Bescheidenheit ist für den HSV-Franzosen, der im Monat nur 3500 Euro verdienen soll, eine Tugend. Auf dem Platz ist er trotzdem durchgestartet - und seine Facebook-Seite hat er einem aktuellen Ereignis angepasst.
Dubai. Ein wenig nervös ist Mohamed Gouaida schon. Ein richtiges Interview hat der Franzose, der in Tunesien geboren und in Straßburg aufgewachsen ist, noch nie gegeben. Schon gar nicht auf Deutsch. „Mon dieu“, antwortet das U23-Talent, als er beschreiben soll, was sich für ihn als Nachwuchsspieler denn nun bei den Profis geändert habe. „Es ischt“, startet er in der Lobby des futuristischen Meydan-Hotels einen ersten Versuch, „un monde différent. Es ischt eine ganz andere Welt.“ Und diese andere Welt, die gefällt ihm.
Mohamed Gouaida, 21 Jahre jung, jüngster von fünf Brüdern, hatte immer nur einen Traum. „Ich wollte eigentlich immer nur Fußballprofi werden“, sagt der Mittelfeldmann, der schon sechsmal für den HSV in der Bundesliga spielen durfte, sein Ziel aber noch lange nicht erreicht hat. „Ich lebe meinen Traum, aber ein Profi bin ich nicht. Noch nicht.“
Formell hat Gouaida recht. Der Flügelflitzer ist kein Profi. Zumindest hat er keinen Profivertrag. Bis 2016 ist er Vertragsamateur, verdient 3500 Euro im Monat und fährt einen in die Jahre gekommenen Polo. „Ich habe mir den Polo von meinem Geld gekauft. Einen Maserati konnte ich mir gerade nicht leisten“, sagt Gouaida und grinst. „Geld ist mir nicht wichtig. Mir ist wichtig, dass ich irgendwann regelmäßig vor 50.000 Zuschauern spiele.“
Dass er das Zeug dazu hat, daran zweifelt beim HSV niemand. „In der Hinrunde hat er ja schon bewiesen, dass er es schaffen kann“, sagt Soner Uysal, der in Dubai dabei ist, normalerweise aber als Co-Trainer die U23 trainiert. „Von den Jungen ist er am weitesten. Aber der Sprung zu den Profis ist das eine“, sagt Uysal, „sich bei den Profis zu etablieren das andere.“
Das Fußballspielen begann Gouaida, der neben Messi ausgerechnet den im Winter fast verpflichteten Hatem Ben Arfa als Vorbild nennt, in der Jugend von Racing Straßburg. Als der finanziell klamme Verein kein Geld mehr für die Nachwuchsförderung übrig hatte, wechselte Gouaida ins gerade mal 65 Kilometer entfernte Freiburg. „Mein Berater sagte mir, dass Freiburgs Nachwuchsarbeit die beste in Deutschland sei. Und so konnte ich trotzdem noch in Straßburg wohnen bleiben.“
Seinen Traum vom Profifußball kam Gouaida im Breisgau aber nicht näher. Mit der U19 gewann er 2011 – nach einem Halbfinalsieg gegen den HSV – den A-Jugend-DFB-Pokal, doch bei Freiburgs U23 geriet seine noch nicht mal begonnene Karriere ins Stocken. Ein neuer Trainer, eine neue Philosophie – und plötzlich war für Gouaida nur noch auf der Tribüne Platz. Dass er zu viel mit seinen Gedanken bei seiner Familie und seinen Freunden in Straßburg gewesen sei, wie Freiburgs Cheftrainer Christian Streich kürzlich behauptete, widerspricht der Wahl-Niendorfer energisch.
Doch als Joe Zinnbauer und Ex-Sportchef Oliver Kreuzer anriefen, ob er nicht in die U23 zum HSV wolle, zögerte er nicht lange. „Monsieur Zinnbauer ist wahrscheinlich der wichtigste Förderer, den ich je hatte.“
Gouaida verzichtet auf eine Spielerfrau
Zunächst setzte Zinnbauer bei der U23 auf Gouaida, später holte er ihn zu den Profis. „Ein fantastisches Erlebnis“ sei sein Bundesligadebüt gegen Werder Bremen gewesen, sagt Gouaida, der momentan trotz prominenter Konkurrenz durch Zoltan Stieber und Marcell Jansen links vorne als gesetzt gilt.
Gedanken, dass der Überflieger auch abseits des Fußballplatzes abheben könnte, braucht sich aber offenbar niemand zu machen. Denn neben einem standesgemäßen Flitzer und dem entsprechenden Gehalt verzichtet der Noch-nicht-Profi auch auf das dritte Essential eines echten Fußballers: auf die Spielerfrau. „Ich bin ja noch jung“, sagt der überzeugte Junggeselle. „Momentan will ich mich wirklich nur auf Fußball konzentrieren. Und wenn ich wirklich Profi bin, dann kommt alles andere ganz von alleine.“
Fast alles. Denn im Gegensatz zu seinen Mitspielern wird Gouaida eines niemals machen: sich tätowieren lassen. Als Moslem seien Tattoos tabu, sagt der Fußballer, der zwar nicht zwangsläufig fünfmal am Tag betet, aber eben doch gläubig sei. Dass sein Glaube überhaupt zum Thema werden könnte, hat Gouaida erst in der vergangenen Woche gemerkt. Natürlich hätten auch ihn, den muslimischen Franzosen, die Terroranschläge von Paris betroffen gemacht. Das Facebook-Profil seiner Fanseite ziert seitdem der um die Welt gegangene Spruch „Nous sommes Charlie“. Wir sind Charlie.
Besonders mit seiner Familie in Straßburg habe er sofort telefoniert und Nachrichten geschrieben. „Die ganze Welt hat den Atem angehalten“, sagt Gouaida, der aber keine Angst davor hat, dass er als Moslem nun unter Generalverdacht stehen würde. „In Deutschland wurde ich immer gut behandelt. Ich hatte noch nie wegen meines Glaubens irgendwelche Probleme“, sagt Gouaida, der sich im Meydan-Hotel ein Zimmer mit Kumpel Julian Greene teilt.
Als nach einer halben Stunde das Gespräch vorbei ist, wirkt Gouaida erleichtert. „Merci“, sagt er und steht auf. Er müsse sich jetzt noch ein wenig ausruhen. Der Traum vom Profifußball ist eben anstrengend.
Dennis Diekmeier musste zur Kernspinuntersuchung ins Krankenhaus. Das Knie ist gereizt, der Rechtsverteidiger muss weiter pausieren. Nicolai Müller gewann einen Sprinttest über 30 Meter vor Artjoms Rudnevs und Marcell Jansen.