in den Schweizer Kanton Tessin. Zwei Koffer hatten die Behramis dabei, Vater Ragip schleppte Salamikisten in Lastwagen, Mutter Halime hat geputzt. „Wenn du mit nichts kommst, bleibt dir nur ein Weg: arbeiten, um etwas zu erreichen. Dieser Ehrgeiz steckt tief in mir“, sagte Behrami mal der „Sportbild“.

    Behrami eckte wiederholt an

    Und Behrami arbeitete. An sich. Aber vor allem an seinem Image. Wer nicht für ihn war, war gegen ihn. Besonders jüngeren Spielern zeigte Behrami in der Kabine und auch auf dem Platz deutlich auf, was das Wort Hierarchie bedeutet. Clubchef Dietmar Beiersdorfer hatte den Schweizer vor allem mit dem Versprechen nach Hamburg gelockt, als Führungsspieler neuer Mittelfeldchef zu werden. Und der Chef hat nun mal das Sagen.

    So war es nur eine Frage der Zeit, bis Behrami aneckte. In der Mannschaft, mit den Trainern und sogar mit dem Vorstand. Er stritt sich mit Pierre-Michel Lasogga, schlug sich in der Kabine mit Johan Djourou. Er legte sich mit Zinnbauer an, widersprach Kurzzeit-Co-Trainer Peter Hermann. Als dieser im Training seine Pässe maßregelte, sah Behrami Rot („What the f***! Was willst Du von mir?“). Athletiktrainer Carsten Schünemann drehte die dröhnende Musik im Kraftraum leiser, Behrami drehte sie umgehend wieder auf. Und auch vor den Clubchefs hatte der Schweizer keinen Respekt.

    Die Wände sollen gewackelt haben

    Hinter verschlossenen Türen sollen in Knäbels Büro bei einem Vieraugengespräch einmal die Wände gewackelt haben. Zudem war Behramis körperlicher Zustand ein Dauerthema. Dass seine Knie chronisch kaputt sind, wussten die Verantwortlichen. Dass Behrami nicht viel von Reha hält, dagegen nicht. Besonders seine Entscheidung, direkt nach der schweren Knie-OP im Winter in den Urlaub nach Dubai zu jetten, sorgte für Ärger.

    Doch erst Trainer Bruno Labbadia war es, der dem Spuck ein Ende bereitete. Nachdem Behrami bei Labbadias HSV-Debüt in Bremen mit Rot vom Platz flog, sortierte er den Dauerquerulanten aus. Oberschenkelzerrung, so hieß das offiziell. Inoffiziell war bald klar: Der Schweizer Nationalspieler wird nie wieder für den HSV spielen.

    „Hamburg bleibt für mich eine negative Erfahrung“, hatte Behrami kürzlich zu Sky Italia gesagt. Eine Einschätzung, die auf Gegenseitigkeit beruht.