Beim 3:2 im Testspiel gegen Eintracht Frankfurt gelingt Beister das Comeback. Gedämpft wird die Leistung durch eine schwere Verletzung von Lewis Holtby. Bestätigt sich der Befund, fehlt er zwei Monate.
Dubai. Der Herr mit der Harry-Potter-Brille und dem karierten Hemd, ein Scout des ersten Rückrundengegners 1. FC Köln, im Trainingslager in Dubai ständiger Begleiter der Hamburger, hatte sich einiges zu notieren: Fünf Tore, eine schwere Verletzung und ein kleines Sportmärchen. 3:2 (3:0) hatte der HSV in Al Ain nahe der Grenze zum Oman gegen Bundesligakonkurrent Eintracht Frankfurt gewonnen, und Trainer Josef Zinnbauer durfte nach der flotten Partie von „einem guten Test“ sprechen. Da wusste er aber schon, was seinem Mittelfeldspieler Lewis Holtby zugestoßen war.
Kurz vor Spielschluss hatte sich Holtby bei einem unglücklichen Sturz nach einem Zusammenprall mit dem Frankfurter Martin Lanig eine schmerzhafte Schulterverletzung zugezogen, war von Manager Peter Knäbel im Rollstuhl zum Krankenwagen gebracht und mit Verdacht auf einen Schlüsselbeinbruch – mit Blaulicht – zum Röntgen ins nächste Krankenhaus gefahren worden.
Bestätigt sich am Freitag die erste ärztliche Diagnose, dürfte der 24-Jährige wahrscheinlich zwei Monate lang ausfallen. „Das ist schrecklich und ein großer Verlust für uns. Es tut mir unendlich leid für den Jungen. Lewis hatte sich gerade wieder ans Team herangebissen“, klagte Zinnbauer.
Der Holtby-Schock hatte zu diesem Zeitpunkt längst Maximilian Beisters Traum-Comeback in den Hintergrund gerückt. Zwölf Minuten waren im Hazza Bin Zayed Stadium im Nachbaremirat Abu Dhabi gespielt, als Beister, 24, bei seinem ersten Einsatz nach 370 Tagen das frühe 1:0 gegen die Eintracht erzielte. Nach einem Kreuzbandriss und weiteren Schäden im linken Knie, erlitten am 10. Januar 2014 hier in Dubai in einem Testspiel gegen Arnheim, hatte der schnelle Mittelfeldspieler länger als erwartet pausieren müssen. „Ich bin überglücklich, endlich wieder Fußball spielen zu können. Das Tor war das I-Tüpfelchen“, sagte Beister.
Zurück in die Bundesliga-Wirklichkeit
Sogar seine Eltern waren extra aus Lüneburg an den Arabischen Golf gereist, um den Filius bei seiner Rückkehr auf den Rasen zu unterstützen. Dass es nach zwei weiteren Treffern von Zoltan Stieber (24.) und Ahmet Arslan (28.) sogar 3:0 stand, als der genesene Dauerpatient nach einer halben Stunde wie abgesprochen den Platz verließ, war zu diesem Zeitpunkt Nebensache. „Es ist wirklich eine große Freude für uns alle, dass Maxi nach seiner langen Leidenszeit wieder zurück ist“, sagte HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer. Holtbys Verletzung trübte dagegen später seine Stimmung erheblich.
„Es wird eine sehr schwere Rückrunde“, prognostizierte der Vorstandsvorsitzende, der gemeinsam mit seinem Vorstandskollegen Joachim Hilke und mit Sportdirektor Bernhard Peters am Sonnabend die vorzeitige Heimreise antritt, „wir müssen uns an den Realitäten orientieren.“ Und trotz des zumindest sportlich erfolgreichen Wüstentests gegen Frankfurt heißt die Hamburger Bundesliga-Wirklichkeit: Tabellenplatz 14, 18 Punkte und nur neun geschossene Tore.
„Gerade im Offensivbereich müssen wir etwas tun“, kündigte Beiersdorfer wenig überraschend an, „der eine oder andere Spieler ist ja auf dem Markt.“ Dass der eine Leverkusens Josip Drmic („Natürlich sind wir in Gesprächen. Es bewegt sich von allen Seiten“) und der andere der vereinslose Innocent Emeghara ist, war bekannt. Auch das rudimentäre Interesse am ägyptischen Nationalstürmer Mohamed Salah, den der FC Chelsea allerdings nicht verleihen will, ist keinesfalls neu. Nicht bekannt war aber, dass der HSV das Wettrennen gegen Arsenal London um Mittelfeldtalent Krystian Bielik vorzeitig beendet hat. „Wenn wir durchgezogen hätten, dann hätten wir wahrscheinlich gute Chancen gehabt“, sagte Beiersdorfer, der sich aber darüber freuen durfte, dass Bielik nach dessen guten Gesprächen mit Trainer Zinnbauer bis zuletzt den HSV gegenüber den zahlungskräftigeren Londonern präferiert hatte.
„Wir haben bei ihm einen ziemlich guten Job gemacht. Aber in unserer Situation können wir nicht alle kurz-, mittel- und langfristigen Perspektiven abdecken. Wir müssen Prioritäten setzen“, sagte Beiersdorfer etwas verklausuliert. Im Klartext: Trotz guter Möglichkeiten war dem HSV, der mit Legia eine Ratenzahlung vereinbaren wollte, der Preis zu hoch. Arsenal London zahlt Legia Warschau nun zwei Millionen Euro sofort, weitere 500.000 Euro bei einem Weiterverkauf. Am Montag fliegt das polnische Toptalent nun also zur Vertragsunterzeichnung nach London.
Hoffen auf Hauptsponsor Emirates
Um in nicht allzu ferner Zukunft auf dem Transfermarkt den Branchenriesen auch mal wieder Paroli bieten zu können, hofft Beiersdorfer besonders auf „die gewachsene Partnerschaft“ zu Hauptsponsor Emirates. Nach dem gemeinsamen Abendessen in den Jumeirah Emirates Towern am Dienstag wurde der Vorstandsvorsitzende jedenfalls nicht müde, diese jährlich 7,5 Millionen Euro wertvolle Geschäftsbeziehung nachhaltig zu betonen und zu loben.
Der Ende Juni 2015 auslaufende Vertrag wurde bereits per Option bis 2016 verlängert, was dem HSV natürlich längst nicht genug ist. „Das Essen war gut, die Gesprächsatmosphäre war ausgezeichnet“, sagte Beiersdorfer, der auch kein großes Geheimnis daraus machen wollte, was für die vom HSV angestrebte Vertragsverlängerung über 2016 hinaus passieren muss: „Natürlich haben wir in den letzten Jahren nicht das gezeigt, was wir im Stand zu leisten sind. Das wollen wir nun ändern.“
Dass Beiersdorfers Worte durchaus Ernst zu nehmen sind, zeigten die Hamburger in der ersten Halbzeit gegen Frankfurt. Die beiden Gegentreffer im zweiten Durchgang durch Alexander Meier (61.) und Lucas Piazon (63.) waren da schon eher zu verkraften als die spätere Verletzung Holtbys.
HSV, 1. Halbzeit: Adler – Jung, Kacar, Rajkovic, Jansen – Jiracek – A. Arslan, P. Müller, Stieber, Beister (30. Emeghara) – Rudnevs. HSV, 2. Halbzeit: Drobny – Götz, Kacar (62. Djourou), Rajkovic (62. Westermann), Ostrzolek – Mende, van der Vaart – Emeghara, Holtby, Gouaida – Green. Tore: 1:0 Beister (12.), 2:0 Stieber (24.), 3:0 A. Arslan (28.), 3:1 Meier (61.) 3:2 Piazon (63.).