Hamburg . HSV-Trainer Bruno Labbadia hat bei ehemaligen Clubs immer schnell Erfolge gefeiert. Das muss er auch in Bremen schaffen .

Zeit, die hat Bruno Labbadia beim HSV nicht mehr. Er muss liefern. Jetzt, sofort, Sonntag bei Werder Bremen. Es muss ein Start von null auf hundert gelingen, wenn der HSV noch den ersten Abstieg seiner Bundesligageschichte vermeiden will. Der neue Trainer weiß das, und die gute Nachricht ist: Der neue Trainer kann das. Bei fast all seinen Stationen legte der gebürtige Darmstädter nach der Amtsübernahme einen Beginn nach Maß hin, das erste Pflichtspiel gewann er bisher sogar immer.

Auch als Spieler beim HSV war Labbadia durchaus ein Durchstarter. 1987 erzielte er in seinen ersten zehn Partien sechs Treffer. So oft hat beim HSV 2015 auch nach 28 Spielen noch niemand getroffen. Vielleicht sollte der frühere Nationalstürmer seinen Schützlingen noch einmal Videos aus seiner aktiven Zeit vorführen, damit Lasogga und Co. sehen, wie es geht. Er setzt dabei trotz der zuletzt enttäuschenden Darbietungen der beiden auf Pierre-Michel Lasogga und Rafael van der Vaart. „Pierre ist ein Bär, er kann uns extrem helfen.“ Und auch für Kapitän Rafael van der Vaart brach er eine Lanze. „Ich erwarte nicht eine Grätsche von ihm, dafür seinen besten Fußball. Denn dafür sind die Leute ja früher auch ins Stadion gekommen.“

„Früher ist das Stichwort“ würde Imbiss-Kultfigur „Dittsche“ dazu sagen. Denn die Gegenwart ist eben anders. Die Mannschaft müsse runterkommen, hatte Labbadia festgestellt und startete seinen erneuten HSV-Job deshalb mit einem zweieinhalbtägigen Trainingslager in Rotenburg. Angeblich erfolgreich. Die Mannschaft habe Ruhe gefunden und Kraft geschöpft. „Was wir bewirken wollten, ist gelungen“, fasste Labbadia den Trip nach Rotenburg zusammen. Seit Freitagmittag ist sein Team nun wieder in Hamburg, wird hier am Sonnabend das Abschlusstraining bestreiten und sich danach auf der A 1 Richtung Weserstadion begeben, wo am Sonntag (15.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) das brisante 102. Nordderby ansteht. Spätestens dann ist es vorbei mit der Ruhe. „Geschlossenheit ist jetzt das Wichtigste, meine Mannschaft muss eine Festung sein“, formuliert der Fußballlehrer seinen Grundanspruch. Er habe viele Gespräche geführt, jedem Spieler klargemacht, „warum wir was auf dem Platz machen“, und die Vergangenheit nicht thematisiert.

Doch können diese Maßnahmen helfen, eine komplett verunsicherte Mannschaft wieder in die Spur zu bringen? Es ist knapp vier Jahre her, als Franz Beckenbauer über den damaligen Tabellenletzten HSV mutmaßte, dem Club könne „kein Trainer auf der Welt“ helfen, lediglich ein „Zauberer vom Circus Krone“. Doch auch der Fußball-Kaiser täuscht sich manchmal, denn unter Thorsten Fink, dessen magische Fertigkeiten bisher nicht auffällig geworden sind, rettete sich der HSV am Ende. Nun sind die Hamburger wieder am Tabellenende angekommen, und Beckenbauer sieht „gar keine Anhaltspunkte mehr, wie der HSV die Klasse halten könnte“. Das sieht Labbadia naturgemäß anders, auch wenn der Coach jetzt ebenfalls auf Übermenschliches setzt. „Manchmal gehört ein bisschen Zauber dazu“, meint er.

Der 49-Jährige hat oft genug bewiesen, dass seine Maßnahmen schnell fruchten. In seiner Geburtsstadt stieg Labbadia 2003 in das Trainergeschäft ein und führte den SV Darmstadt souverän in die Regionalliga. 88 von 102 möglichen Punkten holte der ehemalige Angreifer mit seinem damaligen Amateurverein. Doch auch auf Profiebene war Labbadia ein Durchstarter: Mit der SpVgg Greuther Fürth fand er sich in der Saison 2007/08 nach sechs Spieltagen ohne Niederlage auf Platz zwei der 2. Bundesliga wieder, ein Jahr später führte er Bayer 04 Leverkusen nach zwölf Spieltagen sogar auf Platz eins der Bundesligatabelle. Bei seinem letzten Gastspiel in Hamburg blieb ebenfalls vor allem sein Auftakt mit zehn Partien ohne Niederlage in positiver Erinnerung. „Das war mir gar nicht so bewusst. Doch diese Situation ist wieder eine neue und daher nicht vergleichbar“, spielt Labbadia seine Schnellstartfähigkeit herunter – und klopft dennoch dreimal auf Holz.

Beim VfB Stuttgart, den der Sohn italienischer Gastarbeiter im Jahr 2010 kurz vor der Winterpause übernahm, dauerte es länger, bis sich regelmäßige Punktgewinne einstellten. Beim Tabellensiebzehnten fand Labbadia ähnlich wie jetzt beim HSV eine Mannschaft vor, die am Ende war. Mit der Fokussierung auf das jeweils nächste Spiel formte Labbida den VfB damals dennoch zur viertbesten Rückrundenelf. Den HSV-Fans wird es nun relativ egal sein, mit welchen Mitteln Labbadia die Rettung angeht, solange er am Ende Erfolg haben wird. Einzig der Glaube an seinen Zauber fehlt noch: Nach einer repräsentativen Umfrage von bundesligabarometer.de sieht der unglaubliche Anteil von 99,2 Prozent der HSV-Fans das Problem in der Mannschaft.