Unter Joe Zinnbauer schien der HSV hochengagiert in jedes Spiel zu gehen - nun zeigen die Hamburger wieder ihr altes Phlegma. Dem Trainer bleiben nur drei Tage, um für neue Motivation zu sorgen.

Hamburg. Die Uhr der Anzeigentafel sprang gerade auf die 82. Minute um, da wehte der Gesang durch die HSV-Arena im Volkspark, den eigentlich niemand mehr hören wollte. „Wir wollen euch kämpfen seh‘n“, riefen die Fans, erst zaghaft, dann lautstark. Beim 0:1 gegen Stuttgart ließen die Hamburger einen Matchball für die avisierten 19 Punkte bis zur Winterpause aus. Noch schlimmer: Es war die zweite Partie in Folge, in der die Hamburger statt Biss und Überzeugung einen Hang zur nachlässigen Lethargie zeigten. Erstmals unter Joe Zinnbauer ist die gefürchtete Pomadigkeit zurück beim HSV.

Der Trainer war im Anschluss ähnlich angefressen wie die Zuschauer. „Wir werden das Spiel analysieren und gucken, warum wir es aus unerklärlichen Gründen aus der Hand gegeben haben“, sagte Zinnbauer. 20 Minuten habe sein Team ein gutes Spiel gemacht und aggressiv verteidigt, dann schienen die HSV-Spieler kollektiv in Ideenlosigkeit zu verfallen.

Bereits beim 0:0 in Freiburg waren die Hamburger offensiv harmlos, gegen Stuttgart zeigte nun auch die Abwehr altbekannte Aussetzer. „Wir haben uns zu wenig bewegt, um die Schnittstellen aufzumachen. Heute haben wir nicht viel richtig gemacht“, bilanzierte Zinnbauer knapp. Nur am Mikrofon der TV-Reporter zeigte HSV-Kapitän Rafael van der Vaart im Anschluss überbordendes Engagement.

HSV denkt noch an die vergangene Saison

Der Übungsleiter führt die schwankenden Leistungen intern darauf zurück, dass die Fast-Abstiegssaison noch in den Köpfen stecke. Auch die Profis fühlten sich an die dunklen Tage des Frühjahrs erinnert. „Wir haben aufgehört Fußball zu spielen“, sagte Abwehrspieler Dennis Diekmeier. Abwehrmann Johan Djourou sprach von einem „unglücklichen Gegentor durch einen Konter“, das zur Niederlage geführt habe. Auch der Schweizer fand dabei keine Erklärung für die völlige Chancenarmut. „In der zweiten Halbzeit spielen wir in Überzahl, das müssen wir besser machen.“

Hoffnung auf Besserung im letzten Hinrundenspiel gegen Schalke macht nun nur die eigene Inkonstanz. Gegen stärkere Gegner (Bayern, BVB, Leverkusen) trumpfte die HSV-Elf in dieser Saison verlässlich auf, zeigte insbesondere nach deftigen Niederlagen eine ansprechende Reaktion. Sollten die Hamburger sich bis zum Spiel am Sonnabend in Gelsenkirchen nun erneut „aufrichten“, wie es Spieler und Verantwortliche am Dienstagabend unisono forderten, wäre dies der erkennbarste Fortschritt, den Joe Zinnbauer in seiner bislang dreimonatigen Amtszeit herbeigeführt hat.