Der HSV hat so viel ausgegeben wie nie zuvor. Die Quittung der DFL folgt: Bei Abstieg muss der HSV bis zum 3. Juni Lizenz-Bedingungen erfüllen.
Das Thema des Abends klang trotz aller sportlichen Sorgen vielversprechend: „90 Minuten HSV – Hamburgs Fußball-Traditionsclub als Wirtschaftsunternehmung – wie gelingt der Turnaround?“, stand auf der Einladungskarte geschrieben. Das Bankhaus „Hauck & Aufhäuser Privatbankiers“ hatte 40 Finanzexperten aus der Wirtschaft am vergangenen Mittwochabend gemeinsam mit dem HSV zu einem Vortragsabend geladen.
Im VIP-Bereich West des Volksparkstadions wurden Currywurst und Labskaus gereicht, Clubchef Dietmar Beiersdorfer erläuterte kurz die Verpflichtung des Tages von Bruno Labbadia, Marketingvorstand Joachim Hilke stellte „Die Marke HSV“ vor. Dann sollte es ans Eingemachte gehen.
Finanzvorstand Frank Wettstein hatte das Wort. Auf der Agenda stand das Thema „Finanzen und Struktur des HSV“. Doch was die 40 interessierten Gäste aus der Finanzbranche da zu hören bekamen, konnten die meisten von ihnen kaum glauben. Unabhängig vom Ligaverbleib, so referierte Wettstein, sei der HSV ein finanziell sehr solide aufgestellter Club.
Auflagen bei Abstieg
Die Deutsche Fußball Liga, das hat der HSV seit diesem Montag schwarz auf weiß, sieht das zumindest im Falle eines Abstiegs ganz anders. „Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat dem HSV die Lizenz für die Bundesligasaison 2015/16 ohne Auflagen und Bedingungen erteilt“, teilte der Club zwar am Nachmittag ganz offiziell auf seiner Homepage mit, um dann aber noch in zwei entscheidenden Sätzen kurz und knapp die nicht unwichtige Einschränkung zu erwähnen: „Für die Zweitliga-Lizenz müssen erwartungsgemäß noch Bedingungen erfüllt werden. Der HSV wird diese innerhalb der vorgegebenen Frist bis zum 3. Juni erfüllen.“
Also alles halb so wild? Bereits in der vergangenen Saison wurde dem HSV die Lizenz lediglich mit gewissen Bedingungen erteilt. Nur durch ein Millionendarlehen von Milliardär Klaus-Michael Kühne, das dieser später teilweise in Clubanteile umwandelte, und durch eine sofortige Vertragsverlängerung von Ausrüster Adidas konnte der Club die DFL-Bedingungen erfüllen. Und auch in diesem Sommer muss der HSV im Falle des Abstiegs schnellstmöglich neue Finanzmittel besorgen. Dabei lautet die zentrale Frage: Wie konnte es nur so weit kommen?
Teuerste Saison aller Zeiten
Die Antwort auf diese ziemlich komplexe Frage ist viel einfacher als man denkt: Der Tabellenletzte der Bundesliga hat noch nie so viel Geld in einer Spielzeit ausgeben wie in dieser Saison, der schlechtesten der Clubgeschichte. Statt der avisierten 39 Millionen Euro muss der Club rund 52 Millionen Euro für Gehälter bezahlen. Die verantwortlichen Vorstände und Direktoren sollen zusammen mehr als 3,5 Millionen Euro erhalten.
Erstes HSV-Training unter Labbadia
Auch die Transferausgaben von rund 33 Millionen Euro sind rekordverdächtig, genauso wie die Millionenabfindungen für die Trainer Bert van Marwijk (zwei Millionen Euro), Mirko Slomka (1,8 Millionen Euro), seine Co-Trainer Nestor el Maestro und Ronny Teuber, Fitnesscoach Nikola Vidovic (120.000 Euro) sowie Manager Oliver Kreuzer, der am Mittwoch der kommenden Woche vor dem Landgericht Hamburg um 850.000 Euro kämpft. Und steigt der HSV wie allgemein erwartet tatsächlich im Mai ab, so viel steht bereits fest, dann wäre der Club der mit weitem Abstand teuerste Bundesliga-Absteiger aller Zeiten.
Dabei hatte es in der Vergangenheit eine ganze Reihe von Überraschungsabsteigern gegeben, die lediglich im Geldverbrennen erstklassig waren. Borussia Mönchengladbach beispielsweise in der Saison 2006/07, als der Club ausgerechnet in der Abstiegssaison ein Transferminus von knapp zehn Millionen Euro erwirtschaftete. Auch Hertha BSC stieg gleich zweimal mit einer unverhältnismäßig teuren Mannschaft ab. 2009/10 hatten die Berliner Gesamtausgaben von 85,4 Mio. Euro, davon allerdings lediglich 27,9 Mio. Euro Personalkosten. Zwei Jahre später verringerten sich die Berliner Gesamtausgaben auf 79,8 Millionen Euro, die Personalkosten stiegen dafür auf stattliche 32,4 Mio. Euro. Doch noch nie in der Geschichte der Bundesliga hatte ein Club im Abstiegsjahr so viel Geld ausgegeben wie der HSV in der laufenden Horror-Spielzeit.
HSV hält an 24,9-Prozent-Plan fest
Über all dies wollte oder konnte HSV-Vorstand Wettstein, erst seit November im Amt, bei dem Tête-à-Tête mit den Spitzenkräften aus der Wirtschaft aber nicht näher eingehen. Stattdessen erläuterte er den verdutzten Finanzexperten, wie der HSV sich für eine bessere Zukunft aufstellen wolle. So verfolge der Verein noch immer den Wunsch, zeitnah 24,9 Prozent der Clubanteile zu veräußern.
Die Idee: Nachdem Edelfan Kühne bereits 7,5 Prozent der Anteile für 18,75 Millionen Euro gekauft hat und diese auf 8,3 Prozent aufstocken könnte, sollen weitere 8,3 Prozent der Anteile jeweils an einen strategischen Partner und eine Investorengruppe gehen. Und einen ersten Teilerfolg hatte der HSV bereits am Vortag vermelden können: Der Agrarunternehmer Helmut Bohnhorst hatte als erster Gruppen-Anteilseigner für vier Millionen Euro 1,5 Prozent der HSV-Anteile erworben.
Rund 20 Minuten dauerten die Ausführungen Wettsteins. Alles war gut, alles ist gut, alles wird gut, so lautete seine zentrale Botschaft. Und als der Vortrag gerade noch rechtzeitig vor dem Anstoß des FC Bayern München in der Champions League gegen den FC Porto beendet war, fragten sich einige der Gäste beim anschließenden Stehtisch-Talk, warum sie eigentlich eingeladen waren. Ihre Expertise, wie der finanziell angeschlagene HSV schnell Kapital beschaffen könnte, war zu ihrer Verwunderung an diesem Abend jedenfalls nicht gefragt. „Jeder weiß doch, dass der HSV nur flüssig ist, wenn er bei Kühne auf den Knien um Geld bettelt“, sagte einer der Teilnehmer.
Immerhin, im Vorjahr hatte die Bettelei Erfolg. Ob aber Kühne erneut als Retter einspringt, ist nach der Absage von Wunschtrainer Thomas Tuchel mehr als fraglich. Nur Finanzvorstand Wettstein schien vor einer erneuten Überprüfung der DFL keine Bedenken zu haben. Die Liquidität des HSV sei mindestens bis 2017 gesichert, sagte er.