Sportdirektor Peter Knäbel übernimmt beim HSV bis Saisonende den Trainerjob. Dies birgt ein Risiko. Ein Kommentar von Alexander Laux.
Dass Peter Knäbel den Drang verspürt, nicht nur am Schreibtisch für den HSV zu wirken, war bekannt. Mit den größten Talenten des HSV von der U-17 bis zur U-23 leitete der 48-Jährige in den vergangenen Wochen leidenschaftlich einige Einheiten auf dem Trainingsgelände im Volkspark. Ihm aber jetzt in dieser dramatischen Lage des Clubs die Verantwortung für die Mission Klassenerhalt zu übertragen, überrascht doch sehr, schließlich birgt die Entscheidung der Clubführung objektiv große Risiken. Womöglich zu große.
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Knäbels Erfahrung als Profitrainer fällt äußerst bescheiden aus, obwohl er vor 16 Jahren die Fußballlehrerlizenz erwarb. In den zwei Jahren als Spielertrainer in Winterthur (1998-2000) stieg er erst in die dritte Liga der Schweiz ab und schaffte den sofortigen Wiederaufstieg. Gelingt es dem bisher eher analytisch-sachlich wirkenden Knäbel, schnell einen engen Draht zu den Spielern aufzubauen, die Mannschaft wieder aufzurichten, wenn die schweren Aufgaben in Leverkusen und gegen Wolfsburg mit deutlichen Niederlagen enden? Oder wachsen Skepsis und Zweifel unter den sowieso schon verunsicherten Profis, könnte seine Autorität nachhaltig leiden, wenn ihm in Drucksituationen einige verständliche (Anfänger-)Fehler unterlaufen? Fragen über Fragen, und niemand kennt eine seriöse Antwort.
Ein weiteres Risiko: Abgesehen davon, dass Knäbel durch seine Trainertätigkeit kaum noch Zeit haben dürfte, die (zweigleisige) Kaderplanung voranzutreiben, ist klar, dass seine Person im Falle des Misserfolgs Schaden nehmen würde. Knäbel wäre das Gesicht des Abstiegs, ein Vertrauensverlust die logische Folge – und seine Weiterbeschäftigung als Manager kein Selbstläufer. Dabei sammelte Knäbel mit seinem Auftreten als Sportdirektor bisher durchaus Pluspunkte. Sein Name stand für eine strategische Neuausrichtung, für Hoffnung auf Besserung. Nach den vielen Jahren des vergeblichen Suchens sollte endlich Konstanz auf dieser Position einkehren.
Immerhin, es ehrt Knäbel, dass er bereit ist, diese Risiken einzugehen, er stellt sich freiwillig in den Wind. Das zeugt von Charakter. Ein neuer Übungsleiter hat außerdem das Momentum für sich, weil der abgelöste Trainer immer auch als Sündenbock herhalten muss und die Schuld mitnimmt. Für die Spieler besteht die Chance, mit Knäbel einen Neuanfang zu starten, bei Null zu beginnen. Aber nur, wenn es dem Übergangscoach gelingt, seinen Charakter, seine Mentalität auf die Mannschaft zu übertragen, besteht die Chance auf Erfolg. Und er muss schnell lernen, sehr schnell.
Man ist geneigt, ihm zuzurufen: Viel Glück, Herr Knäbel! Sie werden es brauchen.