Hamburg. Huub Stevens kämpft mit Stuttgart gegen den Abstieg. Sonnabend kommt der HSV - und der Niederländer fordert den nächsten Schritt.
Es gibt tatsächlich Menschen in dieser Stadt, die das Lachen von Huub Stevens als Klingelton auf ihrem Handy haben. Ein kehliges „Ha ha, haha“, unverwechselbar, einmalig. Eine Erinnerung an damals, als der Niederländer beim HSV Trainer war. Und die Mannschaft in seinem ersten halben Jahr von Platz 18 über den UI-Cup in den Uefa-Pokal führte. Der in seinem nur 17-monatigen Engagement in Hamburg zwischen dem Februar 2007 und Juni 2008 tiefen Eindruck hinterlassen hatte. Nicht nur wegen seines charakteristischen Lachens.
Dieser Tage ist er wieder guter Laune. Sollte es jedenfalls sein. Anmerken aber lässt er sich das nicht. Der VfB Stuttgart, so heißt es, „lebt noch“. Hat es „in eigener Hand“ den Abstieg aus der Bundesliga doch noch zu vermeiden, ist nach dem 2:0-Sieg gegen Mainz 05 vom Sonntag „im Aufwind“.
Doch der Trainer drosselt jede aufkeimende Euphorie: „Wir haben gerade ein Spiel gewonnen“, sagt er, „ich werde den Spielern bewusst machen, was nun gefragt ist. Damit beginnt die Vorbereitung auf das nächste Spiel.“ Das gegen den HSV nämlich, am Sonnabend um 15.30 Uhr (Sky und Liveticker bei abendblatt.de). „Wir müssen jetzt gegen den HSV den nächsten Schritt machen“, fordert Stevens. Es klingt wie eine Drohung – für Hamburger Ohren.
David Jarolim war Teil jener HSV-Mannschaft, die unter Trainer Thomas Doll eine miserable Hinrunde 2006 spielte und sich in massiver Abstiegsgefahr befand. Ein Sieg stand nach 19 Spieltagen zu Buche, Platz 18. Das war des Schlechten zuviel. Sympathieträger Thomas Doll, der noch die Winter-Vorbereitung in Dubai mitmachen durfte, musste gehen.
Stevens übernahm quasi von einem Tag auf den anderen, saß schon bei der 1:2-Niederlage bei Hertha BSC auf der Bank, obwohl er noch keine Ahnung von seinem Team hatte und vorher keinen Kontakt. Direkt nach Berlin war er angereist, direkt ins Olympiastadion. „Ich konnte gar keinen Einfluss nehmen, wollte eigentlich nicht auf der Bank dabei sein“, erzählte Stevens einmal über den Beginn seiner Tätigkeit beim HSV, „aber dann habe ich gespürt, dass die Spieler das wollten, das ganze Team. Da habe ich mir gedacht, dass ich sie nicht im Stich lassen konnte.“ Er fuhr dann mit dem Mannschaftsbus nach Hamburg zurück, „da fing meine Arbeit an.“
Ibisevic und Leitner unter Stevens außen vor
„Er redet sehr viel mit den Spielern und in der Kabine“, erinnert sich Jarolim an den „HSV-Retter“ Stevens, „er ist hart, aber fair.“ Dann sagt Jarolim tatsächlich noch die beiden Sätze, die im Zusammenhang mit Huub Stevens immer fallen, wenn der mittlerweile 61 Jahre alte Ex-Nationalspieler beschrieben werden soll: „Er versucht immer, zu null zu spielen“, und: „Er legt großen Wert auf Disziplin.“ Das gilt natürlich immer noch, auch in Stuttgart.
„Er mag es überhaupt nicht, wenn Spieler seinen Anweisungen nicht folgen“, erinnert sich Jarolim, „wer nicht mitzieht, ist irgendwann draußen.“ So ging es BVB-Leihspieler Moritz Leitner, der ein, zwei Mal zu oft über sein Reservistendasein moserte und im Training nicht überzeugte. Der hitzköpfige Stürmer Vedad Ibisevic hat keine Chance mehr im Duell mit Daniel Ginczek und fand sich zuletzt ebenfalls nur auf der Tribüne wieder. „Die Spieler stellen sich selber auf“, sagt Stevens dazu.
Hubertus Jozef Margaretha Stevens wurde im November 1953 in Sittard geboren. Eine Stadt in der niederländischen Provinz Limburg – und keinesfalls in Holland. Das ist Stevens stets wichtig: „Ich bin kein Holländer“. Da wird aus einem Gespräch über Fußball schnell mal ein Exkurs in niederländische Geografie, da kann er tatsächlich zum „Knurrer“ werden. Vor allem, wenn der gleiche Fehler mehrmals passiert ist. Aufpassen, lernen, Respekt haben. Im Leben wie im Fußball. „Wenn er über den Platz ruft, bekommt man fast eine Gänsehaut“, sagt VfB-Stürmer Martin Harnick. Aber das ist eben nur die eine Seite des Trainers Huub Stevens. Die andere ist das Lachen und die Lockerheit. „Er bringt viel Spaß in die Mannschaft“, berichtet der 18 Jahre alte Timo Werner.
Jarolim kennt das auch noch: „Wenn es gut gelaufen ist, ist er super drauf, bei einer Niederlage hat er extrem schlechte Laune.“ Die Spieler aber behandelt er eher antizyklisch. Locker bleiben in der Krise, mahnen nach dem Erfolg. Wie nach dem Sieg gegen Mainz, als er nach dem Schlusspfiff die beginnenden Jubelarien unterbrach und erstmals in dieser Saison seine Spieler am Mittelkreis zusammentrommelte und eine Ansprache hielt: „Wir stehen immer noch unten.“
Wer zuletzt lacht, der lacht am besten
Am 25. November 2014 heuerte Stevens erneut beim VfB an. So wie im Frühjahr davor, als er im März als Nachfolger von Thomas Schneider inthronisiert wurde und in seinem ersten Spiel – natürlich – den HSV mit 1:0 bezwang. Am Ende hatten die Schwaben als 15. fünf Zähler mehr als die Hamburger auf Rang 16. Der Niederländer hatte danach seine Schuldigkeit getan, der Niederländer konnte wieder gehen.
Meistertrainer Armin Veh sollte dem VfB Glanz und Offensive zurückbringen und schöne Erinnerungen. Als Veh nach dem zwölften Spieltag hinwarf, war der VfB bereits Letzter. Auch diesmal soll Stevens nach der Saison wieder gehen, unabhängig vom Erfolg. Der einstige Leipzig-Coach Alexander Zorniger kommt. Stevens aber ist zunehmend genervt davon, dass ihm am Neckar zwar Retter-Ruhmes-Kränze geflochten werden, gleichzeitig aber schon wieder ein Nachfolger bereit steht. „Wer sagt das?“, echauffierte er sich im ZDF, „es ist gar nichts perfekt.“
Zwei Spiele sind es noch, die der VfB gegen die direkten Kontrahenten HSV und Paderborn gewinnen kann und will. Dann hätte Stevens wieder einmal einen Verein gerettet, entgegen vieler Vorzeichen. Wer zuletzt lacht, der lacht ja am besten, sagt man. Und Huub Stevens lacht gerne.