Auf einen katastrophalen Bock folgt eine überragende Defensiv-Leistung: Heiko Westermann pendelt zwischen Genie und Wahnsinn. Bei den Fans ist die Meinung über den Innenverteidiger deshalb gespalten.

Hamburg. Er steht auf, wenn er am Boden liegt. Er verteidigt souverän, wenn er im Spiel davor die Niederlage durch einen entscheidenden Aussetzer eingeleitet hat. Die Rede ist von Heiko Westermann, das Stehaufmännchen des HSV. Beim 1:3 im DFB-Pokal gegen Bayern München leitete der Innenverteidiger die Niederlage durch seinen verunglückten Rückpass auf Torwart Jaroslav Drobny ein, den Gegenspieler Thomas Müller ohne Probleme erlief und auf Sturmpartner Robert Lewandowski passte, der letztlich das 0:1 aus Sicht der Hamburger erzielte.

Fortan wirkte Westermann verunsichert und fiel immer wieder durch Fehlpässe und einige Unkonzentriertheiten auf. Nach dem Spiel stellte er sich wie gewohnt selbstkritisch den Journalisten. „Ich habe der Mannschaft nicht geholfen“, fiel sein ernüchterndes Fazit aus. Für Trainer Joe Zinnbauer gab Westermanns ohne Zweifel schwache Leistung gegen die Bayern dennoch keinen Anlass, ihn aus der Startelf für die immens wichtige Bundesliga-Partie gegen Bayer Leverkusen zu nehmen.

Und Westermann rechtfertigte das Vertrauen mit einer bärenstarken Leistung beim 1:0-Sieg gegen den Champions-League-Teilnehmer. Schon in der letzten Saison avancierte der Abwehrspieler zum Helden gegen die Werkself durch sein Traumtor in der Schlussphase beim 2:1-Sieg am 29. Spieltag. Die Punkte 25 bis 27 waren zugleich die letzten Zähler der Hamburger im Saisonendspurt und sicherten die Relegation, über die der HSV letztlich den Klassenerhalt erreichte. Von den Fans wird Westermann seither liebevoll #HW4, in Anlehnung an Real Madrids Tormaschine Cristiano Ronaldo (#CR7), genannt.

Westermann unter Slomka nur Ersatz


Zu Saisonbeginn schienen seine Tage beim HSV jedoch bereits gezählt. In der Vorbereitung erklärte ihn Zinnbauer-Vorgänger Mirko Slomka zum Rechtsverteidiger-Ersatz. Zunächst zog Slomka Mittelfeldmann Gojko Kacar zurück und ließ den Serben mit Johan Djourou verteidigen. Dann durfte der spät verpflichtete Brasilianer Cléber spielen. Doch Westermann, der in den vergangenen vier Spielzeiten beim HSV gerade mal fünf Bundesligaspiele verpasst hatte, steckte nicht auf – und durfte nach dem Trainerwechsel wieder zurück auf seine angestammte Position in die Innenverteidigung.

Westermann ist von der Einstellung her ein absolutes Vorbild. Immer wieder bügelt er seine fußballerischen Schwächen durch bedingungslosen Einsatz wieder aus. Trotz aller Pfiffe der Fans in den letzten Jahren, ließ der Verteidiger nie den Kopf hängen und gab stets alles für den HSV. Von Wechselgedanken, wie bei so vielen anderen Stammspielern der Hamburger, war ebenfalls nie etwas zu hören. Bei den Fans scheint die Stimmung inzwischen zu kippen. Die Leute im Stadion erkennen seine Loyalität zum HSV zunehmend an und schätzen seine Führungsqualitäten. Kapitale Aussetzer, wie der gegen Bayern, helfen Westermann allerdings nicht beim Aufpolieren seines Images. Doch er wird auch nach dem nächsten Bock wieder aufstehen und durch Leistung überzeugen.